Was - zum Himmel - ist denn bloß mit dem Dauner Bacchus los?

Alois Mayer, Daun-Pützborn

 

Da steht er, vielmehr, er sitzt. Auf einem mächtigen Faß, inmitten von Daun. Vor dem "alten Landratsamt" in der Leopoldstraße hat die Stadt ihm seinen Platz zugedacht. Dieser "älteste Dauner" wird viel fotografiert und beschmunzelt. Erwachsene betrachten ihn froh, Kinder und Jugendliche treiben ihren Schabernack mit ihm. Er ist der "Dauner Bacchus", eine eiserne Figur,_ die mit prallem Bauch und weinseligem Gesicht auf einer Tonne reitet und dem Vorübergehenden mit dem Weinpokale in der rechten Hand einen herzlichen Willkommensgruß zulächelt.

Was hat der Gott des Weines mit der Kreisstadt Daun zu tun?

Viele Berichte und Aufsätze sind bereits über dieses gußeiserne Standbild geschrieben worden. In offiziellen Führern, in Chroniken und heimatkundlichen Veröffentlichungen tauchen immer wieder Aussagen über die Entstehung und Herkunft jenes Gottes auf, die fast alle behaupten.

- Diese Bacchusfigur ist römischen Ursprungs.

- Diese Bacchusfigur ist der eiserne Abguß einer römischen Steinfigur aus dem Kloster Hoven bei Zülpich.

- Dieser Bacchus ist 1591 in Jünkerath gegossen worden und anderes mehr. Diese Behauptungen sind nicht zutreffend. Sie beruhen auf Vermutungen und Phantasien. Die meisten sind schlichtweg voneinander abgeschrieben.

Versuchen wir also, Klarheit in diese weinselige Angelegenheit zu bringen und ihr von Beginn an nachzuspüren. Vielleicht dankt es Gott Bacchus mit einem Prost.

Diesmal kein Italiener.

Die Bacchusfigur in Daun ist nicht römischen Ursprungs. Römer waren vor rund 2000 Jahren - während ihrer Eifelbesetzung - technisch nicht in der Lage, plastische, eiserne Vollfiguren zu gießen. Es war bei ihnen - sowohl im Heimatland Italien als auch im besetzten Gallien - nicht üblich, Denkmäler oder Kunstwerke in Eisen zu gießen oder Eisen in Plattenform zu schmieden. Selbst Bronze wurde für solche Monumente und Dokumente kaum verwendet. Römer (und Griechen) bearbeiteten Ton, Stein und Marmor. Aus diesen Materialien erstellten sie die herrlichsten Kunstwerke und Standbilder. Unsere Eifel ist voll davon. Die großen Museen in Trier, Mainz und Köln liefern räume- und etagenweise Beweise.

Kein Findling und nichts Nachgemachtes.

Der eiserne Bacchus ist so, wie er in Daun zu sehen ist, nie im Kloster Hoven bei Zülpich, das sich heute Kloster Marienborn nennt, gefunden worden!

Der Dauner Bacchus ist auch kein Abguß irgendeiner römischen Steinfigur. Dies würde ja voraussetzen, daß von den Römern dereinst eine gleich große und gleich aussehende Bacchus-Figur aus Stein erstellt worden wäre, die sich im Zülpicher Kloster befunden hätte. Aber genau dies ist eben nachweislich nicht der Fall. Abgesehen davon stellten die Römer ihren Gott Bacchus künstlerisch ganz anders dar, als der "Dauner Bacchus" sich zeigt. Dessen Haartracht, die Weinranken und Reben sowie die Form des Weinkelches sind nicht typisch römisch. Sie entsprechen nicht der damaligen Mode und Darstellungsweise, sondern spiegeln eine "moderne", neuzeitliche Kunstauffassung wieder.

Wo kommen die Falschaussagen her?

Zum ersten Male findet die Bacchusfigur Erwähnung in dem bekannten Werk von Schannat-Bärsch. Aber dabei tauchen auch die ersten Unrichtigkeiten auf. Die beiden Autoren behaupten wohl, sie hätten ihr Wissen aus einem "Manuskript". Aber sie benennen weder dieses Papier, noch dessen Verfasser. (Dieses angebliche Manuskript Ist auch bis heute weder gefunden noch irgendwo anders als Quellenangabe erwähnt worden). Vermutlich verließen sich Schannat-Bärsch auf Erzählungen und Gerüchte unkundiger Leute. Sie schrieben in ihrem Werk "Eiflia illustrata (Bd. l, 1, S. 549):

"Im Jahre 1591 wurde bei dem Kloster Hoven eine Statue des Bacchus von Stein ausgegraben. Graf Hermann von Manderscheid erhielt diese Statue von der Äbtissin jenes Klosters zum Geschenk. Statt dieser Statue ließ er eine andere von Eisen, ganz nach dem Originale, arbeiten und mit folgender Inschrift versehen in dem Kloster zu Hoven aufstellen: 'Cum illustris et generosus dominus, dominus Herrma-nus comes in Manderscheid (et) in Blankenheim, Baro in Junkerath, sac. Caes. Maj. a consiliis nobis ex donatione domi-nae abbatissae et virginum vestalium coenobii, huius Hovensis post idolum Ba-chi lapideum: hinc avehi curasset, in illius locum effigiem hanc ferream reponi fecit anno O.R. MDXCI'. Das Original von Stein ist zugrunde gegangen, die eiserne Copie hat sich erhalten und befindet sich jetzt im Besitze des Herrn Theodor Peuchen in Jünkerath."

Bei diesem Text fällt auf, daß die von Schannat-Bärsch zitierte Inschrift nicht mit dem Original übereinstimmt, wie weiter unten bewiesen wird. Vermutlich haben die Verfasser sie nie gesehen.

Im Gegensatz zur echten Inschrift wird hier auch zum ersten Male das Wort "ferream" (= aus Eisen) hinter "effigiem" (= Bild) eingefälscht. Damit wollten die Autoren wohl diese rätselhafte eiserne Figur des "Dauner Bacchus", die sie von Junkerath her kannten, aber mit der sie nichts anzufangen wußten, "glaubhafter und beweiskräftiger in der Literatur verkaufen".

Bacchus fährt "zur Kur" nach Junkerath.

Allerdings haben Schannat-Bärsch die Bacchusstatue mit größter Wahrscheinlichkeit in Junkerath gesehen, denn sie fügen ihrem Werk eine ziemlich wirklichkeitsnahe Zeichnung bei.

1888 übernahm Karl Schorn in seiner "Eiflia sacra" (l, 682f) diesen Text, ("Diese Bacchusstatue von Stein,..., auf einem Faß reitend, wurde damals von der Äbtissin des Klosters dem Grafen Hermann von Manderscheid geschenkt. Dieser ließ die Statue wegnehmen, davon eine Copie aus Eisen machen und an der Fundstelle ein eisernes Kreuz errichten.."), behauptete noch zusätzlich, daß die Klosterkirche auf Resten eines Bacchus-Tempels gestanden habe, bezweifelte aber, daß die Götterfigur einem katholischen Kloster geschenkt wurde.

Kloster Marienborn (Hoven) vor der Renovierung. Noch befinden sich die Platten auf dem Eckanbau, heute rund ums Schwesternhaus. Foto: Josef Fohlen.

Nach Schorn übernahm Becker in seiner Darstellung des "Dekanates Blankenheim" ebenfalls die Vorlagen. Damit waren die Grundlagen für alle nachfolgenden (abschreibenden) Berichte gelegt, obwohl bereits recht früh namhafte Historiker auf die Unrichtigkeiten und Falschaussagen hinwiesen, wie Clemen (1900), Wackenroder (1928) und Keune (1928).

Was ist nun wirklich in Hoven gefunden worden?

Graf Hermann von Manderscheid-Blankenheim war leidenschaftlicher Antiquitätensammler. Dabei bevorzugte er die antike Kunst der Römer und Griechen. In seinem Blankenheimer Schloß hatte er für die damalige Zeit (16. Jhd.) eine große, bedeutende, überall anerkannte und bestaunte Antikensammlung angelegt.

Graf Hermann erfuhr nun, daß in der Kirchenwand des Nonnenklosters Hoven 1) eine römische Steinplatte mit der Abbildung des Weingottes Bacchus eingemauert war. Dieses Kunstwerk wollte er für seine Sammlung erwerben. Deshalb trat er in Verhandlungen, einmal mit dem zuständigen Abt, dem das Nonnenkloster unterstellt war, zum anderem mit der Äbtissin von Hoven, Elisabeth von Blanckhardt. Beide genehmigten die Herausgabe der Antiquitäten. Die Äbtissin stellte aber die Bedingung, daß der Graf auf seine Kosten die Maueröffnung wieder verschließenmüsse. Dies versprach Graf Hermann. Er ließ die Maueröffnung mit einer eisernen Platte, auf der ein Kruzifix zu sehen war, wieder verschließen. All dies geht eindeutig aus zwei Briefen hervor, die sich im Handschriftenarchiv der Stadtbibliothek Trier befinden (MS 1705, 318, VI). Der erste Brief, eine Antwort auf ein Schreiben des Grafen Hermann, lautet in freier Übersetzung:

"Wohlgeborener - unser demütiges Gebet zu Gott dem Allmächtigen jederzeit zuerst -Gnädiger Herr! Euer ehrwürdiges Schreiben vom 17. dieses Monates haben wir empfangen. Darauf wollen wir demütig antworten. Wir wollen aber nicht unerwähnt lassen, daß das Schreiben unseres gebietenden geistlichen Herren Vaters Abt, in dem es um die Bewilligung der begehrten Antiquitäten ging, vielleicht durch den Boten versäumt oder sonstwie verloren ging, sonst hätten wir Euer Gnaden längst eine demütige und angenehme Antwort zukommen lassen. Wie wir aber nun durch Euer Gnaden erfahren haben, hat unser gebietender Abt zu den betreffenden Antiquitäten seinen Konsens und seine Zustimmung erteilt, da er für seine Person keine Gründe kenne, ein solches Vorhaben zu verweigern.

Daher richten wir an Eure Gnaden unsere demütige Bitte, weil wir dieselben nicht so ohne weiteres herausgeben können. Da niemand von uns die begehrten Antiquitäten bekommen soll, kann Eure Gnaden sie nach eigenem Gefallen und Ansinnen herausnehmen und fortbringen: dennoch erfordert es unsere Fürsorgepflicht, daß vorab ein Steinmetz nach hier gesandt wird, der die Stelle besichtigt und von ihr Maß nimmt, daß dann zuerst das Kruzifix angefertigt und dann sofort nach Herausnahme der Antiqitäten an deren Stelle eingemauert werden soll. Denn ansonsten ist zu befürchten, daß die Erdmauer einfällt und wir dadurch Schaden haben werden. Dies ist zu vermuten, da die Mauer aus vielfältigen und brüchigen Gesteinsarten beschaffen ist, die dann in Stücke zerfallen und zu nichts mehr nützlich sein werden.

 ...Somidt sonst E: Gn. bey Gott allmechtigh mit unserem demüttigen gebett zuerpitten, und demüttige angeneme willfarungh zu-verzeigen genemigt und bereitwilligh, E: Gn. hiemit in schütz des almechtigen langhwiriger gesundtheit mit glückfertigen Regiment gnediglich zugefristen empfel-lendt.

Datum Hoven ahm 18. Octobris. Anno 912) E:Gn.

demüttigh

Elisabeth von Blanckhart

Abbetißin und sambtliche Junfferen des Closters und Gotzhaus3) zu Hoven" Das zweite Schreiben ist ein beglaubigter Auszug aus dem Klosterarchiv. Es lautet: "Daß sich in des freyabtlichsn Closters Hoven Archivio befinde, waß maßen Vor alten Zeitten daselbsten arha Bachi gestanden, dieses idolum auch nach umb die Jahren 1590 und 1591 destructa arha auff deren stelle eingemauret sich befunden, in welchem letztem Jahr gemeltes Idolum Bachi Von tit: Herrn Graffen Her-man zu Manderscheidt undt Blancken-heim durch verschiedene Missionen begehret, auch Von zeittlicher Abdissinnen undt sambtlichen Conventualinnen gestattet worden, daß wollgemelter Herr Graff Herman das eingemaurtes Idolum Bachi außbrechen, undt auff deßen Platz ein in eine Eyßerne platt gegoßenes Crucifix bildt mitt folgender in einem großen stein Eingehawener beyschrifft hinsetzen laßen: Illustris Hermanus Comes in Manderscheidt et Blanckenheim etc. consensu Abbatisso et Virginum hujus Coenobii ve-stalium Idolum Bachi hinc avehi inque illius locum effigiem hanc reponi jussit Anno Domini 1591 mense Novembris

In fidem et pro Extractu

subscripsi pizetoque munivi

(Siegel) J. H. Scheyff Dr. Syndicus juratus

des freyabtlichen Closters Hoven"

(Diese Inschrift unterscheidet sich ganz wesentlich von derjenigen, die Schannat-Bärsch in seinem Werk wiedergibt (s. o.). 1803 wurde das Zisterzienserkloster Hoven durch die Franzosen aufgehoben und an Bauern verkauft. 1888 gelangten Kirche und Klostergebäude an die Genossenschaft der Augustinerinnen, Köln. Bei dem erfolgten Um- und teilweisen Neubau wurde jene Buntsandsteinplatte 1891 indie Ostseite der neuen Sakristei eingemauert. Dort blieb sie bis vor wenigen Jahren. Im Zuge von weiteren Renovierungsmaßnahmen wurde sie mit anderen Grabplatten herausgenommen und liegt nun -leider bereits in zwei Teile zerbrochen - frei und ungeschützt am Schwesternwohnheim. Durch Witterungseinflüsse vergangener Jahrhunderte ist die Inschrift auf der rechten Hälfte nur mehr mit Mühe zu entziffern.

Was war auf der römischen Steinplatte zu sehen?

Wie aus obigen Schreiben erkennbar, wurde aus dem Kloster also eine steinerne Platte mit der Abbildung des Weingottes Bacchus herausgenommen. Heute kann noch bewiesen werden, was auf jener Steinplatte zu sehen war, denn es existieren zwei Abschriften einer genauen Auflistung all jener Kunstschätze, die das Blankenheimer Schloß beherbergte. Eine Abschrift fertigte der Jesuit Hermann Crombach (1598 - 1680) in Köln an, die andere stammt von dem Mönch Lambert aus dem Kloster Steinfeld. Jener beschreibt 1643 darin jene Platte aus der Klosterkirche Hoven:

"...adstat lapis alter magnitudine primo huius horti antiquitatis monumento par, in-sculptam habet imaginem viri in medio pampinorum calicis instar coeuntium se-dentis et latera eius duo pueruli unus aversus alter adversus. Supra viri Bacchi caput pampini alte exurgunt et luxuriantur in va-rios maeandros protuberantes et botros germinantes, quibus insistunt caper, sciurus, duae aviculae noctua omnia, ad Bacchum pertinent. Lapis vero hie cum primo huius horti ex monasterio Hoven prope Zulch allatus est."

Deutsche Übersetzung: "...stand ein anderer Stein, der in seiner Größe dem ersten antiken Denkmal dieses Gartens gleich ist. Die Skulptur trägt die Abbildung eines Mannes, der mitten zwischen Weinranken, die kelchförmig verschlungen sind, sitzt. Zu seinen Seiten sitzen zwei Knäblein, das eine nach vorne, das andere nach rückwärts gerichtet. Über dem Haupt von Bacchus ranken Reben hoch, die Trauben tragen und in verschiedenen Windungen sich emporschlingen. In diesen befinden sich ein Bock, ein Eichhörnchen und zwei Vögel, alles Nachttiere, die zu Bacchus gehören. Dieser Stein ist zusammen mit dem ersten dieses Gartens aus dem Kloster Hoven bei Zülpich nach hier gebracht worden."

Aus dieser Beschreibung geht einwandfrei hervor, daß die Abbildung jenes Bacchus auf der römischen Platte zeittypisch ist und in nichis der Dauner Figur entspricht. Ferner ist klar, daß im Klostergelände Hoven nie eine vollplastische Bacchusfigur auf einem Faß reitend - gleich ob aus Stein, Bronze oder Eisen - gefunden wurde.

Der Dauner Bacchus in der Leopoldstraße hat mit dem Hovener Fund absolut nichts zu tun. Jedwede Verknüpfung zwischen Daun und jenem Kloster sind nichts als reine Phantasie!

Was hatte die Steinplatte in der Kirchenmauer zu suchen?

In oben erwähntem Verzeichnis der Kunstsammlung ist ferner registriert, daß neben jenem Bacchusbild noch eine weitere römische Steinplatte aus dem Frauenkloster in den Besitz des Grafen gelangt war. Diese zweite Platte, gleich groß mit der ersten, trug die Inschrift eines verstorbenen Mannes, der 352 n. Chr. in Hoven beerdigt worden war.

Es bleibt also der Indizienbeweis, daß diese beiden Steinplatten zusammengehörten und die Seitenwände eines Steinsarkophages bildeten.

Es ist bewiesene Praxis des katholischen Glaubens, auf bedeutenden heidnischen Relikten oder Kultstätten christliche Bauten oder Symbole zu errichten (so steht die Weinfelder Kapelle auf Resten einer römischen Villa). Das Kloster Hoven wird demnach seine Klosterkirche auf einer solchen römischen (Weihe-) Stätte errichtet und die Grabplatten als Baumaterial mit eingebaut haben.4) (1888 und 1890 fand man bei Renovierungen jener Klosterkirche im Inneren weitere Steindenkmäler, von deneneines der Sunuxal, der Stammesgöttin der Sunucer, die anderen den verehrten Matronen Saitchamiae geweiht waren.)

Wo sind diese Grabplatten heute?

Diese beiden im Kunstsammlungskatalog aufgeführten Steinplatten sind unauffindbar. Niemand weiß, wie und wohin sie verschwanden. Als die Franzosen nach 1794 in die Rheinlande einfielen, versuchte

man, aus dem Blankenheimer Schloß an Kunstschätzen zu retten, was die Zeit zu retten übrig ließ. Einen Teil der wertvollen Sammlung erhielt Dr. Wallraf, Köln, der Begründer des heutigen Wallraf-Richartz-Museums. Ein anderer Teil soll nach Kommern, in den Besitz der Familie Abels, gelangt sein, die die dortige Burg vom Herzog von Arenberg gekauft hatte. Heute sind aber weder in Köln noch in der zerstörten Kommern-Burg diese beiden Platten zu finden.

Schloßruine Jünkerath,

Planzeichnung von Günter Niebel.

Bleibt also die zur Gewißheit werdende Vermutung, daß diese zentnerschweren Steinplatten neben anderen verschwundenen Kunstwerken im Schloß Blankenheim zurückblieben und von den französischen Soldaten entweder geraubt oder - was wahrscheinlicher ist - vernichtet wurden

Was ist am Dauner Bacchus römisch?

Am gußeisernen Weingott gar nichts! Dafür aber der Sockel, auf dem er steht. Dieses Steinbild, ein Teil eines einstigen Grabturmes (ähnlich der Igeler Säule), war in der Grundmauer der ehemaligen römischen Kaserne Icorigium (= Jünkerath) eingemauert. Dieses Monument, auf dem schwach eine Szene "Heimkehr von der Jagd" zu erkennen ist, wurde dem Kreis zusammen mit dem Bacchus von der Jünkerather Gewerkschaft zum Geschenk gemacht.

Was war der Dauner Bacchus denn nun wirklich?

Der "Ehrenbürger" der Kreisstadt Daun ist ein schwergewichtiges "Kerlchen", obwohl er selber nicht besonders groß ist. Seine Höhe, vom Faßboden zum Scheitel, ist 1,30 Meter und zusammen mit der Tonne (1,08 m lang) wiegt er stolze acht Zentner.

Er kann niemals, wie Schannat-Bärsch und Schorn schreiben, 1591 gegossen worden sein. Zu der damaligen Zeit war man technisch - erst recht nicht in den Eisenhütten der Eifel - in der Lage, eine solche, innen hohle Figur in dieser Größe und Schwere zu gießen. Clemen schreibt in seinen "Denkmälern des Kreises Euskirchen", daß er nur ein derber Eisenguß frühestens des 18. Jahrhunderts sein kann. Bacchus befand sich um 1820 im Besitz von Herrn Peuchen, dem zu jener Zeit das Jünkerather Eisenwerk mit zwei Hochöfen, drei Frischfeuern und 30 Arbeitern gehörte. 1898 schenkte die Jünkerather Gewerkschaft diesen Bacchus dem Dauner Landrat von Ehrenberg, der ihn vor dem "Landraturgebäude" (erbaut 1830/ 31) aufstellen ließ.

Der Dauner Bacchus ist eine künstlerisch wertvolle Schöpfung eines ideenreichen und kunstfertigen, aber leider unbekannten Eifeler Eisengießers. Dabei sollte dieses eiserne Produkt nicht nur der Kunstbetrachtung dienen, sondern auch eine wichtige Funktion erfüllen, denn es war ein Ofen. Dies kann man noch heute deutlich erkennen. Das Faß, auf dem der dicke Weingott reitet, ist der Feuerraum, der von der hinten offenen Rückseite befeuert werden konnte. Die zweite Öffnung zieht sich durchs Gesäß von Bacchus und hat einen sichtbaren Rauchabzug zwischen den Schultern.

Daraus erwächst die Frage, wo ein solch mächtiger Ofen gestanden haben mag, der kunstvoll und teuer, für einen "schlichten" Eifeler Bauer unbezahlbar war und sich selbst für reichere Bürgerhäuser als zu groß und unfunktional erweist. Es bleibt die einzige Möglichkeit, daß dieser Bacchus-Ofen nach Funktion und Ausmaß nur für große Schloßhallen oder - säle geeignet war.

Und ein solches Schloß stand in Jünkerath!

Dieses Jünkerather Schloß wurde Anfang des 18. Jhds. (um 1720) unter dem Grafen Franz-Georg von Manderscheid-Blankenheim gänzlich renoviert und neugebaut. Doch kurz nach Fertigstellung, 1737, brannte das stolze Gebäude infolge eines Blitzeinschlages restlos ab und ist bis heute Ruine geblieben. Und in ihm wird der Bacchus gestanden haben. Indizien weisen noch heute darauf hin:

1. Der Bauherr, Graf Franz-Georg, wird sicherlich nicht einen Ofen in fernen deutschen Landen bestellt, Arbeitslohn und teure Frachtkosten bezahlt haben, wenn sich in Jünkerath selbst eine Eisengießerei befand. Er wird ihr logischerweise den Auftrag erteilt haben.

2. Im Landeshauptarchiv Koblenz befinden sich Rechnungen des Neubaues des Schlosses Jünkerath. Unter der Nr. 160 ist zu lesen:

"Idem 1. July 1733 dem Hüttenmeister Abraham peuchen von der Jünkerather Hüthen wegen nach Jünkerath gelieferten Eisen und sonstigen Sachen zufolgrechnung, aßignation, undt gezahlt 80 Th 55 Albus".

Der "Zwillingsbruder" des Bacchus aus Bronze in der Sektkellerei Henkell, Wiesbaden.

Eine große Geldsumme, die möglicherweise für den acht Zentner schweren Ofen-Eisenguß verwandt wurde. (80.000 handgeschmiedete Nägel kosteten "nur" 22 Taler 44 Albus).

Ein "gewöhnlicher Stubenofen", der aus einzelnen rechteckigen Eisenplatten hergestellt wurde, war wesentlich billiger, wie die Rechnungsnummer 220 belegt: "Am 13. August 1730 dem arnoldt Talpot für einen stubenoffen laut aßignation, undt gezahlt....17 Taler 50 Albus"

Daß in der Rechnung Nr. 160 nicht ausdrücklich Arbeitslohn oder die Herstellung des Bacchusofens erwähnt ist, könnte damit erklärt werden, daß die Jünkerather Hütte an die Grafen von Manderscheid-Blankenheim Pacht bezahlen mußte. Möglicherweise war der Arbeitslohn für das Gießen des Bacchus eine Art Pachtzins.

3. Der Kunststil des Bacchus-Ofens (Spätbarock/Rokoko) weist auf die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, den Zeitraum der Erbauung des Jünkerather Schlosses, hin.

4. Beim Erstellen der Figur entstand ein Gießfehler (s. u.), der eher dafür spricht, daß der Bacchus "in Jünkerath gegossen wurde als in einer versierten Kunstgießerei". (D. Wald)

5. Der Bacchus kann mit seinem runden Faß nicht auf dem Fußboden gestanden haben; er hätte keinen Halt gehabt. Er muß also erhöht und in abgerundeten Ständern an einer Wand aufgestellt gewesen sein, damit er so besser von außen (= der Flurseite) her befeuert werden konnte. Die Erhöhung im Saal könnte bedingen, daß der darunter sichtbare Fußboden des Aufstellplatzes ebenfalls künstlerisch gestaltet wurde. Ein Kamin muß in diesem Raum vorhanden gewesen sein.

Bei den Freilegungsarbeiten der Ruine in den Jahren 1982 - 1984 wurden in einem größeren Raum die Anlage zweier Kamine gefunden. Es handelt sich dabei nicht um eine Küche, sondern um einen Repräsentationssaal. Unter einem Kamin ist deutlich ein künstlerisch verlegter, parkettähnlicher Schiefer-Mosaikboden zu sehen. Der ideale Standort für den Bacchus!

Freigegraben wurde bisher ebenfalls ein viereckiges Postament, 60 cm hoch, bauchig geformt, in das sich problemlos die Wölbung des Bacchus-Fasses einpaßt.

Bacchus besucht seine Geburtsstätte.

Ende 1988 wurde auf Betreiben des Dauner Eifelvereins der Bacchus vom Rost gereinigt, renoviert und dabei auf "Herz und Nieren" untersucht, sowohl durch das Institut für Gießereitechnik Düsseldorf, als auch in seinem "Geburtshaus", der heutigen Mannesmann Demag Gießerei Jünkerath. Dabei konnte folgendes festgestellt werden, ohne hier auf die verschiedensten chemischen Analysewerte einzugehen:

"Der Bacchus wurde in drei Teilen (1. Faß; 2. Figur; 3. Trinkpokal in der rechten Hand) gegossen und anschließend zusammengesetzt. Alle Einzelstücke sind in geteilten Lehmformen gegossen worden, wie Gußnähte an den Teilen zeigen. Das Faß ist senkrecht mit der Öffnung nach oben, die Figur aber liegend vergossen worden. Das Feinguß- oder Wachsausschmelzverfahren scheidet aus.

Offenbar hatte die Gießereiabteilung der Hütte mit diesem für sie ungewohnten Gußstück Probleme. Der Kern für das Faß verrutschte, so daß die Wandstärke des Fasses vorne links (an der Seite) nur 5 mm beträgt, gegenüber aber 20 mm, bei einer durchschnittlichen Wanddicke von 20 mm. An der dünnen Stelle befindet sich ein Gießfehler, nämlich eine Kaltschweißstelle. Der Kern im linken Arm der Figur ist teilweise vererzt, er konnte beim Putzen nicht vollständig entfernt werden." (D. Wald)

Aus der Analyse ergibt sich ferner zweifelsfrei, daß beim Bacchus Holzkohlegußeisen vorliegt. Da Jünkerath ab 1836 mit einem warmblasenden Holzkohlehochofen arbeitete, muß der Guß des Bacchus auf jeden Fall vor 1836 gewesen sein.

(Lange noch vorher, denn 1820 sahen ihn Schannat-Bärsch in Jünkerath, ohne daß jemand mehr wußte, für wen und was dieser Ofen gedacht war.)

Hat der Dauner Bacchus Geschwister?

Diese Frage klingt seltsam und erstaunlich, aber sie ist mit einem "Ja" zu beantworten. In der Sektkellerei Henkell & Söhnlein, Wiesbaden, steht der Zwillingsbruder des Dauner Bacchus. Aber um es vorweg zu sagen; es handelt sich nicht um "eineiige" Zwillinge. Der Dauner Bacchus ist aus Eisen, sein Wiesbadener Bruder aus Bronze. Der Dauner Bacchus entstand in einer Eisengießerei, der Wiesbadener "Ableger" ist eine Abdruckkopie der Dauner Figur.

Wann, wie und durch wen die bronzene Bacchusfigur in die Kunstsammlung der Wiesbadener Sektkellerei kam, darüber sind bisher keine Unterlagen auffindbar. Auch im historischen Archiv des Hauses Henkell sind keine Quellen nachweisbar.

Anmerkung:

Für das Klären gießtechnischer Daten und Probleme sowie für Analysewerte bedanke ich mich bei Dietrich Wald, Gießereiinstitut RWTH Aachen und bei H. Pitzen Jünkerath.

1) Dieses Kloster wurde 1188 von Zisterzienserinnen, die vom Mutterkloster St. Thomas an der Kyll kamen, gegründet.

2) 1591

3) Junfferen des Gotzhaus = Nonnen des Gotteshauses

4) Diese kostensparende Baupraxis wandten die Dauner ebenfalls beim Neubau ihrer im letzten Krieg total zerstörten St. Nikolauskirche an. Eine Menge Grabplatten von Dauner Priestern und Grafen wurden als Bausteine eingemauert.