Daun, die Maare

und die Jugendbewegung

Heinz Reuter/Bodenbach

 

Wer die Eifel und die besondere Schönheit ihrer Natur kennt und liebt, wird es leicht verstehen, daß die Jugendbünde, seit es sie gibt, immer wieder von dieser herben Landschaft angezogen wurden. Bereits vor dem ersten Weltkrieg, als Wandervogelbewegungen entstanden, begann die Blütezeit der Jugendbünde, unmittelbar nach dem Ende des Krieges 1918/19. In den folgenden 20er Jahren unseres Jahrhunderts entstanden zahlreiche neue Jugendverbände, die sich in ihren Zielen und Programmen zum Teil beträchtlich unterschieden. Neben den reinen "Naturfreunden" - ein aus der sozialistischen Arbeiterbewegung hervorgegangener Jugendverband nannte sich ausdrücklich so - waren es vor allem die konfessionell orientierten Bünde, besonders im überwiegend katholischen Rheinland, die einen schnellen Aufschwung nahmen, damals streng getrennt in Jungen- und Mädchenvereinigungen. Eitel, Hunsrück und Westerwald waren die bevorzugten Wandergebiete dieser Jugendgruppen in Westdeutschland. An Auslandsreisen dachte damals noch niemand. Ein heute noch bestehender Bund nannte sich sogar nach seinem Gründungsort Neroth in der Nähe von Daun.

Der ebenfalls sehr aktive Bund "Neudeutschland" (ND), dessen Mitglieder sich aus der katholischen studierenden Jugend rekrutieren - 1919 in Köln gegründet - zählt zur Zeit mit seinen verschiedenen Gliederungen aller Altersstufen und Berufe mehr als 10000 Mitglieder. Der westdeutsche ND-Verband erwarb schon bald die Burgruine Neuerburg nahe der luxemburgischen Grenze und baute sie zu einer wohnlichen Jugendburg aus. Sie wird seitdem - unterbrochen nur in der Zeit des Dritten Reiches und des zweiten Weltkrieges -für Treffen und Tagungen ständig genutzt. Die Neuerburg wurde auch bald Ausgangs- oder Zielpunkt mehrtägiger Wanderungen durch die Eitel. Man ging "auf Fahrt" - natürlich zu Fuß. Die Landstraßen waren nur geschottert, nicht asphaltiert, an beiden Seiten von Obstbäumen gesäumt, so daß man im Sommer in der Hitze des Tages stets Schatten hatte und "im Vorbeigehen" auch noch Äpfel, Pflaumen oder Birnen fand. Autoverkehr gab es kaum, an manchen Tagen sah man nicht ein einziges Fahrzeug. Auf den Feldern ratterten keine Traktoren. Pferde, Ochsen und Kühe zogen gemächlich den Pflug, Wiesen und Getreidefelder wurden noch mit der Hand gemäht. Aber gerade diese von der Technik noch nicht eingeholte Natur wurde wegen ihrer Urwüchsigkeit gesucht, denn in den Städten hatte das Motorenzeitalter bereits voll Einzug gehalten.

Eines der bevorzugten Ziele dieser Jugendwanderungen waren die Maare bei Daun. Die Entfernung zwischen Neuerburg und den Dauner Maaren liegt, je nach Streckenwahl, zwischen 40 und 50 km. Wir - der Verfasser war als junger Gymnasiast oft dabei - brauchten dafür zwei bis drei Tage. Unterwegs wurde gezeltet. Jugendherbergen gab es in jenen Jahren'in der Eitel nur wenige, Camping war nicht einmal dem Namen nach bekannt. Die Zelte mußten aus einzelnen Dreiecksbahnen, die ausnahmslos aus alten Heeresbeständen stammten, zusammengeknüpft werden. Die Zeltplätze suchten wir uns selbst aus an Waldrändern oder Bächen; Verbotstafeln standen nirgendwo. Bei Regenwetter fanden wir in Scheunen Unterschlupf.

Von den drei Dauner Maaren wählten wir zum Zelten (damals war das dort noch erlaubt) meist das Weinfelder Maar, auch Totenmaar genannt. Wir waren hier fast immer unter uns, Massentourismus wie heute gab es noch längst nicht, an Segeln, Surfen oder gar an Motor- oder Segelfliegen dachte niemand. Vor allem wählten wir das Totenmaar wegen des uralten Kirchleins, in dem wir morgens oder abends kurze, aber uns sehr beeindrukkende Gottesdienste hielten oder gar, wenn ein Priester dabei war, die Eucharistie feierten.

Daun war damals weniger als halb so groß wie heute, die Fachwerkhäuser überwogen bei weitem. Wir machten hier unsere bescheidenen Einkäufe an Brot, Wurst, Margarine und Suppenwürfeln. Unser Verpflegungssatz durfte 1 Reichsmark pro Tag und Kopf nicht überschreiten. Dabei haben wir keineswegs gehungert, denn einmal sind die Preise von früher nicht mit denen von heute zu vergleichen, zum anderen bekamen wir von den Bauern meist Kartoffeln und Milch geschenkt oder bezalten dafür nur ein paar Groschen. Der Aufenthalt an den Maaren betrug mindestens zwei Tage, an denen wir über Gott und die Welt diskutierten, Sport trieben, schön geformte Lavabrocken sammelten oder einfach in der Sonne lagen und Lieder "zur Klampfe" sangen.

Die Jugendwanderungen zu den Maaren -meist verbunden mit einem Besuch der Abteien Himmerod und Maria Laach - wurden sehr schnell zu einem festen Bestandteil der jugendbewegten Eifelfahrten. Größere Gruppen zelteten am Schalkenmehrener oder Gemünder Maar, weil man dort auch Boot fahren und schwimmen konnte. Natürlich lockten auch die übrigen Maare im Raum Daun-Ulmen-Manderscheid als Ziele vieler Wanderungen, die manchmal zu echten geologischen Exkursionen wurden.

Das alles war nicht romantische Naturschwärmerei, sondern hat wesentlich zur leib-seelischen Formung der jungen Menschen und ihrer geistigen und charakterlichen Bildung durch das Gemeinschaftserlebnis in Gottes schöner Schöpfung beigetragen.