Berndorf im Jahre 1654
Alte Steuerlisten und das Leben unserer Vorfahren, II. Teil
Hans-Gregor Adrian, Berndorf
Die Steuerlisten des Jahres 1624 haben uns einen ersten Einblick in Leben und Handeln der Berndorfer Bevölkerung zu Beginn des 17. Jahrhunderts vermittelt. Im Laufe des 17. und 18. Jh. hat es noch 6 weitere Steuereinschätzungen gegeben und für Berndorf liegen aus den Jahren 1651 und 1654 zwei weitere Steuerlisten vor.
Ein Vergleich mit der Steuerliste von 1624 soll nun der Frage nachgehen, inwieweit sich politische und wirtschaftliche Ereignisse in den Steuerlisten niederschlagen und welche Entwicklung der Ort Berndorf in dieser Zeit genommen hat.
Der Anfang des 17. Jh. ist entscheidend geprägt durch den 30jährigen Krieg von 1618-1648, der auch in der Eitel zu Armut, Elend und großen Verlusten unter der Zivilbevölkerung führte. Zu den Kriegswirren kamen noch 2 Pestepedemien, von denen besonders die des Jahres 1637 furchtbar in der Eifel wütete. In manchen Orten fielen 3/4 der Bevölkerung dem schwarzen Tod zum Opfer und manchmal mögen wohl die Lebenden nicht ausgereicht haben, die Toten zu beerdigen. Im ganzen Kurtrierischen Amt Hillesheim sank die Zahl der Haushalte von 109 (1624) auf 31 (1651)!1
Die Steuerliste von 1651
Für das Jahr 1651 liegen nur für einige Ämter des Kurstaates Steuerlisten vor, u. a. für Daun, Ulmen, Wittlich und Hillesheim. In den Eintragungen für Berndorf stellen wir fest, daß nur noch ganze 5 (!) Haushalte aufgeführt werden. Hält man sich vor Augen, daß in Berndorf 1624 bereits 24 Haushalte steuerpflichtig waren, was einer Bevölkerungszahl von etwa 120 - 130 Personen entspricht, dann kann man ermessen, welche Opfer Krieg und Pest unter der Bevölkerung gefordert hatten. Von den etwa 120 - 130 Personen des Jahres 1624 leben 1651 noch etwa 25!
Schauen wir uns nun die Steuerliste im einzelnen an:
Die Steuerliste von 1651
1 ) Hoff, Faß |
Haus |
20 |
1 Pferd |
Ackerland, 4 Morgen |
48 |
Heu, 1 Fuder2' |
25 |
|
Garten |
10 |
|
Nahrung |
50 |
|
2) Welpen, Hans |
Haus |
16 |
- 0 - |
Ackerland, 1 Morgen, |
12 |
Heu, 1/2 Fuder |
12 |
|
Garten |
10 |
|
Nahrung, senex (=alt) |
30 |
|
3) Rinken, Claß |
Haus |
30 |
1 Pferd |
Ackerland, |
|
2 1/2 Morgen |
30 |
|
Heu, 2 Fuder |
50 |
|
Garten |
20 |
|
Nahrung, |
||
plurimumdebit |
50 |
|
4) Johan (?) |
Colonius, nihil in propre |
is |
Kerp. Hofmann |
(Übersetzung: |
|
Pächter, nichts |
||
2 Pferde, |
in eigenem Besitz) |
|
1 Kuh |
Nahrung |
200 |
5) Peter Schmilz |
Haus, verbrannt |
|
Schultheiß |
Ackerland, |
|
4 1/3 Morgen |
54 |
|
1 Pferd |
Heu, 1 1/2 Fuder |
37 |
Garten |
15 |
|
Nahrung, quiadebit |
50 |
Neben der erschreckend geringen Anzahl der verbliebenen Steuerzahler können weitere Unterschiede und Veränderungen gegenüber 1624 festgestellt werden:
Wurden 1624 noch 58 Pferde im Dorf gezählt, so sind es 1651 nur noch 5! Neben der drastischen Abnahme des Pferdebestandes ist auffällig, daß auch der einzelne Bauer höchstens noch 2 Pferde besitzt (1624 waren es noch bis zu 6 Stück).
Ob dieser Verlust fast des gesamten Pferdebestandes auf Requirierungsmaßnahmen durchziehender Kriegsheere zurückzuführen ist, mag wahrscheinlich sein, ist aber nicht belegt. Weiterhin ist zu beobachten, daß fast alle Besitzstände steuerlich deutlich niedriger taxiert werden als 1624. So wird z. B. der Wert eines Hauses im Durchschnitt noch mit 25 Gulden veranschlagt (gegenüber 80 1624), das Ackerland mit 40 Gulden (gegenüber 70 1624) und der Wert an Wiesen bzw. Heu nur noch mit durchschnittlich 30 Gulden (gegenüber 55 Gulden 1624), einschließlich die Gärten mit 15 Gulden, die eine geringfügige Aufwertung erfahren haben (12, 1624). Pächter, die der Kirche zu Hillesheim zu Pachtzahlungen verpflichtet sind, kommen in dieser Steuerliste nicht vor. Allerdings wird der Kerpische Hofmann Johann erwähnt, der den Kerpischen Hof (vg. heute Hoof, Hoff!) gepachtet hat!.
Der Schultheiß ist jetzt ein gewisser Peter Schmitz, dessen Haus steuerlich nicht erfaßt wurde, weil es abgebrannt war.
Die Steuerliste von 1654
Sehen wir uns jetzt die nächstfolgende Steuerliste aus dem Jahre 1654 an. Immerhin sind schon wieder 7 Feuerstellen (= Haushalte) steuerlich erfaßt. Neben den 1651 Steuerpflichtigen treten neu auf:
Goedert Schmid (?) |
Haus |
0 |
Garten |
7 |
|
Ackerland |
||
3 Morgen |
60 |
|
Wiesen 1/4 Wagen |
5 |
|
Nahrung |
100 |
|
Rauch 4alb. |
100 |
|
Theiß, Johann |
Nihil properii |
|
(Bubuleus?) |
(=Nichts im Besitz) |
|
(=Ochsenknecht?) |
Nahrung |
100 |
Rauch 4 alb | ||
Zimmer, Johannes |
||
(? Bettler?) |
Ein Vergleich mit der Steuerhste von 1651 laßt auf eine leichte Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Situation schließen. Immerhin gibt es schon wieder 7 Haushalte in Berndorf, Größe und Ertrag des Ackerlandes und der Wiesen haben bedeutend zugenommen, für die Feldarbeit stehen wieder 8 Pferde zur Verfügung und auch die Einkommen sind gestiegen. Allerdings zählen die 3 neu hinzugekommenen Bürger nicht zu den Begüterten. Johannes Theiß verdient sein Geld als Ochsenknecht, während Goedert Schmid (?) eventuell (die Stelle ist sehr schlecht lesbar) als Geflügelmäster (?) arbeitet. Keiner besitzt ein eigenes Haus und nur Goedert Schmid hat Äcker und Wiesen. Eine Neuerung in dieser Steuerliste ist die Einführung des Rauchgeldes, also einer Abgabe pro Rauch (= pro Haushalt), unabhängig vom Wert des Hauses oder des dazugehörigen Grundbesitzes. Dieses Rauchgeld war 1624 und auch 1651 noch nicht erhoben worden, es betrug im Jahre 1654 genau 4 Albus3. Bis auf den Bettler Johannes Zimmer müssen alle dieses Rauchgeld bezahlen, unabhängig davon, wie vermögend oder unvermögend sie sind oder wie hoch ihr Haus steuerlich veranschlagt wird.
Insgesamt werden in Berndorf für das Jahr 1654 Besitz und Einkünfte im Wert von 2119 Gulden versteuert, die zu zahlenden Steuern belaufen sich auf 6 Gulden und 11 Albus. Im Jahre 1624 betrug das Steueraufkommen noch etwa 20 Gulden, es ist jetzt also auf etwa 30 % des Wertes von 1624 zurückgegangen. In diesem Zusammenhang wird verständlich, daß der Kurfürst von Trier zur Deckung seines Finanzbedarfes neue Steuern einführte.
So fordert der Kurfürst Karl Kasper von der Leyen 1652 die Einführung einer Steuermatrikel, in der jeder Steuerzahler mit einer festen Summe, dem simplum, verzeichnet ist. Diese Matrikel wird 1654 zum ersten Mal aufgestellt und dürfte in der Steuerschätzung dieses Jahres zum ersten Mal Anwendung gefunden haben.4.
Die Folgen von Pest und Krieg.
Ein Vergleich der Steuerlisten des Kurtrierischen Amtes Hillesheim für die Jahre 1624 und 1651/54 zeigt für den Ort Berndorf eine katastrophale Entwicklung auf, für die offensichtlichdie Pestepedemie von 1637 und der 30jährige Krieg verantwortlich sind.
Konnte noch um 1620 für den größeren Teil der Bevölkerung eine bescheidene, aber gesicherte Existenz angenommen werden, so bietet sich 1651/54 ein völlig anderes Bild. Die Bevölkerung Berndorfs ist durch Krieg und Pest drastisch reduziert worden, von etwa 120 Menschen im Jahre 1624 leben 1651 nur noch etwa 25!
Die Überlebenden fristen ihr Dasein offensichtlich am Randes des Existenzminimums. Es gibt kaum Pferde für die Feldbestellung, die daniederliegende Landwirtschaft zeigt sich wohl nirgends deutlicher als im Rückgang des Pferdebestandes von 58 auf 5(1651) bzw. 8 (1654), eine Familie muß sich von 1-2 Morgen Ackerland ernähren, die Einkommen liegen weit unter denen von 1624.
Die einzelnen Besitzstände wie Haus, Ackerland, Wiesen, Gärten haben z. T. erheblich an Wert verloren und werden geringer besteuert, weil ihre Bearbeitung und Instandhaltung nicht mehr möglich, weil die Steuerlast einfach nicht mehr aufzubringen war.
So werden Pfandschaften (womit gewinnbringend angelegtes Kapital gemeint war) nicht mehr erwähnt und steuerlich erfaßt, wohl deshalb, weil das Kapitalvermögen durch Krieg und Pest aufgebraucht oder verlorengegangen war.
Allerdings zeigt ein Vergleich der Jahre 1651 und 1654 schon eine leichte Aufwärtsentwicklung hinsichtlich Bevölkerungszahl, Größe des Ackerlandes und verfügbarem Einkommen. Auch der Wert des zu versteuernden Vermögens steigt von 769 Gulden (1651) auf 2 119 im Jahre 1654, was eine Verdreifachung bedeutet, wenn man eine mögliche Inflation unberücksichtigt läßt.
Ob diese leichte Aufwärtsentwicklung Berndorfs in den nächsten Jahren anhält, oder neue Kriege, Krankheiten und Unwetter die Entwicklung behindern, soll im III. Teil abschließend mit einem Blick auf die Steuerliste des Jahres 1702 untersucht werden.
Steuerliste (Stadtarchiv Trier): Berendorff mit Ampt Hilleßheim 3. July 1654
Anmerkungen:
1) vgl. Meyer, a.a.O. S. 58
2' Heu, (Fuder oder Fuhre?) wurde in der Steuerliste von 1624 in »Wiesen« bzw. »Wagen« angegeben
3* Da für das Jahr 1654 keine Angaben zur Kaufkraft vorliegen, muß ein Vergleich mit der Kaufkraft von 1624 genügen. Damals entsprachen 6 Gulden etwa 2 Wagenladungen Heu bzw. etwa 100 Hühnern!
4) vgl. Becker, a.a.O. S. 128
Literaturverzeichnis
1. Stadtarchiv Trier, Steuerlisten Amt Hillesheim
2. Bader, K. S.: Das mittelalterliche Dorf als Friedens- und Rechtsbereich Graz-Wien-Köln 1967
3. Becker, Kurt: Von Steuern und Kataster. In: Mitteilungen zur trierischen Landesgeschichte und Volkskunde 3, 1958, Heft 3, S. 125-130.
4. Janssen, Franz Roman: Kurtrier in seinen Ämtern (= Rheinisches Archiv Bd. 117) Bonn 1985, S. 345-393
5. Schug, Peter: Geschichte der zum ehemaligen Kölnischen Eifelde-kanat gehörenden Pfarreien der Dekanate Adenau, Daun, Gerol-stein, Hillesheim und Kelberg. (= Geschichte der Pfarreien der Diözese Trier, Bd. V.) Trier 1956
6. Wagner, H.r Die Flurnamen der Gemeinde Berndorf. Hillesheim 1980.
7. Weis, Heinrich: Die ordentlichen direkten Staatssteuern von Kurtrier im Mittelalter. Diss. Münster 1893
8. Zimmer, Theresia: Die Kellereien in Kurtrier In: Landeskundliche Vierteljahresblätter 15, 1969, S, 152-155
9. Meyer, Georg Jakob: Die Steuerlisten des Erzstifts Trier als Hilfsquelle für die moselländische Familienforschung In: Mitteilungen zur trierischen Landesgeschichte und Volkskunde, 3, 1958, Heft 2, S. 55-58