Laudatio auf den Schwarzbeerbaum

Marianne Schönberg, Jünkerath

 

Er ist ein Klassiker unter den Sträuchern, so viele Namen hat er... Holder, Holler, Flieder Schibicke.

Geschichten gibts um ihn, Märchen, Sagen, Lieder, Abzählreime und es ist noch gar nicht so lange her, daß jedes Haus im Dorf seinen Hollerstrauch besaß.

Dann ist er weitgehend verschwunden, hat teuren Ziergehölzen Platz gemacht, die sind pflegeleicht und sehen edel aus. Was soll der grobe Busch, noch nicht mal das Holz ist zu brauchen - dabei war es früher "die" Substanz für eine kleine Flöte, die Väter oder Großväter den Kindern schnitzten.

Die Beeren - schon in der Antike wurden sie als Färbemittel verwendet, das dunkle Rot wirkt intensiv, wenn man den Saft gewonnen hat. Die Beere ist beinahe schwarz, daher die Bezeichnung "Schwarzbeerbaum".

Seit einiger Zeit kommt der Holunder wieder ins Gerede. Freunde naturgerechter Ernährung haben ihn entdeckt, meist jüngere Leute, die chemisch geschönten Nahrungsmitteln kritisch gegenüber stehen. Sie bedienen sich des Hollerstrauchs und das beginnt im Sommer, wenn er blüht. Aus den Dolden kann man Gutes gewinnen, einen sprudelnden, prikelnden Saft -beinahe Sekt. Die frischen Blüten werden mit Zucker und Zitronensaft aufgesetzt und wenn's gärt, ist das Getränk "reif". Einziger Nachteil, man kanns nicht aufbewahren. Getrocknete Dolden geben fiebersenkenden, schweißtreibenden Tee. Gourmets tauchen die ganze Blüte in Eierkuchenteig und backen das aus - es schmeckt sehr gut.

Aber was ist das alles gegen die Beere! Sie ist voller Nährsalze, Eiweiß hat sie, Gerbstoffe, Harz, Schwefel, Kalk und Eisen. Mus oder Saft der Holunderbeeren wirkt reinigend auf Darm und Niere, Blase und Magen. Eine jährliche Kur mit Holundersaft - so schrieb Peter Heinsberg zum Thema "Alte und neue Volksmedizin" - ist ratsam bei Hautkrankheiten, Verstopfung, Blutarmut, Wassersucht....

und nun sag mir einer, der Holunder sei ein wertloser Strauch.

Wer kennt noch Märchen vom Holunder? Aus "Volkssagen und Märchen um Frau Holle", von Karl Paetow 1962 veröffentlicht, hier eines; Holunder tut Wunder.

Es begab sich aber auch im Verlauf der Zwölf Nächte, daß sich Frau Holle rüstete, wie immer in diesen erregenden Zeiten der Jahreswende, das Menschenland zu befahren. So kam sie auch über die verschneite Heide. Da war es Weihnachten im ganzen Land. Und sie horchte auf den Gesang der Bienen im hohlen Baum, auf den Atem der Tiere, die unter der Schneedecke schliefen oder in warmen Höhlen und Kuppeln der Heimat. Sie lauschte auf die Stimme der Steine und auf den strömenden Saft unter der Borke von Busch und Baum. Aller erstorbenen Blumen Frühlingshoffnung lag ihr im Ohr.

Es stand aber einsam auf der verschneiten Heide ein kahler, stakiger Strauch. Seine Zweige knackten zum Erbarmen im Rauhfrost der Weihnacht. Frau Holle lieh auch seiner Klage Gehör und fragte den Busch: "Was barmst du so?"

Da wehte es aus den brackigen Zweigen her: "O große Mutter! All deinen Kindern hast du einen Nutzen und Sinn in den Keim gelegt. Die Menschen brauchen die Nuß von der Hasel, die Rute der Weide, und selbst den struppigen Ginster binden sie winters geröstet in ihre Besen. Dem Flachs hast du gute Fasern gegeben und allen Blumen Schönheit zur Augenweide. Nur mir hast du weder Glanz noch Nutzen verliehen. Und selbst die ärmsten Menschenkinder verschmähen mein mürbes Holz für den Hausbrand."

Die Klage rührte der weißen Frau an das Herz, und sie lächelte: "Gut denn, weil du den Menschen so gerne hold bist, so will ich dir selber den Namen geben, Hollerbusch sollst du von Stund an heißen in ihrem Mund. Dazu verleihe ich dir eine edle Kraft, die dich wert macht vor allem Gebüsch." Und sie schenkte dem Busch die Heilkraft der Rinde, der schneeigen Blüten und füllte ihm seine tausend Beeren mit blutroter Arzenei.

Bei schlimmen Tagen, als Not und Krankheit die Menschen heimsuchten in ihren Häusern, erkannten sie bald die heilenden Säfte vom Holderstrauch. Da holten sie den verschmähten Busch in ihre Gärten, an ihre Höfe, und alsbald war kein Backofen mehr in den Dörfern zu finden, in dessen Schutz nicht der Hollerbusch grünte und blühte zur Augenweide mit seinem Segen. Die Bresthaften tranken und wurden gesund vom Trunk seiner Säfte. Und ihre Kinder spielten im Duft seiner schattigen Blütenteller die liebsten Reigen.

Denn sie ahnten es wohl, er war ja Frau Holles erste Weihnachtsgabe an alle Menschen. Und bald ging von Mund zu Mund der weisende Spruch: "Holunder tut Wunder."

Oder das Märchen von Großmütterchen Immergrün, das von der Fliedermuhme;

da sind Lebensweisheiten verpackt, die auch Erwachsene nachdenklich machen und dem oft unpersönlichen Alltag wiederFarbe geben, vielleicht den Busch hinterm Garten aufwerten?

Oft hab ich gefragt, wenn ein Hollerbusch am Haus stand, wozu er da sei?

Ach, der alte Krüppel, den wollten wir schon abhauen, aber irgendwie tut er uns leid.

Der Holunder? Das ist ein guter Strauch für die Vögel, den lassen wir stehen.

Geschichten um Frau Holle? Nie gehört.

Doch, da gibts ja so einen Vers... sitzen unterm Hollerbusch...; ist's das?

Das ist's und noch viel mehr.

Ein letzter Beitrag zum Thema Holunder-Blüten, am Johannistag gepflückt, haben wunderbare Heilkraft - so die volkskundliche Überlieferung. Summe der Aussage über den Strauch: Er ist in all seinen Teilen nützlich, die Rinde zum Gelbfärben, die Wurzel mit Essig angemacht zum Ausspülen des Mundes gegen Zahnschmerzen, die weiße Rinde der Wurzel ist ein heftiges Abführmittel, das besonders bei Wassersucht angewendet wird. Die jungen Sprossen des Strauches dienen im Frühjahr als Salat....

Holunder tut Wunder; vielleicht ist das gar kein Märchen...?