Ma jiehn op Schwoazeberg - Joada möt?
Ausdruck gläubigen Verhaltens im Kelberger Raum
Theo Pauly, Gerolstein
Der Eifler war seit je ein tiefgläubiger Mensch. So wußte er auch mit der Unbill der Realität zurechtzukommen, ganz selten hat einer verzweifelt Hand an sich selbst gelegt. In meiner Kindheit ging die Rede von einem Mann, der sich vor vielen Jahren in Bruchhausen an einer Fichte aufgehängt hatte. Weil er als Selbstmörder nicht auf dem allgemeinen Friedhof beerdigt werden durfte, war er im Spritzenhaus bei der Kirche begraben worden. So hatte man auch dem, der nach damaliger Glaubensauslegung zur ewigen Verdammnis ausersehen war, die irdische Grabstätte in der Nähe seiner Kirche und der verstorbenen Mitbürger eingerichtet. Die Bande der Zusammengehörigkeit war stärker als die orthodoxe Auslegung katholischer Lehre.
Weil die Bevölkerung der Eitel so gläubig war, nahm man Unglück und Leid als von Gott gewollt hin und zerbrach nicht daran. Kündigte sich jedoch ein hartes Schicksal an, in der Familie, im Stall, in der Verwandtschaft, im Dorf, so war man bestrebt, durch Gebet und Buße Schlimmes abzuwenden. Man stiftete Messen und machte Bittgänge. Aber auch zwischendurch wollte man sich die Huld Gottes erbitten und machte, wenn man glaubte, es sei wieder an der Zeit, Büß- und Bittgänge, den Himmel milde zu stimmen. Neben der offiziellen Wallfahrt der Pfarrei nach Barweiler, die alljährlich - auch heute noch - im September stattfindet, wurden kleine, private Wallfahrten veranstaltet. Man pilgerte nach Weinfeld am Totenmaar, nach Hoffeld, nach Hilgerath und auch zum Schwarzenberg hinter Kelberg. Der Gang zum Schwarzenberg war beliebt, an einem halben Tag bequem durchzuführen, nicht so kurz wie nach Hilgerath; er beinhaltete das Gebet des Kreuzwegs, der 14 Leidensstationen Christi und das besondere Gebet zur Schmerzhaften Muttergottes.
Häufig wurden Bittgänge spontan durchgeführt, auch ohne besonderen Anlaß. So konnte es sein, daß man bei strahlendem Sonnenschein gemeinsam aus dem Hochamt nach Hause ging und irgendeiner meinte, es wäre ein Wetter, um »noa Schwoazeberg se joahn«. Er fand Zustimmung, man verabredete den Gang nach Schwarzenberg für die Zeit nach dem Mittagessen. Glaubte man nun, die Gebete seien wirksamer, wenn sie von möglichst vielen zum Himmel geschickt würden oder suchte man die Gesellschaft? Jedenfalls wurde in die nähere und weitere Nachbarschaft geschickt mit der Botschaft: »Ma jiehn op Schwoazeberg, Joada möt?« Ganz selten erhielt der Bote abschlägigen Bescheid.
So zog dann jeweils eine kleine Prozession durch die »Böschwies« gen Kelberg und befleißigte sich des Rosenkranzgebetes. Die Kinder mitzunehmen war Selbstverständlichkeit, einmal waren sie in dieser Zeit gut aufgehoben und konnten keine »Schälmestöcka« (Schelmenstreiche) veranstalten, zum anderen war auch ihr Gebet für die gemeinsamen Anliegen kein Schaden. Da diese Bittgänge meist nur bei schönem und warmem Wetter spontan zustande kamen, glich der Gang nach Schwarzenberg einem kleinen Bußgang, von vielen Schweißtropfen gezeichnet. Man freute sich darauf, daß bald die Schatten der am Schwarzenberg wachsenden hohen und dichten Bäume angenehme Kühle spendeten. Das kleine Kapellchen mit der Schmerzhaften Mutter Gottes verbreitete noch größere und wohltuendere Kühle, oft wurden die Stationen des Kreuzwegs, an denen man entsprechend lange verweilen mußte, zur harten Geduldsprobe. Aber die »Großen« ließen sich nicht beirren und blieben, bis auch das letzte Gebet an einer Station gesprochen war, nie wurde ein Gebet ausgelassen oder abgekürzt. Der Weg zur Ka-pelle stieg stetig an. Wir Kinder hätten die Zwischenräume liebend gern schneller zurückgelegt, doch die Erwachsenen gingen immer nur gemessenen Schrittes weiter. Je langsamer man ging, umso mehr »Gegrüßet seist du, Maria« konnten gebetet werden. Da blieb auch den Kindern nichts anderes übrig, als sich widerwillig dem langsamen Tempo anzupassen. Auf dem Nachhauseweg wurde höchstens noch ein Rosenkranz gebetet und zwar unmittelbar im Anschluß an das Verlassen der Kapelle. Die restliche Zeit diente den Erwachsenen zur Unterhaltung, uns Kindern zu fröhlichem Nachlauf- und Versteckspiel im Walde. So waren die Bittgänge nach Schwarzenberg stets Unternehmungen, die Positives brachten, auch wenn die Gebete offensichtlich nicht immer erhört wurden.