Vulkanlandschaft rund um Gillenfeld

Willi Blum, Mertesdorf

 

Als vor 100 Jahren der Eifelverein gegründet wurde, war die Eitel wenig bekannt und kaum erschlossen; für Naturfreunde und Geologen allerdings ein ' begehrtes Ziel. Hier fanden sie wie nirgendwo in Mitteleuropa Zeugnisse eines erdgeschichtlich jungen Vulkanismus, dessen Formen so gut erhalten sind, daß man an ihnen die gewaltigen Eruptionsvorgänge leicht erkennen kann.

Neben dem Laacher-See-Gebiet waren es besonders die vulkanischen Erscheinungen der Westeifel, die Interesse fanden.

Vor rund 10 000 Jahren haben hier vulkanische Kräfte die Erdrinde auf einer Strekke von 50 km - von Bad Bertrich bis nach Ormont in der Schneifei - an vielen Stellen aufgesprengt, dabei Lava und Gase gefördert. Damals sind auch weltweit bekannte Maare entstanden, wie die um Daun, besonders das malerische Weinfelder Maar. Die Maarlandschaft um Gillenfeld ist wegen ihrer Mannigfaltigkeit nicht weniger reizvoll. Es gibt in Deutschland keine Landschaft, die auf engstem Raum so vielfaltige vulkanische Formen aufweist, wie der Raum um Gillenfeld. Außer den drei mit Wasser gefüllten Maaren -Pulvermaar, Holzmaar und Immerather Maar - sind neun Trockenmaare in die Landschaft eingesenkt, die verschiedene Entwicklungsstadien zeige; vom Hochmoor bis zum Wiesengrund. Kesseltäler sind hier eingebrochen, Schlackenvulkane haben sich aufgetürmt, Tuffwände wurden von Aschenwürfen aufgeschichtet und Lavaströme ergossen sich in die Täler.

Die meisten dieser vulkanischen Erscheinungen prägen nicht von weitem sichtbar die Landschaft, wie das die Vulkankuppen im Laacher-Vulkan-Gebiet tun. Die Maare liegen meist versteckt in Tälern und an Talhängen; Trockenmaare muß man suchen. Eindrucksvoll werden sie erst, wenn man den vulkanischen Sprengtrichter erkennt.

Zeugnisse des Vulkanismus sind heute in ihrem Bestand gefährdet, deshalb wurden die bedeutendsten unter Naturschutz gestellt.

Der kann aber nur wirksam sein, wenn seine Ziele allgemein Zustimmung finden. Um bewerten zu können, ob ein Stück Landschaft schützenswert ist, muß man es näher kennen. Deshalb werden hier die vulkanischen Formen und Erscheinungen rund um Gillenfeld beschrieben. Dabei sollen jeweils Gefahren aufgezeigt werden, die ihnen heute drohen. Solche Kenntnisse erleichtern das Verständnis für die Forderungen nach aufwendigen Maßnahmen zur Rettung der Maarlandschaft.

Östlich von Gillenfeld liegt das PULVERMAAR, zu dem Hinweisschilder den Besucherstrom lenken. Mit einer kreisrunden Wasserfläche, die vom buchenbestandenen Wall fast völlig umgeben wird, gilt es vielen als das vollkommenste und imposanteste Maar der Eifel. Mit 36 ha Wasserfläche ist es das größte wassergefüllte Maar, mit der Tiefe von 74 m der tiefste, natürliche See Deutschlands nördlich der Donau.

Maare entstanden immer dann, wenn gasreiches Magma bis dicht unter der Erdoberfläche empordrang, diese aber nicht erreichte. Ihre hochgespannten Gase sprengten einen Trichter in das darüberliegende Gestein. Wir können uns einen Maarausbruch etwa so vorstellen:

Der Ausbruch beginnt zuerst langsam an Klüften und Spalten, die das Deckgebirge aufreißen. Die Wucht der Eruptionen erweitert die Öffnungen und formt sie zu einem Trichter um. Nun erreicht der Ausbruch seinen Höhepunkt. Eine hohe Wolke aus Rauch und Dampf steht über dem Trichter, aus dem unter Donner und Brausen immer neue Wellen von Gasen, Aschen und Gesteinstrümmern emporgeschleudert werden. Nach einiger Zeit lassen die Eruptionen nach, ohne daß wie beim echten Vulkan Lava gefördert und ein Vulkankegel aufgebaut wurde. Daher bestehen die Flanken der Maartrichter nicht aus vulkanischem Gestein, sondern aus Schiefern des Grundgebirges, der Wall um den Trichterrand ist von den deutlich geschichteten Aschen gebildet.

Auffällig ist, daß wir die Maare fast ausschließlich in Tälern oder an ihren Rändern finden. Dies gab Anlaß zur Entwicklung einer Theorie, nach der maarbildende Gasausbrüche überall dort begünstigt wurden, wo vorhandenes Kluftwasser im Untergrund mit einem Magmaherd in Berührung kam. Der dabei entstandene, hochgespannte Wasserdampf soll die Gasausbrüche gefördert haben.

Bei den meisten Maartrichtern wurde der talabwärts gelegene Aschenwall im Laufe der Zeit abgespült und so erniedrigt, daß das Wasser einen Auslauf fand. So entstanden die Trockenmaare.

Bei den mit Wasser gefüllten Maaren blieb der Trichterrand geschlossen, gespeist werden sie nur von Sickerquellen und Regenwasser. Dies ist auch der Grund für die viel gerühmte, azurblaue Wasserklarheit des Pulvermaares. Weil der Wassereinzugsbereich so gering war, gelangten wenig Nährstoffe ins Maar und es besaß bis vor einigen Jahren eine große Sichttiefe. Seit 1982 hat sich jedoch die Wasserqualität rapide verschlechtert. In der Tiefe des Maares hat sich ein Wasserkörper gebildet, den die Wissenschaft "Monimolimnion" nennt. Er enthält einen erhöhten Salzgehalt, hat deshalb eine größere Dichte und liegt dem Maarboden auf. Er umfaßt inzwischen über 1 Million cbm und bleibt von der jährlichen neu Durchmischung ausgeschlossen. Entstanden ist er durch erhöhten Nährstoffeintrag, der zur erhöhten Konzentration an Sauerstoff verbrauchenden Substanzen führte. Verursacht wurde die erhöhte Nährstoffanreicherung durch die vielfältige Nutzung des Maares durch den Menschen; Campingplatz - Badeanstalt - Kfz-Verkehr -Bootsbetrieb - Landwirtschaft - Angelsport mit seinen Zufütterungsmaßnahmen.

Zur Rettung des Maares hat das Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz empfohlen, durch Belüftung eine Wasserströmung zu erzeugen, die den toten Wasserkörper mit dem übrigen Wasser vermischt. Die Maßnahme wurde vom Ministerium für Umweltschutz und Gesundheit mit rund 60 000 DM finanziert. Die jährlichen Betriebskosten belaufen sich auf etwa 9 000 DM und werden von der Ortsgemeinde Gillenfeld, der Verbandsgemeinde Daun und der Kreisverwaltung Daun getragen. Das Ziel der Durchmischung und Verbesserung der Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers wurde erreicht. Die Belüftung wird aber so lange jeden Winter durchgeführt werden müssen, wie die Nährstoffbelastung aus der Umgebung anhält.

Das Pulvermaar kann auf Dauer nur gerettet werden, wenn man die vielfältigen Nutzungen einschränkt.

Das westliche Gillenfeld gelegene HOLZMAAR wurde nach Süden durch Dämme künstlich aufgestaut. Es ist für den Geologen weniger interessant als für den Botaniker. Seine Wasserfläche wird ringsum von Sickerquellen gespeist und von einem Bach entwässert. Der Wasserspiegel ist starken Schwankungen unterworfen, und auf den zeitweise von Wasser freigegebenen Uferstreifen gedeihen äußerst seltene Pflanzen, die besonders geschützt werden müssen. Wenn auch der Campingplatz am Holzmaar aufgegeben wurde, so zertreten im Sommer immer noch viele Besucher die Pflanzen der empfindlichen Moorfläche am Ufer.

Wenige 100 Meter nordwestlich des Holzmaars liegt das Dürre Maar, ein von üppigem Hochmoor erfülltes Trockenmaar, eines der ganz wenigen intakten Hochmoore. Wollgras, Torfmoose, Moosbeere, Rosmarienheide und einzelne Büsche der Karpatenbirke füllen die Mitte aus. Am Rand sieht man einen Schwingrasengürtel mit Seggen und Fieberklee. Meist ist dieser von einem Wasserring umgeben, der den Außenrand des Maares sehr schön nachzeichnet.

Etwas abseits vom Besucherstrom gelegen herrscht hier meist eindrucksvolle Stille; im Wechsel der Jahreszeiten ist es ausßserordentlich reizvoll.

140 Meter nördlich vom Dürren Maar liegt mit 60 Meter Durchmesser das" kleinste der Eifelmaare, die HITSCHE. Sie ist als ovale, mit Simsen und Seggen bestandene Senke zwischen den Feldern zu erkennen. Leider wurde dieses dritte Maar der in einer Reihe liegenden Holzmaargruppe nicht ins Naturschutzgebiet einbezogen. Trotz seiner Kleinheit ist dieses Trockenmaar anschaulich und deshalb schützenswert.

Das IMMERATHER MAAR liegt wenige Kilometer südöstlich von Gillenfeld. Es wurde in einem Nebental des Üßbachs herausgesprengt. Durch den Oberlauf des Baches ist ein Teil des Maarkessels inzwischen zugeschüttet, so daß der Maarboden nur zur Hälfte mit Wasser bedeckt ist. 1870 hatte man das Maar durch einen Abfluß trocken gelegt. Heute ist es durch Stau wieder teilweise mit Wasser gefüllt und zeigt eine schützenswerte, natürliche Ufervegetation.

Das IMMERATHER RISCH ist ein größerer, langgestreckter Maarkessel, von einem Bach entwässert und deshalb trocken. Das Dorf Immerath liegt in diesem Kessel am südlichen Rand, die Mitte ist von feuchten Wiesen eingenommen. Den schönsten Überblick hat man von dem "Steipenheiligenhäuschen", wie die kleine Wallfahrtskapelle genannt wird, die auf der Nordumwallung des Kessels steht. Von hier aus geht der Blick bis weit in den Hunsrück hinein.

Südlich des Pulvermaars gibt es eine ovale, vermoorte Senke, das Dürre Maar oder STROHNER MAARCHEN . Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Maar, sondern um einen verlandeten Vulkankrater, der keine Aschen und Gase, sondern Lavaschlacken gefördert hat. Sein Schlot war schräg nach Norden geneigt, deshalb hat sich kein regelmäßiger Schlackenkegel aufgebaut. Die Schlacken wurden einseitig nach Norden ausgeworfen und haben sich dort aufgetürmt. So entstand der RÖMERBERG, eine Anhäufung von Wurf- und Schweißschlacken; ein Kuriosum unter den vielgestaltigen Eifelvulkanen. Der Krater, das Strohner Maarchen, enthielt früher einen Kratersee, der aber bald verlandete und heute zum blühenden Hochmoor geworden ist, das ganz unvermittelt an Weizenfelder grenzt. Neun Meter dick ist die darunter liegende Torfschicht, Torfmoose bedecken weitgehend das Oval, dazwischen wächst der Sonnentau und im Herbst locken die Moosbeeren. Ein Zaun soll verhindern, daß dieses seltene und empfindliche Biotop nicht betreten und damit geschädigt wird. Das Strohner Maarchen mit dem Römerberg ist eine vulkanologische Einmaligkeit und bedarf besonderen Schutzes.

Nördlich von Gillenfeld liegen einige Trokkenmaare, die man als Maare erst erkennt, wenn man darauf aufmerksam gemacht wird. Das ELLSCHEIDER MAAR stellt eine flache, kreisrunde Wanne dar, die zum Alftal hin geöffnet ist. Der Maarboden wird landwirtschaftlich genutzt. Seine Tuffe sind am Nordrand gut erkennbar aufgeschlossen. Etwas östlich ist das WINKELER MAAR in die Landschaft eingesenkt. Auch hier entwässert ein Bach den Maarkessel, der als typisches Trockenmaar an den Rändern von Ackerfluren und in der Mitte von Wiesen eingenommen ist. Das größte und eindrucksvollste Trockenmaar in der Nähe von Gillenfeld ist der MÜRMES. Er präsentiert sich als ein von Ackerland und Wiesen umgebenes länglich-ovales Sumpfmaar von etwa 2 km Länge. Der wannenförmige Kessel mit weitem flachen Boden ist nur nach Südosten geöffnet. Es handelt sich bei diesem "Sumpfmaar" um ein Flachmoor, mit ausgedehnten Seggenrieden und eingestreuten Grauweidenbüschen bestanden. Für den Botaniker ist der Mürmes eine Fundgrube seltener Moorvegetation und der Vogelfreund trifft hier Kiebitz, Bekassine, Wasserralle, Braunkehlchen und Rohrammer an.

Während die Maare als Negativformen wenig landschaftsbestimmend sind, geben die Schlackenvulkane häufig der Landschaft das Gepräge. In der Umgebung von Gillenfeld ist dies der« Wartgesberg bei Strohn. Was sich da weithin sichtbar aus der Landschaft erhebt, ist genauer betrachtet ein Vulkankomplex, aus sieben Einzelvulkanen zusammengesetzt. Durch Abbau ist er inzwischen stark zerstört, nur der Körperichsberg, gleich am Alfbach gelegen, ist dem Lavalitabbau noch nicht zum Opfer gefallen.

Vor etwa 11 000 Jahren quoll hier aus einem Nord-Süd verlaufenden Spaltengang zähflüssige, rotglühende Lava; Gasexplosionen schleuderten Lavafetzen in die Höhe, sie erstarrten im Fluge und türmten sich beim Herabstürzen seitlich der Ausbruchsspalte auf, Basaltfladen schoben sich dazwischen, so bildete sich der langgestreckte Schlackenvulkan, der heute wie ein Wahrzeichen aus der Landschaft herausragt. Im großen Steinbruch an der Nordseite erkennt man in den roten Lavaschlacken die für den Wartgesberg typischen Basaltbomben. Die größte bisher aufgefundene hat einen Durchmesser von vier Metern und ist am Ortsausgang Strohn aufgestellt. Die Lavaschlacken sind als Lavalit besonders für den Straßenbau sehr begehrt. Man hat den Wartgesberg der Bauindustrie geopfert. Nach seinem Abbau darf aber keine häßliche Trümmerlandschaft zurückbleiben, es muß eine der Landschaft angepaßte Rekultivierung erfolgen.

Aus der Wartgesberg-Vulkangruppe sind drei Lavaströme in das Alftal ausgeflossen, das damals schon bis zu seinem heutigen Niveau eingetieft war. Diese Lavaströme haben bei Strohn das Alftal wie eine Sperrmauer blockiert. Die Alf staute sich, und das oberhalb liegende Tal wurde im Laufe der Zeit von Lockermassen bis in Höhe der Basaltsperre aufgefüllt. So entstand die breite Talaue oberhalb Strohn, auf der Gillenfeld liegt und die in ihrer auffallenden Breite bis kurz vor Mehren hinaufreicht. Das Alftal sieht somit bei Gillenfeld völlig anders aus, als die benachbarten Täler. Üßbach und Lieser haben sich ungehindert V-förmig in das Gebirge einschneiden können und lassen keinen Platz für eine Dorfansiedlung.

Unterhalb Strohn hat sich inzwischen die Alf in den Lavastrom eingeschnitten, stürzt in der "Strohner Schweiz" mit Stromschnellen und Kaskaden über 50 Meter abwärts und erreicht bei Sprink wieder den alten Talboden. Da ist im Alftal ein weiterer Maarvulkan entstanden, das SPRINKER MAAR. Dieser Gasausbruch hat den südlichen Lavastrom durchschlagen. Seine Aschen, welche die Schlacken des Wartgesberges überlagern, enthalten kubikmetergroße Blöcke dieses Lavastroms. Zur gleichen Zeit dürfte das TRAUTZBERGER MAAR entstanden sein. Es liegt nördlich vom Ort und ist nur als eine kleine, runde, sumpfige Vertiefung erkennbar. Seine Aschen haben ebenfalls die Schlakken des Wartgesberges überlagert. Sie bestehen fast nur, wie bei den meisten Maaren, aus zertrümmertem Schiefergestein.

Der Raum um Gillenfeld mit dem Pulvermaar als Zentrum ist die "klassische" Maarlandschaft. Nirgendwo liegen Maare in dieser Dichte und Manigfaltigkeit nebeneinander. Sie sind zudem umgeben von anderen einmaligen Zeugnissen der vulkanischen Tätigkeit. Die Zahl der Naturfreunde, die diese Vulkanlandschaft erleben wollen, nimmt zu. Damit sind auch Gefahren verbunden. Naturschutzgebiete vertragen keinen großen Besucherstrom. Durch Unachtsamkeit und Unverständnis ist manch wertvolles Naturdenkmal gefährdet. Wer diese Landschaft durchwandert, sollte die Hinweisschilder beachten, die auf Naturschutzgebiete aufmerksam machen. Für die Ortsgruppe des Eifelverveins dürfte es eine dankbare Aufgabe sein, Verständnis zu wecken für die Maßnahmen zum Schutz dieser unersetzlichen Naturgüter. Wer das Glück hat, den Raum um Gillenfeld "Heimat" nennen zu können, sollte sich als Hüter fühlen für eine Landschaft, die in Deutschland ihresgleichen sucht.