Kleine Bausteine am Haus Europa

Kulturarbeit über die Staatsgrenzen hinweg

Franz Josef Ferber, Kreisverwaltung Daun

 

Beim feierlichen Austausch der Städtepartnerschaftsurkunden Houffalize/Belgien und Hillesheim/Eifel vor einigen Jahren sagte Landrat Karl-Adolf Orth, daß Völkerverständigung "in der Nähe begonnen" wohl die wirksamste sei. Nach eben dieser Erkenntnis handeln seit einigen Jahren der Verwaltungschef des Kreises und seine Mitarbeiter. Angefangen hat alles im Jahre 1985. Damals freundeten wir uns mit den sympathischen Leuten der AGORA-Theaterwerkstatt (Wanderbühne) aus St. Vith an. Seitdem haben die renommierten Theatermacher unter der Leitung von Marcel Cremer in unseren Schulen vier Gastspiele, jeweils mehrfach aufgeführt, gegeben. Die Besucherzahlen sagten alles; insgesamt viertausend Kinder waren begeistert.

In einem anderen Bereich, dem von Museumsleiter Klaus Ring aus Blankenheim 1981 gegründeten Arbeitskreis Eifeler Museen (AEM), sind Ostbelgier ebenfalls unsere Partner, zum Beispiel Helmut Rehker, der Leiter des Töpfereimuseums Raeren. Zu nennen ist auch der Belgische Bauernbund. Er hat geradezu vorbildlich die im AEM unter der Federführung von Dr. Burchard Sielmann (Leiter des Töpfereimuseums Langerwehe) konzipierte Wanderausstellung "Dünnbeinig mit krummem Hörn, die Geschichte der Eifeler Kuh oder der lange Weg zum Butterberg" im Rathaus St. Vith, der zwölften und letzten Station, organisiert. Daß hier in nur vierzehn Tagen nahezu zweitausend Besucher gezählt und fünfhundert Ausstellungsbegleitbücher verkauft wurden, ist bemerkenswert. Die dritte große Wanderausstellung des Arbeitskreises, die Ende 1989 eröffnet wird, hat auch das ostbelgische Land zum Ziel. Der Ausstellungstitel: "Tafel, Griffel, Rutenstock. 150 Jahre Eifeler Volksschulleben".

Landrat Karl-Adolf Orth eröffnet die Ausstellung Alfred Holler in Daun - von links Herbert Lennertz, Kulturabteilungsleiter bei der Deutschsprachigen Gemeinschaft, Ratspräsident Kurt Ortmann, Minister Bruno Fagnoul, Elisabeth Orth, Prof. Dr. Franz-Josef Heyen.

Foto: privat

Und dann kam ein gemeinsames, kulturell-völkerverbindendes Ereignis, das hohe Beachtung fand, bei den amtlichen Stellen und bei den Bewohnern unseres gemeinsamen Kulturraumes, das vielleicht als eine Art Pilotprojekt gemeinsamer, grenzüberschreitender Kulturarbeit bezeichnet werden darf. Gemeint ist die Kunstausstellung Alfred Holler. Wahrhaftig, es war eine glänzende Idee von Konrektor Gilbert Duppich, dem Kunstmaler und Radierer Alfred Holler zum einhundertsten Geburtstag eine Jubiläumsausstellung zu widmen. Der Künstler, 1888 in Krefeld geboren, war Jahrzehnte in Eupen daheim. Er malte dort, in der Eifel und anderswo, 1954 starb er. Seitdem war es um ihn, vor allem im Eifelraum, ziemlich still geworden. Gründe genug, die Werke Hollers in Ostbelgien und im Kreis Daun zu zeigen. Sie paßten so recht ins große Kulturarbeitsspektrum der Kreisverwaltung. Und wenn die Arbeit noch, wie hier, über die Staatsgrenzen auszudehnen und dem Europagedanken zu dienen geeignet war, ein dreifacher Gewinn!

Eupen-Oberstadt (Öl)

Schalkenmehren am Maar (Öl)

Er mußte allerdings durch mühevolle Kleinarbeit errungen werden. Es war im Jahre 1986, als Gilbert Duppich, der "Erfinder" des Projekts, mich im Amtszimmer besuchte, mir die Mitarbeit schmackhaft machen wollte. Zwei Jahre intensiver Vorbereitungen folgten. Presseaufrufe wurden erlassen, unzählige Briefe geschrieben, Städte und Dörfer in Belgien und Deutschland bereist; Erfolge begannen sich bald abzuzeichnen. Bewohner des Aachener Raumes, des St. Vither und Eupener Landes - die Witwe des Künstlers ausgenommen, bedauerlicherweise versagte sie uns ihr Mittun - boten uns bereitwillig ihre Bilder als Leihgaben an. Nicht zuletzt waren wir auf die Hilfe von Behörden angewiesen. Sie wurde uns in vorbildlicher Weise zuteil, auf belgischer Seite von den Stadtverwaltungen Eupen und St. Vith, vom Rat und der Exekutive der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Ratspräsident Kurt Ortmann und Gemeinschaftsminister Bruno Fagnoul wie auch sein Vorgänger Marcel Lejoly kümmerten sich persönlich um die gute Sache. Und ihre Mitarbeiter, Verwaltungsdirektor Beckers, Abteilungsleiter Herbert Lennartz, Edith Mießen und Norbert Kreusch, waren liebenswerte Gesprächspartner. Von Anfang an spürten wir freundschaftliche Verbundenheit, das machte die Arbeit ein gutes Stück leichter. Auf deutscher Seite war es ähnlich. Was die öffentlichen Institutionen betrifft, so sind Stadtverwaltung und Volksbank Stolberg sowie das Suermondt-Ludwig-Museum Aachen lobend hervorzuheben. Am Ende unserer Sammeltätigkeit fehlte noch einiges, das kauften wir in Brüssel und Wittlich. Heute zieren die fünf Ölgemälde Büros und Foyer unseres neuen Kreishauses. Am 3. Oktober 1988 war es soweit, 71 Ölgemälde, Druckgrafiken und Zeichnungen konnten der Öffentlichkeit präsentiert werden. Das geschah in der Kreissparkasse in Daun. Zu der vom Ensemble der Kreismusikschule feierlich umrahmten Eröffnungsveranstaltung waren viele Gäste gekommen, auch die belgischen Nachbarn und Freunde. In seinem Grußwort sagte Minister Fagnoul, der zugleich für den anwesenden Ratspräsidenten sprach, daß die Zusammenarbeit zwischen unseren Verwaltungen effektiv und pragmatisch gewesen sei und beweise, daß er und seine Landsleute grenzüberschreitende Aktivitäten wünschten, um so in direkter Form die wichtigen Fundamente eines Europas der Kultur zu legen. In Radierungen, Grafiken und Gemälden habe Alfred Holler die Eifel sozusagen über ihre Grenzen emporgehoben. Und Landrat Orth ergänzte: "So wie bei den Farbharmonien Alfred Hollers wünsche ich mir eine Harmonie in unseren Herzen. Dann braucht es uns um eine dauerhafte Völkerverständigung im europäischen Lebensraum nicht bange zu sein".

Am 27. Oktober war die Ausstellung in Daun zu Ende. Alles wurde für die Präsentation in Eupen, dem zweiten Ausstellungsort, vorbereitet und am 4. November 1988 war in feierlicher Form die Vernissage. Zahlreiche Gäste und Freunde fanden sich im Heimatmuseum Gospertstraße ein, die Eröffnungsansprache hielt Minister Fagnoul. Für den Dauner Landrat sprach sein Vertreter, Kreisdeputierter Heinrich Schmitz. Der Kulturschöffe, Dr. Alfred Minke, sagte im Namen des Bürgermeisters der Stadt ein Grußwort. Professor Dr. Franz-Josef Heyen, Leitender Direktor der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, erklärte die Arbeit Alfred Hollers; der Klarinettist Marcel Luxen umrahmte die Feierstunde mit gekonnten Solovorträgen. Aufgewertet wurde die Gemeinschaftsaktion durch einen ansprechenden Ausstellungskatalog der Veranstalter, durch den Jahreskalender 1989, den die Kreissparkasse Daun dem Künstler widmete und durch das Künstler-Porträt im Jahrbuch des Eifelvereins 1989. Wer die Veranstalter waren, das soll der Vollständigkeit halber ebenfalls gesagt sein: Die Kreisverwaltung Daun und die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens. Mit ihnen arbeiteten die Stadt Eupen, die Kreissparkasse Daun und die Galerie Knops (Wittlich) zusammen. Der Kreisverwaltung fiel die initiativ gestaltende und federführende Rolle zu, wie bei den Kunstausstellungen Wilhelm Degode und Edward T. Compton imJahre 1985, Alexej von Assaulenko 1986 und Pitt Kreuzberg 1988.

Das gemeinschaftliche Kunstprojekt A. Holler erwies sich als Musterbeispiel dafür, daß Staatsgrenzen keine Kulturgrenzen sein müssen. Sieht man von zollbürokratischen Stolpersteinen ab, so schienen die Grenzen durchlässig^ beinahe unsichtbar. Minister Fagnoul ist zuzustimmen, der im Grußwort des Ausstellungskatalogs das Medium Kunst lobte als verbindende Kraft zwischen gemeinsamen Kulturen. Die Kreisverwaltung wird sich um eine dauerhafte und gute Zusammenarbeit mit den belgischen Freunden weiterhin bemühen.