Jch bitte eure Excellenz gehorsamst

Alois Mayer, Daun-Pützborn

Im vergangenen Jahrhundert ist die Auseinandersetzung des preußischen Staates mit der katholischen Kirche unter dem Begriff »Kulturkampf« in die Geschichte eingegangen. Er wurde unter Führung Bismarcks vom neuen Deutschen Reich, Preußen und einigen anderen Bundesländern gegen die institutionalisierte katholische Kirche geführt, mit dem Ziel, diese dem Staat unterzuordnen.

Bismarck befürchtete, daß der Katholizismus, besonders nach dem Erstarken der Zentrumspartei 1871, reichsfeindliche Aktionen gegen das protestantische Kaiserhaus unternehmen könnte. Per Gesetzgebung wollte der Kanzler nun in den Jahren 1871 bis 1879 die Macht der Kirche brechen. Die wichtigsten Erlasse waren: Der »Kanzelparagraph« (1871), der Priester mit Gefängnisstrafen bedrohte, wenn sie die Kanzel politisch »mißbrauchten«, das »Jesuitengesetz« (1872), das sämtliche Niederlassungen des Ordens im Gebiet des Deutschen Reiches verbot; das »Schulaufsichtsgesetz« (1872), das alle kommunalen und privaten Schulen unter staatliche Aufsicht stellte; die »Maigesetze« (1873), die kirchliche Zuchtmittel beschränkten, eine staatliche Gerichtsstelle für kirchliche Angelegenheiten einrichteten, für Priester eine staatliche Prüfung verlangten und Kirchenaustritte erleichterten.

Danach das »Zivilstandsgesetz« (1875), das die Zivilehe zur Pflicht machte und den Taufzwang aufhob; das »Brotkorbgesetz« (1875), nach dem staatliche Zuwendungen an die Kirche eingestellt werden konnten. Die Antwort der katholischen Kirche war ein zäher Kampf, harter Widerstand und lauter Protest. 1875 erklärte Papst Pius IX. alle Kulturkampfgesetze für ungültig und verhängte über die Urheber und Durchführer der Verordnungen den Kirchenbann; die Priester wurden zur Gehorsamsverweigerung aufgerufen, da »man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen«.

Der Staat wiederum reagierte mit Geldstrafen, Verhaftungen, Amtsenthebungen und Verbannungen; 1876 waren alle preußischen Bischöfe verhaftet oder ausgewiesen.

Erst mit dem Tode von Papst Pius IX. trat 1878 eine Wende im Kulturkampf ein. Der neue Papst Leo XIII. war sehr an einer Beilegung der Auseinandersetzung interessiert. Nach langen Verhandlungen wurden die meisten Kulturkampfgesetze wieder aufgehoben. Bestehen blieben der Kanzelparagraph, die verpflichtende Zivilehe und das staatliche Schulaufsichtsgesetz.

Am 23. 5. 1887 erklärte Leo XIII. den Kulturkampf für beendet.

Auch in der Eifel und im Kreise Daun wirkte sich der Streit in den verschiedensten Härtestufen und teils mit persönlichen Konsequenzen aus.

»Die Regierung machte die Zahlung der Gehälter an die Pfarrer von deren ausdrücklicher Anerkennung der Maigesetze abhängig. Die ganz überwiegende Zahl der Geistlichen - etwa 95 % - lehnte das ab und blieb in den nächsten sechs Jahren ohne Gehalt. Nur etwa 12-18 »Staatspfarrer« - die meisten aus den Eifeldörfern um Manderscheid - fanden sich zur Unterwerfung bereit oder stimmten aus liberalen Überzeugungen den Maigesetzen zu. Sie wurden von den Amtsbrüdern und Gläubigen durchweg boykottiert und auch diffamiert. Ihre Kirchen blieben sonntags leer.« (K. H. Rothenberger).

»Im Kulturkampf waren Pfarrhaus und Wittum von Niederbettingen lange Jahre beschlagnahmt und wurden durch den Bürgermeister Kraemer von Hillesheim kommissarisch verwaltet. Am 3. 2. 1882 wandte sich der Kirchenvorstand an den Kultusminister mit der Bitte um Aufhebung dieser Maßnahme, da in Wiesbaum und Niederehe dieses längst geschehen sei.« (Schug, S. 374)

Peter Kiefer wurde 1873 zum Pfarrer von Wiesbaum ernannt, 1874 gesperrt und ausgewiesen. Während Kiefer sich in Fremersdorf aufhielt, wählten Landrat und Bürgermeister mit Bürgern aus Wiesbaum im Gegensatz zu allen kirchlichen Bestimmungen einen neuen Pfarrer. Zu dieser »seltsamen Wahl« waren aber nur drei Wiesbaumer erschienen. Ohne vorheriges Anzeigen beim Oberpräsidenten in Koblenzer ernannte der Trierer Bischof den Matthias Kaes aus Schweich im Oktober 1873 zum Pfarrer in Uess. Das hatte üble Folgen. Bürgermeister Schorn, Kelberg, ließ das Pfarrhaus schließen, verbot dem Pfarrer jedwede Amtshandlungen und den Gemeindemitgliedern von Uess die Unterstützung des »geächteten« Priesters. Niemand hielt sich an diese Befehle, worauf dann der Adenauer Landrat an den Uesser Lehrer schrieb: »Durch Verfügung der Kngl. Regierung von Koblenz . . . weise ich Sie an, den Herrn Pfarrer Kaes zum Religionsunterricht in der Schule nicht zuzulassen . . . Sollte er dennoch Unterricht in der Schule erteilen wollen und Ihres Widerspruchs ungeachtet erteilen, so haben Sie mir davon Anzeige zu machen. Den Religionsunterricht haben Sie selbst zu übernehmen.«

Dann erging die Anzeige, Pfarrer Kaes habe ein Kind aus Sassen getauft. Alle Befragten gaben dem Polizisten eine verneinende Antwort. Erst als sie Tage später in Kelberg unter Eid aussagen mußten, gaben sie zu, daß Kaes das Kind getauft hatte. Der Pfarrer erhielt eine Vorladung zum Zuchtpolizeigericht nach Koblenz. Er ging nicht hin. Darauf teilte man ihm eine Strafe von drei Talern zu. Er zahlte diese Strafe nicht. Deshalb wurde bei ihm gepfändet. Kaes steigerte das Pfandobjekt für 4 1/2 Taler zurück. Im Juni 1874 sollte erneut bei ihm eine Strafe eingepfändet werden. Diesmal fand der Gerichtsvollzieher nichts in des Priesters Wohnung, und er sollte eine Gefängnisstrafe antreten. Dies tat er nicht freiwillig, er wollte nur der Gewalt weichen. Im August erhielt er vom Kelberger Bürgermeister den Ausweisungsbefehl, wonach er sich innerhalb von 24 Stunden aus den Kreisen Daun, Adenau und Cochem zu begeben hatte und ihm für die Zukunft der Aufenthalt in diesen drei Kreisen verboten wurde. Ein Gendarm transportierte Kaes in den Kreis Mayen; er kehrte sofort nach Uess zurück. Zahlreiche Belästigungen und Hausdurchsuchungen mußte er noch über sich ergehen lassen. Am 13. Dezember 1874 wurde er nach der Messe in der Sakristei verhaftet. In Kelberg büßte er drei Wochen Haft zusammen mit sechs anderen Geistlichen ab. Pfarrer Kaes begab sich danach mit bischöflicher Erlaubnis nach Lüttich.

Ein weiteres Beispiel schikanöser Behandlung während des Kulturkampfes liefert uns folgendes Bittgesuch des Gerolsteiner Kaplans Ble-sius, das zudem noch interessante Einblicke in die damalige Orts- und Zeitgeschichte bietet.

Gehorsamstes Gesuch des Kaplans Blesius zu Gerolstein um Benutzung des Schulsaales zur Abhaltung des Beicht- und Kommunionunterrichtes, dem Zutritt zu den öffentlichen Schulprüfungen und Schulfeierlichkeiten in der Pfarrei Gerolstein.

An

den Oberpräsidenten der Rheinprovinz Herrn von Bardeleben

Ritter hoher Orden Excellenz in Coblenz

Euer Excellenz

erlaubt sich der gehorsamst Unterzeichnete Folgendes zur hochgeneigtesten Kenntnißnahme und Entscheidung zu unterbreiten. Durch Schreiben des Königlichen Landrathsamtes zu Daun vom 1. Febr. 1874 wurde mir ohne Angabe eines Grundes »jede fernere Betheiligung am Religionsunterrichte in der Schule« untersagt. Von da an betrat ich keine Schule mehr, außer bei öffentlichen Prüfungen und öffentlichen Schulfeierlichkeiten. Unterm 19. März 1875 wurde mir wieder eine Verfügung desselben Königl. Landrathsamtes zugestellt, durch welche die Königliche Regierung zu Trier auf Grund eines Berichtes des erwähnten Landrathsamtes vom 15. 4. desselben Jahres eine mit »Rücksicht auf den fortgesetzten Mißbrauch der Schuljugend zu politischen Agitationen nunmehr den Zutritt zur Schule gänzlich untersagt.«

Obgleich ich mich dieses in der zweiten Verfügung bezeichneten Vergehens durchaus frei wußte, nur daß ich einmal zweien Kindern nach Schluß des Religionsunterrichtes und zweimal bei anderen Gelegenheiten zweien oder dreien Kindern politische Schriftstücke eingehändigt hatte, jede mit dem jedesmaligen ausdrücklichen Bemerken, selbe zu Hause dem Vater abzugeben; so habe ich mich doch ohne weitere Vorstellungen den angeführten Verordnungen ruhig gefügt und hielt, seit der Zeit solche Handlungen gänzlich unterlassend, von denen ich übrigens nicht geglaubt hatte, daß sie Anstoß erregen könnten, bis jetzt den Beicht- und Kommunionunterricht auch zur Winterzeit in der Pfarrkirche.

Bald jedoch machte ich die traurige Erfahrung, daß während der nassen und kalten Winterzeit sehr viele Kinder sowohl wegen Mangels an gesunder und kräftiger Nahrung als auch wegen mangelhafter Bekleidung dem benannten Unterricht in der Pfarrkirche nicht beiwohnen können, weshalb die sittliche Ausbildung dieser Kinder eine sehr zweifelhafte ist. Es kann demnach der innigste Wunsch seiner Majestät unseres allergnädigsten Kaisers und Königs den Allerhöchst dieselbe an die höchsten Staatsbeamten aussprach mit den Worten: »Suchen Sie dem Volke die Religion zu erhalten!«

und wiederholt mit so väterlich warmen Worten auszusprechen geruhte am 7. Dez. d. J. an die Berliner Deputation des Magistrates mit Stadtverordneten, am 10. Dez. d. J. an die Deputation der Berliner protestantischen Prediger und Gemeindeschullehrer und am 7. Jan. an die Deputation der deutschen Kriegervereine, in unserer an 2200 Seelen zählenden Pfarrei gegenwärtig nicht erfüllt werden.

Deshalb ersuchte ich am 10. Nov. 1876 und am 21. Nov. d. J. den Gemeinderath von Gerolstein, mir während des Winters den Knabenschulsaal außerhalb der Schulzeit zur Abhaltung des Beicht- und Kommunionunterrichtes zu überlassen, das Königliche Landrathsamt zu Daun war jedesmal gegen die Gewährung meiner Bitte.

Nun bat ich am 5. Dez. l. J. die Königliche Regierung zu Trier, mir die Benutzung des Knabenschulsaales zu Gerolstein außerhalb der Schulzeit behufs Ertheilung des mehr benannten Unterrichtes und die passive Anwoh-nung bei öffentlichen Schulfeierlichkeiten wieder gestatten zu wollen. Auf diese Bitte wurde mir am 25./31. Jan. d. J. durch das König l. Landrathsamt zu Daun folgender Bescheid: »Im Namen und Auftrage Königl. Regierung eröffne ich Er. Hochehrwürden, daß Ihre der Staatsregierung gegenüber bewiesene Haltung genannte Behörde nicht veranlassen kann, Ihrem Antrage auf Überlassung des dortigen Schullocales zur Abhaltung des Beicht-und Erstkommunikanten Unterrichtes und auf Zulassung zu den öffentlichen Schulprüfungen und Schulfeierlichkeiten zu entsprechen.

Der Königl. Landrath gez. Rintelen

Wie meine der Staatsregierung gegenüber bewiesene Haltung ein Grund sein soll, mir die Benutzung des hiesigen Schullocales zur Abhaltung des benannten Unterrichtes nicht zu gestatten, ist mir nicht klar, da ich mit den Staatsgesetzen noch niemals in Conflikt gekommen bin, und ich mir das Zeugniß geben kann, noch immer so viel in meinen Kräften stand, für die Interessen meines Vaterlandes und die Förderung der Anhänglichkeit an Seine Majestät und das Kaiserliche Königliche Haus eingetreten zu sein.

Obiger Bescheid nöthigt mich leider, Er. Excellenz mehrere Thatsachen zum Beweise meiner patriotischen Gesinnung zur hochgeneigtesten Beurtheilung zu unterbreiten.

Zu der bei Beginn des deutsch-französischen Krieges gemachten Anleihe zeichnete ich in einer Eingabe an das Königl. Landrathsamt zu Daun 100 Thaler, und diese hundert Thaler machten mein ganzes disponibeles Vermögen aus.

Während des Krieges sammelte ich Gelder und hielt einen besonderen Gottesdienst für unsere Soldaten im Felde.

Als Metz capitulierte, war die Eifelbahn von Cöln her nur bis Gerolstein fertig gestellt, die Hälfte der gefangenen Besatzung kam auf verschiedenen Straßen von Trier her zu Fuß in täglichen Abtheilungen von 8 000 Mann nebst 1 600 Mann Begleitung hier an, um zur Bahn weiter befördert zu werden. Dazu waren hier noch 500 Mann stationiert, um den Nachtsdienst zu besorgen. Also an einem Orte von nicht 1 000 Einwohnern täglich 10 000 Mann.Und in welchem Zustand kam ein großer Theil der Gefangenen hier an! Die beiden hiesigen Schullocale und die Pfarrkirche lagen dicht angefüllt von Ruhrkranken, die Beschwernisse, in solchen Localen zu verkehren, kennt nur der, welcher sie mitgemacht hat. Es starben hier nicht wenige Franzosen und nach längerem Leiden auch ein preußischer Soldat. Diesen Beschwerden der Seelsorge habe ich mich aus Liebe zu meinem Vaterlande, selbst zum Nachteile meiner Gesundheit, unverdrossen unterzogen.

Sonntag, den 24. März d. J. hielt ich zwei Predigten über die Art und Weise, wie man Seine Majestät ehren müsse, und die Verpflichtung für das Wohl Allerhöchst derselben zu beten.

Seit Jahren bete ich nach jedem Unterrichte in der Kirche mit den Kindern für das Wohl des Vaterlandes.

An der Wilhelms-Spende habe ich mich meinen Vermögensverhältnissen gemäß beteiligt. Bis zum 15. Mai 1875 wohnte ich mit Freuden den Schulprüfungen und vaterländischen Schulfeierlichkeiten bei.

Als mir in den politisch so sehr bewegten Jahren das Betreten der Schule untersagt wurde, waren in der ganzen Civilgemeinde vielleicht 14 - 15 Personen über diese Maßregelung erfreut, heute sind es sicher keine 5 mehr. Es ist vielmehr der innigste Wunsch der an 2 200 Seelen zählenden Pfarrgemeinde, daß mir doch wenigstens die Benutzung des hiesigen Knabenschulsaales behufs eines geregelten Beicht- und Kommunionunterrichtes überlassen werde, ansonst die Kinder, zumal die von den weit entfernten Filialen kommen, unmöglich eine solide sittlich religiöse Ausbildung erhalten können, wie bereits die traurige Erfahrung zeigte.

Da die Kälte hier in der Eitel anhaltend heftig ist und die Osterzeit immer näher rückt, in der die Kinder durch gründlichen Unterricht auf den würdigen Empfang der hl. Sakramente der Buße und des Altars vorbereitet sein sollen, so bitte ich Euer Excellenz gehorsamst, im leibl. und geistigen Interesse unseres Vaterlandes hochgeneigtens entscheiden zu wollen, daß mir wenigstens der Knabenschulsaal zu Gerol-stein außerhalb der Schulzeit zur Abhaltung des Beicht- und Kommunionunterrichtes zur Verfügung gestellt werde, da der Herr Dechant und Localschulinspektor Hieronymus hier bei seinem hohen Alter von nahe 71 J. unmöglich den mehr benannten Unterricht auch noch zu seinen Religionsstunden übernehmen kann und auch ein anderes zu diesem Zweck geeignetes Lokal nicht zu haben ist. Auch bitte ich Er. Excellenz gehorsamst, mir wieder den Zutritt zu den öffentlichen Schulprüfungen und Schulfeierlichkeiten in hiesiger Pfarrei hochgeneigtest gestatten zu wollen.

Euer Excellenz

gehorsamster Diener

Fr. X. Blesius, Kaplan

Wie das flehendliche Gesuch des Kaplans Blesius behördlicherseits beantwortet wurde, ist unbekannt. Es ist aber zu vermuten, daß man vielleicht zu einem Kompromiß bereit war, der so ausgesehen haben könnte: Kaplan Blesius darf den Knabenschulsaal zur Abhaltung des Beicht- und Kommunionunterrichtes außerhalb der Schulzeit nutzen, wird aber von der Teilnahme an öffentlichen Schulfeierlichkeiten bis auf weiteres ausgeschlossen.

Zur Person des Priesters Franz Xaver Blesius 7. 1. 1841 geb. in Mehring; 29. 8. 1868 Weihe in Trier; 31. 8.1868 Kaplan in Gerolstein; 17. 3. 1884 Hilfsgeistlicher in Monzel; 28. 6. 1888 Pfarrer in Monzel; 16. 3. 1893 gest. in Monzel.

Quellen:

StArchKo 403/10589

Schug: Geschichte der Dekanate Adenau, Daun . . ., Trier 1956

Rothenberger, in: Trierische Landeskunde, Trier 1979,

Festschrift Uess, 1925

Weber, Kulturkampf in Niederbeltingen, in: HKD 196