Biohöfe im Kreis Daun

Peter Scheulen, Bonn

 

In den letzten Jahren haben sich auch im Kreis Daun einige biologische Landwirtschaftsbetriebe etabliert, die mit der anhaltenden Agrarkrise in der EG zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dies gilt umsomehr, als sich in der "großen Politik", nicht zuletzt auch in Brüssel, nach jahrelangen Versuchen bloßer Produktionsdrosselung ein zaghafter Trend zu neuer, biologischer Qualität durch weniger Chemikalien abzeichnet. Im Kreisgebiet stellen vier Voll- und ein Nebenerwerbsbetrieb dies bereits vor.

Dem Beobachter stellt sich die Frage, wovon und wie Biohöfe außerhalb der eingefahrenen Verarbeitungs- und Vermarktungswege eigentlich existieren. Die Antwort darauf ist banal und verblüffend zugleich; durch Nachfrage. Während die Brüsseler Verwaltungsmühlen noch mit ebenso langsam wie unerbittlich drehenden Mahlsteinen Verordnungen und Richtlinien produzieren, hat der gesundheitsbewußte Kunde schon längst seinen Bedarf angemeldet. Nun überschwemmt eine unübersehbare Flut meist nur der Aufschrift nach biologischer Waren die deutschen Supermärkte. Gleichzeitig fristen die kontrolliert biologischen, also ohne chemische Hilfsmittel angebauten Produkte, leider weiterhin ein Mauerblümchendasein. Wie Umfragen gezeigt haben, liegt dies keineswegs an der fehlenden Bereitschaft, das unverkennbare Merkmal biologischer Lebensmittel, nämlich merklich höhere Preise, im wahrsten Sinne des Wortes in Kauf zu nehmen. Vielmehr hapert es an zu geringen Produktionsmengen und Lieferengpässen, die den Großbedarf von Supermarktketten kaum dekken können.

"A und O" der Biohöfe sind die Anbauorganisationen, die eine Kontrolle über chemiefreie Produktionsweise gewährleisten.Zur Erklärung sei gesagt, daß auch echte Bioware aufgrund unvermeidbarer Umwelteinflüße nicht absolut rückstandsfrei sein kann und bei akutem Schädlingsbefall mit Ausnahmegenehmigungen auch chemische "Notbremsen" erlaubt sind. Dennoch enthalten biologische Lebensmittel wesentlich weniger schädliche Substanzen. 1988 haben sich die sechs größten deutschen Anbaugemeinschaften in der "Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau" (AGOL) mit Sitz in Kaiserslautern eine Interessenvertretung geschaffen. Sie arbeitet unter Anerkennung gemeinsamer Richtlinien mit der Internationalen Vereinigung aller Bioanbauorganisationen (IFOAM) zusammen. Die im Ausland herrschenden schärferen Richtlinien wurden in Deutschland insbesondere von der mit über 1.000 Höfen größten Anbaugemeinschaft "Bioland" übernommen. Sie entstand 1930 in der Schweiz und ist seit 1971 in der Bundesrepublik vertreten. Der einzige Biolandhof im Kreis Daun ist der des "Reuther Ziegenbauers", von dem später noch die Rede ist. Als Biolandbetrieb wird er zweimal im Jahr auf Erfüllung der Richtlinien kontrolliert, wobei noch Stichproben hinzukommen. Als Gegenleistung erhält ein kontrollierter Betrieb dafür das Gütesiegel, ein gesetzlich geschütztes Markenzeichen, das zugleich für den Kunden Qualitätsgarantie bedeutet.

Besondere Erwähnung verdient die vor kurzem ins Leben gerufene "Höfegemeinschaft Hocheifel", die eine direkte Belieferung und den engen Kontakt zwischen Produzent und Konsument bewerkstelligen soll. Zwar gehören ihr im Kreis Daun bisher nur der Ziegenhof und ein nebener-wersmäßiger Schafmilchhof an, dafür aber auch ein Weingut in Maring bei Bernkastei, eher am Rande der Hocheifel gele-gen. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die vier nahegelegenen Höfe in Herscheid bei Prüm, Kronenburg und den benachbarten Orten Baasem und Frauenkron, wo sogar Naturparfüms erhältlich sind.

Doch was machen die fünf Dauner Ökohöfe eigentlich und wer betreibt sie? Zunächst fällt auf, daß es sich bei den noch immer zu Unrecht als "Exoten" betrachteten Biobauern bis auf einen um "Zoojereiste" handelt. Wenn im Folgenden von "dem" Bauer die Rede ist, so sei vorab geklärt, daß dies lediglich eine Anlehnung an den überkommenen "maskulinen" Sprachgebrauch darstellt und die tatkräftige Mitarbeit der Bäuerin natürlich dazugehört.

Die Höfe im einzelnen

Der Dreisberghof in Weiersbach bei Daun gehört zu einer Anbauorganisation, die nach der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin "Demeter" benannt ist. Sie ist, wie der ehrwürdige Name vermuten läßt, auch die traditionsreichste ihrer Art. 1924 nahm sie ihren Anfang mit einer Reihe landwirtschaftlicher Kurse Rudolf Steiners über "geisteswissenschaftliche Grundlagen der Landwirtschaft", so der Datierung der Aussaat nach dem Mondkalender. Für Rudolf Steiner, dem Begründer der anthroposohischen Gesellschaft, war Landwirtschaft nur ein Teil seines ganzheitlichen Konzepts. Bei den Landwirtschaftskursen wurde der Begriff "biologisch-dynamisch" geprägt.

In Weiersbach bauen die Familienbetriebe der Brüder Karl-Heinz und Bruno Thome in Zusammenarbeit auf einem Aussiedlerhof und dem vor allem für Verarbeitung und Verkauf zuständigen Althof auf insgesamt 80 Hektar viele Sorten Gemüse und verschiedene Weizenarten an. Von dem in jüngster Zeit wiederentdeckten Dinkel über Mohren bis zu Tomaten wird eine Vielfalt von Nahrungspflanzen kultiviert, manche gedeihen im rauhen Eifelklima leider nur wohlbehütet im Glashaus.

Die Umstellung begann 1982 wegen persönlicher Gesundheitsprobleme, verursacht durch berufsbedingten Chemiekontakt. Plangemäß kam nach drei Jahren die Anerkennung als Demeterbetrieb. Der Vertrieb erfolgt ab Hof, teils an Selbstverbraucher, teils an Verteiler, an Bioläden. Eine besondere Attraktion stellt die eigene Bäckerei dar, die mit traditionellem Steinofen bäckt und Vollkornmehl aus eigener Produktion verarbeitet. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, daß es sich bei den Thomes um einen alteingesessenen Betrieb handelt, der anderen Landwirten somit als direktes Beispiel für neue Möglichkeiten dienen kann. Noch im Aufbau begriffen ist der von Stefan Frangen und seiner Frau 1987 übernommene Hof in Sarmersbach. Nach Ablauf des ersten sogenannten "Nulljahres" beginnt in 1990 die Phase als "Umstellungsbetrieb", während der die Produkte mit dem Kürzel "biodyn" gekennzeichnet sind, bevor sie unter dem Markenzeichen "Demeter" verkauft werden dürfen. Die Milch der 16 Kühe geht zwar wie üblich an die Molkerei, doch die Tiere werden bereits aus ökologischem Anbau ernährt. Mittelpunkt des Betriebes soll möglicherweise die Käserei zur Verarbeitung von Schaf- und Ziegenmilch werden. Den Grundstock für die Herden bilden die vorhandenen 11 Schafe und sechs Ziegen. Daneben wollen die studierten Landwirte auch Möglichkeiten im Gemüse-, Kartoffel-und Getreidebau ausloten. "Viel Phantasie" ist dabei gefragt, so das Motto der Frangens.

Auf dem Hof Grindelborn in Mürlenbach hat seit Anfang 1989 Bernhard Weiers das Sagen. Wie der elterliche Gemüsebaubetrieb in Moers, so gehört auch sein Hof der in Koblenz ansässigen ANOG an, der "Anbaugemeinschaft für naturnahen Obst- und Gemüseanbau und Feldfruchtanbau." Der bereits vorher weitgehend nach biologischen Maßstäben betriebene Stall hat 50 Mutterkühe und konzentriert sich auf Rindfleischverkauf. Auch dieser Betrieb befindet sich noch in der Umstellung und nimmt zur Zeit die staatlich geförderte Grünlandextensivierung vor.

Der wohl bekannteste lokale Exponent der Ökobauern und zugleich Ansprechpartner für alle, die's werden wollen, ist dermittlerweile weit über die Kreisgrenzen bekannte "Reuther Ziegenbauer." Die Situation von Harald Huse ist außergewöhnlich, und doch spiegelt sie das Dilemma unserer Landwirtschaft im Jahre 1990 exemplarisch wider. Während die Nachbarn im Dorf als Milchbauern für den immer größer werdenden Milchsee produzieren, wurde hier ein eigener Vertrieb aufgebaut. "Der Absatz läuft wie von alleine", beschreibt Ziegenbauer Huse das dritte Standbein seines Betriebes. Die beiden anderen sind Landwirtschaft und Käserei. Zwar war der Aufbau des Eigenverkaufs sehr zeitraubend und verlangte hohe Investitionen, wie Huse einräumt, doch könnte er nach seiner Einschätzung das zigfache von dem absetzen, was er überhaupt an Ziegenkäse produzieren kann. Wie negative Erfahrungen mit Großhändlern in anderen Fällen gezeigt haben, ist der zumindest teilweise Eigenabsatz sehr wichtig. Im Gegensatz zur durchgeplanten konventionellen Landwirtschaft ist der Bauer hier Herr der Lage, was man im Fachjargon einen "Verkäufermarkt" nennt. Nebenbei vertreibt Huse auch die Produkte des nebenerwerblichen Milchschafhofes, der sich mit einer noch kleinen Herde von 20 ostfriesischen Milchschafen (Stand 1989) im nahen Basberg eingerichtet hat. Im Falle der Huses stand am Anfang nicht nur die Liebe zur Natur, sondern ebenso das Erkennen einer großen Marktlücke bei Ziegenmilchprodukten. So können die oft als unvereinbar angesehenen Prinzipien von Ökologie und Wirtschaft durchaus zusammenpassen.

 Trotz der auch hier willkommenen staatlichen Förderung als rheinlandpfälzischem "Musterbetrieb" steht der Ziegenhof im wesentlichen auf eigenen Füßen. Das traditionsreiche Ideal des freien Bauernstandes, unter zunehmender Abhängigkeit vom EG-Subventionstopf reichlich verblaßt, entsteht hier in neuem Gewand.

Doch wie seine Ziegen, so hat auch der Halter von mittlerweile 94 Exemplaren der Toggenburger Rasse manchen Grund zu meckern. Vor allem kritisiert er die noch immer mangelhaften Rahmenbedingungen, vor allem fehlende Beratung. Für das Saarland und Rheinland-Pfalz zusammen steht beispielsweise nur ein Berater für ökologische Landwirtschaft zur Verfügung, wo in Frankreich bei einer vergleichbaren Fläche rund 50 vorhanden wären. Kein Wunder, daß ein Großteil der in Deutschland konsumierten, wohlgemerkt echten Biolebensmittel, importiert werden muß. Dabei wird bisher kaum ein Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland ökologisch kultiviert. Schließlich besteht auch ein Defizit an gegenseitiger Verständigung: "Die Bauern müssen sich mehr zusammensetzen und miteinander reden. Die Politiker müssen endlich ihre Arbeitskraft in die richtige Richtung lenken und mehr für den ökologischen Landbau tun. Im Vergleich zum Ausland tut sich bei uns da überhaupt nichts", so der Ziegenbauer.

Erwähnt seien schließlich die Bemühungen der Landwirtschaftsschule in Daun. Sie macht zur Zeit Versuche mit den lange in Vergessenheit geratenen Weizensorten Dinkel und Buchweizen, wegen ihrer besonderen Witterungsunempfindlichkeit gerade für die Eifel als "trefflich rauhem Land" bestens geeignet. Ebenso robust und dem Eifler Klima angepaßt ist das aus Südwestfrankreich, von den kalten Höhenzügen des Zentralmassivs stammende Limousinrind; es hat in Amerika bereits weite Verbreitung gefunden.

Betrachtet man die Gemeinsamkeiten der Ökobauern und die Unterschiede zum konventionellen Landbau, so fallen neben den genannten Anbaugrundsätzen vor allem die betriebseigene Weiterverarbeitung der "Urproduktion" und die Eigenvermarktung auf. Dies stellt eine organisatorische Herausforderung und ein Risiko dar, dem die meisten Landwirte bei den dafür noch weitgehend fehlenden Sicherheiten, Organisations- und Finanzhilfen kaum gewachsen sind. Und doch böte eine neue Hochqualitätslandwirtschaft, die sich primär am Gesundheitswert statt an Farbe, Gewicht oder Fettgehalt orientiert, eine gute Chance. Aus unserer in Sonntagsreden immer wieder bemitleideten Region könnte so möglicherweise ein "struktur-starkes" Gebiet werden. Daß Probleme in der Landwirtschaft nicht nur eine Sache von Experten ist, machten die Nachkriegs-ahre deutlich. So löste die Mißernte von 1947 eine Hungersnot aus, die nur mit den berühmten "Carepaketen" überwunden werden konnte. Heute geht es allerdings nicht darum, mehr, sondern besser zu produzieren. Letztlich ist der Verbraucher im Rahmen seiner Möglichkeiten gefordert, mitzuwirken bei der unbestritten nötigen Erneuerung der Landwirtschaft. Wenn er beim Kauf wählerisch wird, ist ein wichtiger Schritt getan.