"DeKaul"
Ehemaliger Schwerspat-Bergbau bei Uersfeld
Dr. Reinhard Steffens, Berenbach
Im östlichen Teil des heutigen Kreises Daun befindet sich an der Straße Kelberg-Monreal-Mayen der rund 650 Einwohner zählende Pfarrort Uersfeld.
Der Boden in der Umgebung dieses Eifeldorfes birgt ein seltenes Mineral, das an vielen Stellen in Form weißer oder rosafarbener Steine zu Tage tritt und unterirdische Adern von bis zu vier Metern Dicke bildet. Es handelt sich um Baryt, auch Schwerspat genannt. Chemisch gesehen besteht dieses Gestein - je nach Reinheitsgrad -bis zu 95 % und mehr aus Bariumsulfat, einem schwerlöslichen Salz. Mit 4,5 g/cm3 (Eisen: 7,9 g/cm3) besitzt Baryt eine recht hohe Dichte, die auch den Namen Schwerspat erklärt. Pulverförmiges, reines Bariumsulfat findet Verwendung in der Farbindustrie. Weiterhin wird es als Füllstoff in der Papier-, Textil- und Kunststoffindustrie eingesetzt. In aufgeschlämmter Form wird Bariumsulfat auch heute noch bei der medizinischen Röntgen-Diagnostik als Kontrastmittel gebraucht. 1)
Anfänge des Abbaus
Angesichts der vielfältigen industriellen Anwendungsmöglichkeiten ist es nicht verwunderlich, daß bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts damit begonnen wurde, die Barytlagerstätten in der Nähe Uersfelds auszubeuten. Akten des Bergamtes Koblenz belegen, daß um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in den Gemeinden Uersfeld, Kötterichen, Horperath, Gunderath und Oberelz mehrere Grundstücke zwecks Ausbeutung an einen Baron von Lockkorst aus Wiesbaden verpachtet waren. 2)
Das erschürfte Material wurde per Fuhrwerk nach Cochem und von dort mit dem Schiff zu den Verarbeitungsstätten gebracht. Der Gewinn des Unternehmers betrug seinerzeit bis zu zehn Silbergroschen je Zentner Spat.
Der Abbau von Baryt auf der Grube Uersfeld hat wahrscheinlich in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen. Seit Generationen nennen die Bewohner Uersfelds dieses rund einen Kilometer westlich des Ortes gelegene Zechengelände einfach und trefflich "De Kaul". Hier hatte man damals zwei Spatgänge entdeckt, die den Namen "Altglücksgänge" erhielten. Der westliche Gang führte weißen, der östliche rosaroten Spat; beide von etwa einem Meter Dicke. Nach Erschöpfung des durch Tagebau gewinnbaren Baryts ging man zum unterirdischen Abbau über. Vom Tal des Kötteri-cher Baches aus wurde ein Stollen nach Westen getrieben, der bei 42 m bzw. bei 81 m die beiden genannten Gänge traf. Aufgrund zu geringer Ausdehnung der beiden Baryt-Adern kam der Abbau jedoch bald zum Erliegen. Der Stollen selbst war 1905 noch vorhanden und "größtenteils noch fahrbar". 3)
Die "Gewerkschaft Bergkrone"
In großem Rahmen begann der Abbau des schweren Minerals erst um die Jahrhundertwende, als die "Gewerkschaft Bergkrone" (Verwaltungssitz in Köln) das Schürfrecht erwarb. Zum Tiefbau in den beiden "Altglücksgängen" wurde auf dem späteren Zechengelände im Jahre 1904 ein Schacht angelegt. In zwanzig Metern Tiefe stieß man auf Baryt von sehr guter Qualität.
Ehemaliges Schwerspatwerk "Bergkrone"
Foto: F. J. Jax, Uersfeld
In einer Abschätzung des Spatvorkommens durch die Betreiber-Firma aus dem Jahre 1905 heißt es, daß mit einer täglichen Fördermenge von mindestens 100 t Rohspat gerechnet werde. Dieses stelle mit großer Wahrscheinlichkeit den Abbau für mehrere Generationen sicher. Außerdem seien noch unentdeckte Spatgänge in der näheren Umgebung zu vermuten. Bereits 1905 hatte sich der damalige Besitzer die Abbaurechte für das Gemeindeland der Orte Uersfeld, Gunderath, Sassen, Kötterichen, Höchstberg, Kaperich und Horperath vertraglich gesichert. Wenige Jahre später wurden Verträge mit weiteren Gemeinden abgeschlossen. Die jährliche Gesamtabgabe an jede einzelne Gemeinde betrug 250 (230) Mark. Diese Summe war jedoch erst zahlbar, wenn tatsächlich Spatvorkommen abgebaut wurden. 4)
Hinsichtlich des Absatzes von Baryt auf dem damaligen Weltmarkt heißt es in einem 1906 erstellten Gutachten der "Gewerkschaft Bergkrone": "Etwaige Besorgnisse wegen Mangel an Verkaufsaufträgen sind unbegründet; die Absatzmöglichkeiten nach dem Auslande, England, Rußland und Australien vornehmlich, sind andauernd unbegrenzt und im Inland steigt die Nachfrage nach Schwerspat stetig".
Der Schlußsatz des Gutachtens lautet: "Die Aussichten des Bergwerks bzw. der Gewerkschaft Bergkrone sind demnach recht günstig, zumal der Betrieb der Grube infolge des niedrigen Standes der Eifeler Arbeitslöhne und der geringen Verladekosten äußerst lohnend zu werden verspricht."
Arbeitsalltag im Schwerspat-Bergberg
Die nun folgenden Jahre wurden lohnend für das Uersfelder Bergwerk; nicht nur für den Besitzer, sondern auch für die Bevölkerung der umliegenden Dörfer. Wenn auch keine Spitzenlöhne gezahlt wurden und die Tätigkeiten auf der Zeche mühevoll und oft gefährlich waren, so fanden doch viele Einheimische hier Lohn und Brot. Vor allem konnten sie die bis dahin betriebene Landwirtschaft als zweites finanzielles Standbein weiterhin aufrecht erhalten. Die Belegschaft der "Bergkrone" nahm im Laufe der Jahre ständig zu. Im Jahre 1930 zählte sie neben einem geschulten Steiger 41 Personen. Rund zwanzig Jahre später waren bereits 71 Arbeiter und Arbeiterinnen dort beschäftigt. Nicht nur von Uersfeld und der näheren Umgebung, sondern auch von entfernteren Gemeinden wie Kalenborn oder Berenborn kamen Leute - teilweise zu Fuß - dorthin zur Arbeit.
Der gefahrvolle Alltag der Spat-Arbeiter war geprägt von gegenseitiger Hilfe und Rücksichtnahme. Jeder mußte sich voll und ganz auf den anderen verlassen können. Die feste Kameradschaft von damals hat sich bei vielen ehemaligen Kollegen bis auf den heutigen Tag erhalten. Auf der Grube gab es grundsätzlich zwei Arten von Tätigkeiten: Die bergmännische Arbeit untertage, sowie die für die Reinigung und den Weitertransport des geförderten Materials notwendige Aufbereitung übertage.
Bereits früh morgens um sechs Uhr fuhr die erste Schicht in den Schacht ein. Sie wurde um 14 Uhr von der Spätschicht abgelöst. 5) Man hatte, ausgehend vom senkrecht verlaufenden Schacht, in unterschiedlicher Tiefe horizontal verlaufende Gänge vorgetrieben, über welche die Spatadern erreicht werden konnten. Mit leistungsstarken Pumpen wurde das Grundwasser entfernt. Zur Erdoberfläche führende Bewetterungsschächte sorgten für ausreichende Frischluftzufuhr. Durch Sprengung wurde der Baryt abgelöst, in speziellen Loren zum Förderkorb geschoben und so innerhalb einer Ader im Kammerabbau-Verfahren allmählich von der unteren zur nächst höheren Etage hin abgebaut. Die Mächtigkeit der Spatgänge war sehr wechselhaft. Stellenweise betrug sie rund 4 m. Lohnend war der Abbau nur bis zu einer Mächtigkeit von 80 cm. Der Förderkorb brachte das Material an die Oberfläche, wo es von Verunreinigungen befreit wurde. Diese Aufbereitung geschah teilweise durch Waschen des groben Fördermaterials mit Wasser und anschließendem manuellem Auslesen minderwertiger Gesteinsbrocken. Zahlreiche Frauen übernahmen diese Tätigkeit. Der feinkörnige Baryt wurde mit Hilfe einer speziellen Setzmaschinenwäsche aufbereitet. Den gereinigten Rohstoff brachte man mit einer Drahtseilbahn zur 1,8 km entfernten Verladestation an der Bahnlinie Gerolstein - Andernach (unweit Höchstberg). Hier wurde er in Waggons verladen. Mit der Bahn nach Andernach und von dort mit dem Schiff zu den Verarbeitungswerken, das war der weitere Weg des schweren Minerals aus der Eifel. 6) Von der großen Gefahr, der viele Arbeiter täglich ausgesetzt waren, zeugen all jene Personen, die ihre Gesundheit oder gar ihr Leben auf der Zeche bei Uersfeld verloren. Infolge schwerer Arbeitsunfälle kamen dort folgende Männer ums Leben: 7)
Peter Emmerichs, Uersfeld
Peter Jax, Uersfeld
Johann Klasen, Uersfeld
Nikolaus Lanser, Uersfeld
Michael Mindermann, Uersfeld
Mathias Göbel, Kötterichen
Michael Rademacher, Kötterichen
Peter Meurer, Gunderath
Frauen bei der Schwerspataufbereitung.
Foto: W. Pulvermacher, Uersfeld
Stillegung des Bergwerkes
Die "Bergkrone" bei Uersfeld wurde im Jahre 1933 von der "Sachtleben AG" übernommen. Im November 1944 kam die Förderung infolge des Kriegsgeschehens zum Erliegen. Unter beträchtlichen Schwierigkeiten wurde die Grube in den Jahren 1947/48 wieder in Betrieb genommen.
Im Laufe der Nachkriegsjahre nahm die Spat-Förderung ständig zu. Sie erreichte 1963 mit 28 343 t ihren Höhepunkt. Durch den verstärkten Abbau schwanden jedoch auch die in großer Tiefe erschließbaren Vorräte rasch. Als eine neue, auf der Gemarkung Kötterichen errichtete Schachtanlage keine zufriedenstellenden Erfolge brachte, entschloß sich die Konzernleitung die Spatförderung aufzugeben und die Grube "Bergkrone" stillzulegen; bis auf acht Mann, welche die Stillegungsarbeiten durchführten, kündigte die "Sachtleben AG" der gesamten Belegschaft zum 30. April 1967. Am 30. Juni 1967 wurde das Bergwerk endgültig stillgelegt. 8) Viele Grubenarbeiter verloren die nahegelegene Arbeitsstelle, auf der ihre Väter und Großväter den Lebensunterhalt verdient hatten. Auch die Gemeinde Uersfeld wurde durch die Schließung des Bergwerkes hart getroffen. Steuereinnahmen, die zuvor reichlich flössen, fielen ab dem Jahre 1967 weg. Heute erinnern nur noch die stattliche Direktorenvilla (erbaut 1921) an der Straße Uersfeld-Kötterichen, sowie einige Ruinen und Abraumhalden an die einstige Schachtanlage.9'
Die Anlage auf der Gemarkung Kötterichen wird zur Trinkwassergewinnung durch das Kreiswasserwerk Cochem-Zell genutzt.
Der Vollständigkeit halber muß erwähnt werden, daß in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in geringem Maße auch bei Berenbach, Müllenbach und Hünerbach Baryt-Abbau betrieben wurde.
Mein Dank gilt all denjenigen Personen, die durch ihre bereitwillige Information einen wichtigen Beitrag zum Zustandekommen dieses Artikels geleistet haben.
Quellen:
1) Römp: Chemielexikon (1979)
2) Beschreibung Rheinland-Rälzischer Bergamtsbezirke Band 4, Bergamt Koblenz (1979)
3) Gutachten über das der Gewerkschaft "Bergkrone" in Gehren gehörige Schwerpatbergwerk "Uersfeld" (1905)
4) Akten der Verbandsgemeinde Kelberg (1897 -1918)
5) Verbandsgemeinde Kelberg: Damals um den Hochkelberg (1980)
6) Beilage zu Heim und Werk (Sachtleben AG): Die "Bergkrone" bei Uers-fekiefel(1953)
7) Die Aufstellung wurde nach Angaben von ehemaligen Arbeitern der Schwerspatgrube bei Uersfeld erstellt. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
8} Kreisverwaltung Daun: Bilder aus vergangenen Tagen (1985)
9} Heimatjahrbuch Kreis Daun: Kulturgüter im Landkreis Daun für heute und morgen uns anvertraut (1989)