Das Zusammenlegungsverfahren in der Gemarkung Kelberg
Vor 100 Jahren durchgeführt
Drs. Peter Burggraaff, Kelberg-Zermüllen
Einleitung
Bei einem Besuch der Außenstelle des Landeshauptarchivs Koblenz im Schloß Gondorf (Gemeinde Kobern-Gondorf) habe ich in den Urkatasterbeständen der Ortsgemeinde Kelberg zwei Flurübersichtskarten des »Gemeindebezirks Kelberg« gefunden.1 Diese Karten sind im »Geodätisch-Technischen Bureau der königlichen Generalkommission zu Düsseldorf« im Dezember 1887 durch den Landmesser Gröhlich hergestellt worden.
Es handelt sich hierbei nicht um Urkatasterpläne im herkömmlichen Sinne, sondern um Flurübersichtskarten, in denen die gesamte Gemarkung der damaligen Ortsgemeinde Kelberg mit der Parzelleneinteilung vor bzw. nach der Flurbereinigung von 1885 dargestellt ist. Allerdings hat man die Flächen, die nicht in die Zusammenlegung aufgenommen waren, ausgelassen. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Holzungen im westlichen Teil der Gemarkung. Der von der Zusammenlegung ausgenommene Ortskern ist dagegen abgebildet.
Auf beiden Karten ist kein Maßstab angegeben, aber er beträgt 1 : 5 000. Für diese Karten sind keine besonderen Kartierungsarbeiten durchgeführt worden. Man hat sie mit Hilfe der Urkatasterpläne bzw. der »Reinkarte« der Zusammenlegung zusammengestellt. Die verschiedene Bodennutzung ist farblich gekennzeichnet: z. B. Ackerland (gelb), Wiesen (grün), Gewässer (blau), Bebauung (rot) usw. Die beiden Karten sind genordet.
Es handelt sich hier um gedruckte Karten, von denen mit großer Wahrscheinlichkeit noch mehrere Exemplare vorhanden sein müssen, weil sie eine Informationsfunktion hatten.
Karte 1 (Abb. 1)
Der vollständige Titel dieser Karte lautet: »Übersichtskarte des Gemeindebezirkes Kelberg, Kreis Adenau, Regierungsbezirk Koblenz im Zustande vor der Grundstückszusammenlegung. Gezeichnet im geodätisch-technischen Bureau der königlichen Generalkommission zu Düsseldorf im Dezember 1887 durch Gröhllich«.
Karte 2 (Abb. 2)
Der Titel der zweiten Karte lautet: »Übersichtskarte des Gemeindebezirkes Kelberg, Kreis Adenau, Regierungsbezirk Koblenz nach der im Jahre 1887 ausgeführten Grundstückszusammenlegung. Neueingetheilt durch den Landmesser Andre. Gezeichnet im geodätischtechnischen Bureau der königlichen Generalkommission zu Düsseldorf im Dezember 1887 durch Gröhlich«.
Letztere Karte enthält eine Erläuterung, in der die wichtigsten Informationen über diese Grundstückszusammenlegung und durchgeführte Maßnahmen beschrieben sind. Da diese Erläuterung interessante Daten enthält, möchte ich sie in gleichem Wortlaut übernehmen.
»Der Gemeindebezirk Kelberg enthält 685 ha mit 911 Thaler Grundsteuer Reinertrag. Von der Umlegung sind nur die im Westen vorliegenden Holzungen und die Ortslage ausgeschlossen worden. Zur Zusammenlegung sind gekommen 421 ha bei 580 Thaler Grundsteuer Reinertrag und 2838 Katasterparzellen. Betheiligt sind 147 Interessenten (darunter die Gemeinde und vier geistliche Institute), wovon 135 in Kelberg selbst, die anderen in den nächstgelegenen Orten wohnen. Die Anzahl der in Kelberg selbst betheiligten Haushaltungen beträgt 64, von denen 18 ausschließlich, 31 vorwiegend, die übrigen nur nebensächlich auf den Ertrag aus der Landwirtschaft angewiesen sind.
Die Anzahl der neuen Abfindungsstücke beträgt 806, davon sind 84 zur Vergrößerung bereits bestehender Parzellen gegeben, so daß nur 722 als neue Parzellen erscheinen; die Zahl der letzteren hat sich daher von je 100 auf 25 vermindert. An Wegen und Grabenflächen waren vor der Zusammenlegung vorhanden 17 2/10 ha, nach derselben 31 7/10 ha, so daß 3 4/10 Prozent von der Gesamtfläche neu dazu aufzubringen waren. Es sind dabei als Gemeindeanlagen mit ausgewiesen worden: zwei Bleichen, ein Zimmer und ein Holzlagerplatz. Entwässert wurden 33 ha sumpfige, durch Bewässerung verbessert 18 ha trockene Wiesen; 18 ha Ackerland wurden aus dem Eifel-Notstandsfond drainirt.
Das Zusammenlegungsobjekt liegt im Mittel circa 450 m über dem Meere. Das Klima ist rauh. Grundformation ist die devonische, vorherrschendes Gestein die Grauwacke, welche an wenigen Stellen durch Basalt oder Trachiit durchbrochen erscheint. Der Ackerboden besteht meist aus ärmerem, etwas zähem Lehm mit mehr oder weniger tief stehendem Thon als Hintergrund.
Die Bodengüte wechselt sehr stark.
Die Zusammenlegungsarbeiten haben Ende Mai 1886 begonnen, Ende August 1887 wurde der neue Plan den Interessenten vorgelegt, von ihnen sofort angenommen und ausgeführt«.
Interpretation
Mit diesen beiden Karten wird eine sehr gute Vergleichsmöglichkeit über die Situation vor bzw. nach der Zusammenlegung geboten. Dies war meiner Meinung nach auch das Ziel dieser Karten, um die beteiligten Interessenten (Gemeinde, Kirche und Landwirte) von der Notwendigkeit einer Zusammenlegung zu überzeugen. Hierzu sind im Erläuterungstext der zweiten Karte alle wesentlichen Informationen über die Zusammenlegung an sich und über die geologischen, bodenkundlichen und klimatischen Verhältnisse aufgenommen worden.
Die Situation vor der Zusammenlegung war durch eine sehr große Anzahl Parzellen 2 828 Parzellen verteilt über 421 ha - gekennzeichnet. Die durchschnittliche Größe betrug 14,83 ar. Wenn man die großen Parzellen nicht berücksichtigen würde, wäre sie noch geringer. Die zersplitterte Parzellierung war die Folge des vorherrschenden Realteilungserbrechts.2 Das Flurwegenetz war so ausgebaut, daß nur die Gewanne mit Feldwegen erschlossen waren. Die Mehrzahl der Parzellen war also nicht über die Wege zu erreichen, sondern mit Servitutspflichten belastet, d. h. sie waren nur über die Parzellen von anderen zu erreichen. Daher war Flurzwang erforderlich. Dies bedeutete, daß man innerhalb eines Gewanns die gleiche Fruchtfolge und die gleichen Sä- und Erntezeiten einhalten mußte.
In der Erläuterung lesen wir, daß die Fläche an Wegen sich fast verdoppelt hat. Nunmehr waren die neuen Parzellen über Wege zu erreichen. Dies war eines der Hauptziele der Zusammenlegung. Daneben wurden die Parzellen aufgestockt. Die Zahl der neuen Parzellen betrug nunmehr 722. Die durchschnittliche Größe der Parzellen stieg auf 58,31 ar an, so daß diese nach den damaligen technischen Möglichkeiten besser bewirtschaftet werden konnten.
Im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens wurden Maßnahmen getroffen, um die Bodenstruktur zu verbessern. Hierzu wurden 33 ha Wiesen entwässert bzw. 18 ha bewässert. Weiterhin wurde mit Geldmitteln des Eifel-Notstandsfonds 18 ha Ackerland drainiert. Der Eifel-Notstandsfond wurde 1883 als ein langfristig angelegtes Hilfsprogramm der preußischen Regierung nach den Mißernten in den Jahren 1876,1878,1880 u. 1882 eingerichtet.3
Schluß
Mit dieser Zusammenlegung wurde das damalige landschaftliche Bild verändert. Vor der Zusammenlegung waren die kleinen Parzellen durch die gleiche Fruchtfolge als Folge des Flurzwangs optisch kaum zu erkennen. Hierdurch hatte die Flur eine großräumige Struktur. Nach der Zusammenlegung veränderte sich das Bild völlig. Durch die individuelle Fruchtfolge ist die Parzellierung deutlicher zu erkennen, die Flur bekam eine kleinräumigere Struktur. Mit der Zusammenlegung in Kelberg vor etwa 100 Jahren und die damit verbundenen Strukturverbesserungsmaßnahmen wurde ein Anfang gemacht, die landwirtschaftlichen Bedingungen trotz der schlechten natürlichen Gegebenheiten (Klima, Böden usw.) und die Existenz ihrer Bewohner zu verbessern. Die Abhängigkeit der Landwirte voneinander wurde mit dem Verschwinden des Flurzwangs weitgehend gelockert. Hiermit begann ein lang andauernder Individualisierungsprozeß, der auch in der Osteifel trotz aller Probleme für die Landwirtschaft eine positive Auswirkung hatte.
Jetzt stehen wir an der Schwelle einer Zeit, in der die Landwirtschaft einen anderen Stellenwert hat und in der von Flächenstillegung die Rede ist. Dies könnte bedeuten, daß dann zuerst die schlechteren Anbauflächen in der Osteifel stillgelegt werden. Für die Entwicklung des ländlichen Raumes hat dies Konsequenzen, und es müssen daher andere Konzepte entwikkelt werden.
Anmerkungen:
1) Landeshauptarchiv Koblenz: Best. 730, Nr. 54, Bl. 27 und 28.
2) Burggraaff, P.: Realteilung in der Osteifel. Die Entwicklung in der Zermüllener Gemarkung seit 1890. In: Kreis Daun, Heimatjahrbuch 1988, S. 100 ff.
3) Siehe Brinkmann, Th.: Aus dem Wirtschaftsleben der Eifelbauern. In: Herrmann, A. (Hrsg): Eifelfestschrift zur 25jährigen Feier des Eifelvereins. Bonn 1913, S. 383 ff.