Kunstunterricht Geschwister-Scholl-Gymnasium

Frühere Zeiten - heutige Themen

Nele Bednarczyk, Daun

 

Das sind Inhalte des heutigen Unterrichtes in Bildener Kunst. Manche Leser, vor allem die älteren Semester, werden andere Erinnerungen haben. Die folgenden Kapitel mögen einige Aspekte zur Entwicklung dieses Faches verdeutlichen.

In den ersten drei Vierteln des 19. Jahrhunderts unterschied man nicht zwischen dem Zeichenunterricht an den allgemeinbildenden Schulen und dem technischen Fachzeichnen, wie wir es heute als Bestandteil der Ausbildung an Berufsbildenden Schulen kennen. Man lernte damals, formal dem handwerklichen Aspekt des Zeichnens den Vorrang gebend, zum Beispiel "Geometrisches Elementarzeichnen", "Kopieren nach Drucken, Gipsabgüssen des menschlichen Körpers und ausgestopften Tieren", "Zeichnen nach Diktat" oder "Landschaftszeichnen nach der Natur". Wilhelm Rein (1847-1929), damals ein bedeutender Pädagoge, schrieb 1879: "buntfarbig wie unsere Landkarte sieht auch die Karte des Zeichenunterrichtes von Deutschland aus" und "langsam wird die Pflege des Schönheitssinnes in unserem Volke Platz greifen und der Sinn für Geschmack wachsen können, da rauhere Verhältnisse und eine rauhere Natur die Verbreitung des Schönen hindern. Der Zeichenunterricht, mit rechtem Ernst und Eifer betrieben, soll ein tüchtiges Stück dazu wirken, daß der Vorwurf der Barbarei auf dem Gebiete des Geschmackes von uns genommen werde, er soll dazu helfen, daß im Volke der Sinn für geschmackvolle Form, für Reinlichkeit und Ordnung geweckt und genährt werde"1.

Produktdesign in der Orientierungsstufe. Entwicklung einer Gefäß-Schmuckform aus einer, zuvor in keramischer Aufbautechnik erstellten, einfachen Zweckform. Von Kerstin Diedrich (Klasse 6a), Geschwister-Scholl-Gymnasium Daun, Schuljahr 1988/89.

Aufgabenstellung und Technik wie Abbildung 1. Die formale Lösung der Aufgabe erfolgte hier nicht durch Addition des Materials, sondern durch Einritzen und Eindrücken von Werkzeugen. Inhaltlich wird auch nicht vergegenständlicht, sondern Wert auf abstrakte Ornamentik gelegt. Gefäß links von Frank Willems, rechts von Kurt Jansson (beide Klasse 6a) Geschwister-Scholl-Gymnasium Daun, Schuljahr 1988/89.

Ab etwa 1887 begann die Kunsterzieherbewegung den alten Zeichenunterricht abzulösen. Ideell-seelische Ziele (Erwekkung sinnlicher Freude an den Ausdrucksmitteln Linie, Form, Farbe und Bewegung) und rationell-geistige Ziele (objektive Beobachtung) bildeten zusammen mit technischem Zeichnen und dem Werkunterricht eine Einheit. In manchen Texten des beginnenden Jahrhunderts zeichnet sich allerdings bereits subtil die nationalsozialistische Ideologie ab, so Gustav Kolb 1926: "Durch das Einströmen der in der Kunst waltenden schöpferischen Kräfte in die Jugendbildung hoffen wir dem Seelentod zu entgehen, den das Übermaß von intellektueller Bildung schließlich für uns alle bedeutet."2Die NS-Kunstpädagogik setzte diese Linie fort: "Volkskunst als Gemeinschaftsgut", oder "so ist der tiefere Sinn einer Pflege der Jugendkunst, daß sie die Jugend als Träger werdenden Volkstums zur Bewährung führt durch die Schule eines Schaffens-, d. h. Gehorchenlernens nach den Gesetzen der eigenen geistigen Natur"3. Spätestens in dieser Zeit wurde der Kunstunterricht für politische Zwecke mißbraucht, so wie man auch die freie Kunstausübung zugunsten ideologischer Kunstausrichtung einschränkte (diese wird heute "nationalsozialistischer Realismus" genannt).

An einem Kunst- oder Zeichenunterricht in alter Form können sich sicher noch Leser erinnern. Abgesehen von den manchmal etwas rüden Methoden der damaligen Zeit gibt es heute gravierende Unterschiede, die auf lebhafte, formal und inhaltlich geführte Diskussionen zurückzuführen sind. Diese weitere Entwicklung ist ein allzu umfangreiches Feld und soll hier nur kurz umrissen werden, da die Abbildungen aus dem heutigen Kunstunterricht für sich sprechen (leider ist es aus rechtlichen Gründen nicht möglich, Abbildungen aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts abzudrukken).

Das gleiche Schwerpunktthema in der Oberstufe: Produktdesign. Herstellen eines Sitzmöbels für den eigenen Gebrauch. Besondere Betonung der symbolischen Funktion durch das bewußte Verwenden unterschiedlicher, wegen des Kontrastes provozierender Materialien. Massivholz, verbunden durch Holzdübel, grobe Winkel und Beschläge nur aufgesetzt, Gewindestäbe, Drahtgeflecht (noch nicht befestigt). Maßstab 1:1. Von Sascha Frings (MSS 12bk,), Geschwister-Scholl-Gymnasium Daun, Schuljahr 1988/89.

Aufgabenstellung wie Abbildung 3. Modell eines Schaukelstuhles im Maßstab 1:4.

Betonung der ästhetischen Funktion durch Verwendung wirkungsvoller, farblich harmonierender Materialien. Plexiglas (im Ofen erhitzt und über einer Form gebogen), Kupferrohr gelötet, Holzperlen und grauer Stoffrest. Von Anja Schulz (MSS 12bk, Geschwister-Scholl-Gymnasium Daun, Schuljahr 88/89.

In der Zeit von 1945 bis heute gab es mehrere Richtungsänderungen. Es seien als Beispiele "Musische Erziehung", "Kunsterziehung", "Kunstunterricht", "Ästhetische Erziehung" und "Visuelle Kommunikation" genannt. Zum einen favorisiert man das Erlernen von Techniken und künstlerischen Gestaltungsprinzipien, zum ändern läßt man der reinen Kreativität ungebremsten Lauf, fordert die Ausweitung der fachlichen Inhalte auf moderne Kommunikationsinstrumentarien (Werbung; Video;), auf interdisziplänre, das heißt fachübergreifende Themen (Spiel/Bühne; Wahrnehmung) und neue schöpferische Bereiche (Design). Die Auseinandersetzung der verschiedenen Konzepte prägt noch immer die Gestaltung des heutigen Lehrplans. Diese Gegensätzlichkeit verhindert sowohl ein allzu starres Gerüst, als auch ein zu weitgefächertes Curriculum. Möge die Diskussion anhalten.

Die Fotos zeigen Arbeiten zu den Bereichen Design/Produktgestaltung und Wahrnehmung. Design als ästhetischer/ praktischer/symbolischer Aspekt der uns umgebenden, vom Menschen gestalteten Umwelt, hat sich zu einem wichtigen Gebiet innerhalb des Aufgabenfeldes eines Kunsterziehers entwickelt. Ob Elektrogerät, Kleidung, Auto oder, wie hier, Gefäß und Möbelstück, alles sind Gegenstände unseres täglichen Lebens. Ihre Betrachtung und Analyse sind, in Zusammenhang mit der Geschichte des Design, Voraussetzung für die Herstellung eigener Produkte und die Beurteilung optisch-haptischer Eindrücke von Gebrauchsgegenständen. Ein auf den ersten Blick nicht besonders künstlerisch erscheinender Bereich, ist das weite Gebiet der menschlichen Wahrnehmung. Aber ganz besonders die Untersuchung des Augensinnes, der über 90 % der Informationen an das Gehirn liefert und deren Weiterverarbeitung können wichtige Aufschlüsse in der kunsthistorischen Analyse liefern. Die optischen Täuschungen und deren Erklärungen haben sowohl für den Kunst- als auch den Biologieunterricht Relevanz. Die an die Außenwand des Geschwister-Scholl-Gymnasiums gemalten Beispiele beleben zusätzlich durch ihre leuchtende Farbigkeit den Schulalltag.

Quellen:

1 Diethard Kerbs: Historische Kunstpädagogik, Quellenlage, Forschungsstand, Dokumentation, DuMont Buchverlag, Berlin 1976, S. 56

2 Gunter Otto: Didaktik der Ästhetischen Erziehung, Georg Westermann, Braunschweig 1974 S. 41

3 GunterOtlo:s.o.,S.43