Kalkmagerrasen im Kreis

Entstehung und Erhaltung einer Kulturlandschaft

Gerd Ostermann, Mehren

 

Der Landkreis Daun hat eine Vielzahl von Naturschönheiten, geologischen, kulturhistorischen, botanischen und zoologischen Besonderheiten vorzuweisen. Auf engstem Raum finden sich landschaftich so herausragende Erscheinungen wie die Maare und Hochmoore, die nicht nur von regionaler und nationaler Bedeutung sind, sondern auch weltweit bekannt (Schalkenmehrerer Maar, Totenmaar und Strohner Märchen). Daneben finden sich zahlreiche Vulkankegel, Lavaströme, Sümpfe, Feucht- und Naßwiesen, großflächige naturnahe Laubholzwälder, die Magerrasen und Heidestandorte mit ihrer speziell angepaßten Flora und Fauna.

Beweideter, intakter Kalkmagerrasen mit Wacholder

Geologie

Die Ursprünge dieser Vielfalt liegen in der geologischen und klimatischen Lage des Gebietes. Vier prägende Erdepochen haben ihre Spuren hinterlassen: Zunächst war es die Ablagerung von Sedimenten im Unterdevonmeer, das vor 390 Millionen Jahren die Eifel überschwemmte. Silikatreiche Grauwacken und Tonschiefer entstanden, die heute den Sockel des Rheinischen Schiefergebirges bilden. Bei der Verwitterung dieser Gesteine entstehen basenarme, saure Bodentypen (Ranker, saure Braunerden). Sie stellen heute den Großteil der Böden des Kreisgebietes. In der darauf folgenden Epoche des Mitteldevons lagerten sich Kalkschlamm und Fossilienbruchstücke auf dem Meeresboden ab. Korallenstöcke bildeten Riffs in den seichten Küstenzonen. Bei der anschließenden Hebung des rheinischen Schildes und der beginnenden Gebirgsfaltung dieses ehemaligen Meeresbodens kam es zu Abtragungen der kalkhaltigen Sättel. Der Kalkstein verblieb nur noch in den Mulden und Senken, die heute entlang der Gebirgsfaltung in Nordost-Südwest-Richtung streichen. Die Dollen-dorfer-, Ahrdorfer-, Hillesheimer-, Gerolsteiner- und Salmerwald-Mulde liegen dabei teilweise oder ganz im Kreisgebiet. Weiterhin bestimmten Buntsandsteinablagerungen des Trias vor 200 Millionen Jahren, der Vulkanismus des Tertiärs und vor allem des Quartärs seit ca. 1,8 Mill. Jahren bis in die jüngste Vergangenheit die geologische Aktivität der Eifel. Die Kalkmulden entwickelten bei der Verwitterung der obersten Bodenschichten basenreiche Böden mit einem hohen pH-Wert (Rendzina, basenreiche Braunerden). Dies war eine der Voraussetzungen für die Ansiedlung des Perlgras- und Zahnwurz-Buchenwaldes, des Orchideen-Buchenwaldes an den trockneten, flachgründigeren Stellen.

Sie bedeckten mit den Erlen-Auenwäldern in den feuchten Talauen und den Eichen-Elsbeerenwäldern auf sehr trockenen, südexponierten Hängen fast das gesamte Gebiet der Kalkmulden. In diesen dichtgeschlossenen Waldbestand griff der Mensch vor allem seit dem Mittelalter durch Rodung ein. Er schuf sich eine Kulturlandschaft, die er je nach Standorteigenschaften nutzte. Die frischeren, nährstoffreichen Niederungen wandelte er in Ackerflächen um. Nährstoffarme Hänge und Kuppen nutzte er nur extensiv in Form einer Schiffellandwirtschaft, bei der nach zwei-bis dreijährigem Getreidebau die Flächen über Jahre und Jahrzehnte nicht mehr beackert wurden, und/oder anschließender Beweidung. In den Wäldern führte der regelmäßige Holzeinschlag zu einer Niederwald-Wirtschaft, wobei sich das alle 15-25 Jahre durchgeführte Auf-den-Stock-setzen der Bäume zur Dominanz von Hainbuchen führte, die eine solche Bewirtschaftung vertrugen. Waldweide und Lohwälder zur Eichenrindengewinnung waren weitere Nutzungsformen.

Die Entstehung der Magerrasen

Nach der Rodung des Waldes kam es zu tiefgreifenden Änderungen auf den kahl gewordenen Hängen und Kuppen. Das Kleinklima änderte sich. Nicht mehr die schützende Laubkrone des Waldes bestimmte den Lebensraum, sondern die Exposition, der hohe Lichteinfall, die veränderten Wasserverhältnisse und die Beeinflussung durch den Wind. Hinzu kam die regelmäßige Nutzung durch Mahd oder Beweidung vor allem durch Schafe und Ziegen. Pflanzenarten wanderten ein, die dort sehr kleinflächig immer schon ihren natürlichen Lebensraum hatten. Sie ertrugen die neuen Bedingungen und breiteten sich aus. Wärmeliebende und trokkenheitsverträgliche Arten aus südlichen Gebieten bis hin zum Mittelmeerraum fanden hier neue Lebensbedingungen. Arten, die weniger schmackhaft für das weidende Vieh waren, bestimmte Gräser und Seggen oder Giftstoffe enthielten (Wolfsmilch, Herbstzeitlose) oder bestachelt oder bedornt waren (Hauhechel, Golddistel, Kratzdistel, Feldmannstreu, Schlehe) wurden gemieden. Darunter auch der Wacholder (Juniperus communis), der vom Weidevieh nicht verbissen wurde. Seine Büsche auf den großflächig vorhandenen Magerrasen prägte über Jahrhunderte das Bild der nördlichen Kalkeifel. Der Wacholder wuchs auch auf den mageren Hutungen der sauren, silikatischen Böden, wie wir sie in kleinen Resten noch vorhandener Wacholderheiden in Bleckhausen, Demerath, Zermüllen und Rengen antreffen. Viele Pflanzen der Grasnarbe auf Kalkböden sind jedoch auf den hohen pH-Wert der Böden und ihre natürliche Stickstoffarmut angewiesen.

Ausschnitt aus der Tranchot-Karte Hillesheim, Bl. 142 von 1809/10, herausgegeben vom Landesvermessungsamt Rheinland-Pfalz.

 

Die Pflanzenwelt

Die Magerrasen und ihr Umfeld zählen heute zu den artenreichsten Pflanzenge-

Frühlings-Fingerkraut (Potentilla tabernacmontani)

Brand-Knabenkraut (Orchis ustulata)

Golddistel (Carlina vulgaris)

Seilschaften. Allein in Rheinland-Pfalz gehören 433 Pflanzenarten zur speziellen Trockenrasenvegetation. Das sind 27 % aller Arten des Landes, 157 davon - oder 36 % - gelten als gefährdet. Diese drängen sich auf nur 0,5 % der Landesfläche zusammen (Bielefeld 1984). Die Pflanzengesellschaft der Kalkmagerrasen - die sogenannten Enzian-Schillergras-Rase n (Gentiano-Koelerietum) - wird nochmal differenziert in eine besonders trockene und flachgründige Ausbildung mit der Kugelblume (Globularia elongata) als Kennart, eine typische Ausbildung und einer mehr wechselfeuchten Ausprägung mit Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris) - beides stark gefährdeten Pflanzenarten.

Der Anblick der Hänge wandelt sich im Laufe des Jahres. Im zeitigen Frühjahr erscheinen als erstes die violetten Blüten der Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris). Dann folgen Bergsegge (Carex montana), Katzenpfötchen (Antennaria dioica) und Schlüsselblume (Primula veris). Die ersten Orchideen zeigen sich im Mai mit dem Manns-Knabenkraut (Orchis mascula). Es folgen eine Vielzahl anderer Orchideen wie Fliegen-Ragwurz (Ophris insectifera) oder noch seltenere wie Helm-Knabenkraut (Orchis ustulata) oder Hängender Mensch (Aceras anthropophorum).

Die gelben Blüten der Kleearten wie Hufeisenklee (Hippocrepis comosa) und Wundklee (Anthyllis vulneraria), sowie Sonnenröschen (Helianthemum numula-rium), Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella), aber auch noch Orchideen, wie die Große Händelwurz (Gymnadenia co-nopsea) und typische Gräser wie Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum), Aufrechte Trespe (Bromus erectus) und Pyra-miden-Schillergras (Koeleria pyramidata) bestimmen das Bild im Frühsommer.

Danach zeigen sich wieder mehr die Aspekte der blaublühenden Blütenpflanzen. Tauben-Skabiose (Scabiosa colum-baria), Große Brunelle (Prunella grandiflo-ra), Rundblättrige Glockenblume (Campa-nula rotundifolia) und Kugelige Teufelskralle (Phyteuma orbiculare) sind zu sehen. Arten wie die Golddistel (Carlina vulgaris), Deutscher und Fransenenzian (Gentiana germanica, G. Giliata) beschließen die Blütezeit im Frühherbst. Dies ist nur eine kleine Auswahl der zahlreichen Blütenpflanzen, von denen heute viele auf der Roten Liste der gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen von Rheinland-Pfalz und der Bundesrepublik wiederzufinden sind.

Gefährdung

Tiefgreifender Wandel der Land- und Forstwirtschaft in den letzten hundert Jahren veränderte das Bild unserer Landschaft. Waren in den alten Tranchot-Karten vom Beginn des 19. Jahrhunderts noch weite Teile des Kreisgebietes als Heideland eingezeichnet, so begannen bald großflächige Aufforstungen von "Ödländereien" mit standortfremden Gehölzen wie Fichte und Kiefer.

Änderungen in den Produktionsformen der Landwirtschaft, der Einsatz von Düngemitteln, zunehmende Mechanisierung und zuletzt der Einsatz von Pestiziden kamen hinzu. Die Anzahl der Schafherden in der Eifel nahm ab, ackerfähige Standorte wurden umgebrochen. Die von Natur aus nährstoffarmen Flächen wurden aufgedüngt und die wenigen, verbleibenden Magerrasen fielen brach, weil sie für eine intensivere Nutzungsform zu steil, zu flach-gründig oder zu kleinflächig waren. Sie fielen der natürlichen Sukzession anheim. Die Grasnarbe verfilzte, Gebüsche siedelten sich an und breiteten sich aus. Kiefernsämlinge dominierten bald auf den ehemaligen Schafweiden. An einigen Stellen wurden Kiefern, und Grauerlen gezielt angepflanzt. In wenigen Jahrzehnten entstanden dichte Gebüsch- oder Waldbestände, unter denen die Pflanzen der Magerasen längst verschwunden waren, oder sich nur noch die Fiederzwenke als konkurrenzstarkes Gras behaupten konnte. Hinzu kamen menschliche Eingriffe wie Müllablagerungen, Besiedlung oder das Ausgraben und Sammeln von Pflanzenarten. Nur wenige Flächen mit der für sie typischen Artenkombination sind uns erhalten geblieben und sind heute immer noch bedroht durch Brachfallen, Verbuschung und Wiederbewaldung.

Naturschutzgebiet Hönselberg bei Niederehe.

Kalkmagerrasen im Kreis Daun

Schon relativ früh erkannte man die Bedeutung und Gefährdung der Kalkmagerrasen im Kreisgebiet. 1983 wurde der Hang des Mühlenberges in Niederehe als Naturdenkmal gesichert. Im Jahr darauf folgten vier weitere, kleinflächige Gebiete im Raum Niederehe-Mirbach-Wiesbaum. Mit der Unterschutzstellung alleine war es aber nicht getan. Oftmals wurde geglaubt, nun nichts mehr tun zu müssen oder zu dürfen. Einige der Gebiete waren schnell wieder völlig mit Kiefern bewaldet; im Unterwuchs sind die hochgeschossenen und durch Lichtmangel abgestorbenen Wacholder noch gut zu erkennen. Erst seit Beginn der 80er Jahre wurde damit begonnen, verbiebene Reste der Magerrasen als Naturschutzgebiete zu sichern, zum Teil großflächige Kuppen, wie der Möschelberg bei Lissendorf oder der Baumberg bei Wiesbaum sind schon von weitem als waldarme Hutungen erkennbar. Auch der Hönselberg bei Niederehe, die Kalkkuppen um Mirbach und das Naturschutzgebiet Mäuerchenberg, Hierneberg und Pinnert bei Gönnersdorf gehören dazu. Sie sind aber bereits stärker bewaldet. Hinzu kommen kleine Flächen, wie die Trilobitenfelder bei Gees, Auf Lind bei Esch und Im Hirtenberg bei Feusdorf. Weitere schutzbedürftige Flächen liegen im Raum Gerolstein und Üxheim/Nohn. Neben der Unterschutzstellung ist es aber vor allem entscheidend, daß die Pflege der Magerrasen beibehalten oder wiedereingeführt wird. Nicht nur der Lebensraum soll erhalten bleiben, auch die von ihm abhängige Lebensgemeinschaft mit einer Vielzahl von Rote-Liste-Arten der Tier- und Pflanzenwelt. Darüber hinaus besitzen die Magerrasen nicht nur eine herausragende botanische und zoologische Bedeutung, sie haben auch kulturhistorischen Stellenwert als Relikte alter Landnutzungsformen. Deren Bestand sollte uns genauso am Herzen liegen, wie der Erhalt alter Baudenkmäler. Sie sind Kleinode unseres Kulturraumes, auf sie darf man im Kreis Daun stolz sein.

Weiterführende Literatur:

Bauer, J., Meyer, W. & Schumacher, W, (1981): Das Naturschutzgebiet Lam-pertstal bei Blankenheim (Ahr), Schriftenreihe für Naturschutz und Landschaftspflege - Heft 19. Hrsg.: Rhein. Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln

Bielefekd, U. (1984): Trocken- und Halbtrockenrasen in Rheinland-Ralz. In: Arten-und Biotopschutz, Aufbau eines vernetzten Biotopsystems, Min. f. Soziales, Gesundheit u. Umwelt, Mainz

Blab, J., Nowak, E., Trautmann, W. & Sukopp, H. (1984): Rote Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen in der Bundesrepublik Deutschland - Naturschutz aktuell Nr. 1. Kilda Vertag, Greven

Ellenberg, H. (1986): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer Sicht. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart

Gehendges, R. (1985): Naturdenkmale des Landkreises Daun. Hrsg.: Landkreis Daun, Daun

Haarmann, K. & Pretscher, P. (1988): Naturschutzgebiete in der Bundesrepublik Deutschland - Naturschutz aktuell Nr. 3, Kilda Vertag, Greven

Kersberg, H. (1968): Die Prümer Kalkmukie (Eifel) und ihre Randgebiete. Vertag Aurel Bongers, Recklinghausen

Meyer, W. (1986): Geologie der Eifel, E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart

Ministerium für Umwelt und GesundheS Rheinland-Pfalz (1988): Rote Liste der in Rheinland-Pfalz ausgestorbenen, verschollenen und gefährdeten Fam- und Blütenpflanzen. Mainz

Schumacher, W. (1977): Flora und Vegetation der Sötenicher KalkmukJe. Decheniana-Beihefte 19, Bonn

Schwind, W. (1984): Der Eifelwald im Wander der Jahrhunderte. Herausgegeben vom Eifelverein, Düren

Wenzel, l. (1962): Ödlandentstehung und Wiederaufforstung in der Zentraleifel. Arb. zur Rhein. Landeskunde - Heft 18, Bonn

Wilmanns, O. (1984): Ökologische Pflanzensoziologie, Vertag Quelle & Meyer, Heidelberg

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