Den Toten zur Ehre

Prof. Matthias Weber, Köln

 

Wie in vielen Eifeldörfern, so ist es auch im kleinen Kylltalort Niederbettingen schon länger her, daß man einen, toten Mitbürger vor der Beerdigung am Hause aufbahrte. Der geschlossene Sarg wurde dann ebenso einfach wie zweckmäßig mit dem Kopf-und Fußende auf je einen Stuhl gestellt. Für den Trauerzug zum Friedhof - in Niederbettingen gibt es noch einen richtigen "Kirchhof" - konnte man ihn dann leicht abheben. Bei schlechtem Wetter hatte dieser alte Brauch erhebliche Nachteile: Die Trauergemeinde, die dem Toten die letzte Ehre erwies, stand beim Einsegnen und Totengedenken buchstäblich im Regen, falls es Petrus ausgerechnet dann einfiel, die Himmelsschleusen zu öffnen. Auch dem Toten gereicht der heutige Brauch des Aufbahrens und Gedenkens mehr zur Ehre, geschieht die Einsegnung in einer modernen Leichenhalle.

Seit dem Frühjahr 1988 ist eine neue, kleine Halle in Niederbettingen fertiggestellt und bei örtlichen Beerdigungen im Gebrauch. In ihrer schmucken Baugestalt -mit vorkragendem und naturschiefergedecktem Giebeldach, das sich vor dem Rundbogenportal auf zwei schlanke Betonpfeiler stützt, mit vier buntverglasten Rundbogenfenstern an der West- und Südseite ausgestattet - ähnelt das kleine Bauwerk mehr einer Kapelle als einem "bloßen" Aufbahrungsgehäuse. Wohltuend für Betrachteraugen haben Planer und Architekt das Gebäude den schönen, neuromanischen Stilformen der prächtigen Pfarrkirche, dem Niederbettinger "Eifeldom", nachempfunden. Die bisherige Leichenhalle an der Hauptstraße nahe der ehemaligen Dorfschule hat niemals so zu einem Vergleich mit einem anheimelnden Kapellchen angeregt, wie der jetzige Neubau. Von räumlicher Enge und der Unzweckmäßigkeit des Altbaus ganz zu schweigen.

Leichenhalle in Niederbettingen, erbaut 1987/88.

Man kann daher die Niederbettinger Gemeindeväter im Hillesheimer Gemeinderat gut verstehen, ja man muß ihnen dafür danken, daß sie sich für diesen Neubau so engagiert eingesetzt haben. Seit dem Silvestermorgen 1988 ziert auch eine eigens für diese Leichenhalle in der Eifeler Glockengießerei Mark, Brockscheid, gegossene Bronzeglocke als Niederbettinger Totengeläute die linke Seite des Eingangs. Die Glockenumschrift ist wie ein ständiges Gebet der lebenden Dorfbewohner: "Heiligstes Herz Jesu, hilf uns, unser Lebenskreuz zu tragen". Die Pfarrei Niederbettingen hat im vorigen Jahrhundert für die neue Pfarrkirche das Herz Jesu zum Patronat gewählt.

Die neue Niederbettinger Leichenhalle hat einen Grundriß mit den lichten Maßen von 5 m Länge und 4 m Breite. Die Planung, kostenmäßige Veranschlagung und statische Berechnung sowie die Bauleitung lagen in den Händen von Rudolf Schwindenhammer aus Niederbettingen und Dipl.-lng. Jochen Steinbrunn aus Hillesheim.

Die Bauausführung und -finanzierung waren ein regelrechtes Gemeinschaftswerk der Niederbettinger, der Gemeinde Hillesheim, zu der Niederbettingen seit 1974 als Ortsteil gehört, und des Landes Rheinland-Pfalz. Die katholische Kirchengemeinde der Pfarrei Niederbettingen stellte ein beachtliches Stück des seit 1977 kaum noch genutzten Pfarrgartens als Baugrund zur Verfügung. Damit war ein Standort bestimmt, der am Anfang der Baumaßnahmen keineswegs auf einhellige Zustimmung in der Pfarrei stieß. Immerhin zählen außer dem Ort Niederbettingen noch die Kapellenorte Oberbettingen in der oberen Pfarrei sowie Dohm, Lammers-dorf und Gerolstein-Bewingen in der unteren Pfarrei dazu. Inzwischen scheinen die kontroversen Meinungen nicht nur versöhnt, sondern so gut wie vergessen. Das eindrucksvolle Erscheinungsbild des kleinen, aber feinen Bauwerks samt seiner Einbettung in ansprechende Grünanlagen, die auch vom verbliebenen Reststück des Pfarrgartens abschirmen, haben gewiß zu einem Meinungsumschwung beigetragen.

Die Baukosten betrugen insgesamt etwa 75000 DM. Dazu gab das Land Rheinland-Pfalz einen Zuschuß von 30000 DM und neun Firmen aus dem Hillesheimer, Gerolsteiner und Jünkerather Raum erbrachten erhebliche Gratisleistungen; das sei dankbar vermerkt. Und 40 Niederbettinger Bürger schafften in Eigenleistung mehr als 1300 Arbeitsstunden plus etwa 100 Traktorstunden. Das erinnert an Hand- und Spanndienste vergangener Zeiten, doch der Unterschied liegt darin, daß sie nicht vom Zehntherrn abgepreßt, sondern freiwillig geleistet wurden. Ortsvorsteher Josef Istas führte sorgfältig Rapport und da ist genau ersichtlich, daß die Arbeiten im Juli 1987 mit den Rodungen im alten Pfarrgarten begannen. Anfang Juni 1988 wurden sie abgeschlossen.

Das Projekt wurde erstmals in der Hillesheimer Gemeinderatssitzung im März 1985 diskutiert, der Antrag auf Kredit von 25000 DM mehrheitlich abgelehnt. Doch die Niederbettinger ließen nicht locker, es kam sogar zu einem kurzen Leserbrief-Scharmützel in der Tageszeitung. Schließlich gabs grünes Licht für den Neubau, und das kleine Eifeldorf hat durch vorbildliche Gemeinschaftsleistung ein bauliches Schmuckstück mehr.