Hab oft im Kreise der Lieben .

Betrachtung zur Geschichte des Chorgesangs

Anton Sartoris, Immerath

 

Die Verse des Dichters Adalbert v. Chamisso, vertont vom "Schwäbischen Liedermeister" Friedrich Sucher, haben sicherlich schon bei mancher Zusammenkunft von Sängerinnen und Sängern in die rechte Stimmung nach des Tages "Arbeit und Mühen" versetzt; sie waren und sind Trost in schweren Stunden. Friedrich Sucher, dessen 200. Geburtstag wir in diesem Jahre begehen können, (1789-1860), hat die schlichte, sinnvolle Weise dazu geschrieben. Er war der große Volksliedsammler und -bearbeiter, der es verstand, das Lied möglichst in seiner ursprünglichen Melodie zu erhalten. Gerade für kleinere Chöre, wie sie bei uns meistens bestehen, sind diese Werke besonders geeignet.

Zur Entwicklung des Chorgesangs im Ei-felraum möchte ich Auszüge aus meinem Bericht wiedergeben, der 1978 in der Zeitschrift des Eifelvereins erschien - das Thema war "Eiflia non cantat"; die Eifel singt nicht. Mir geht es heute um "cantat", ums Singen.

Für das späte Mittelalter wird man dem Ausspruch "Eiflia non cantat" in etwa zustimmen können. Wenn K. H. Bodensiek jedoch schreibt: "Zu jenem Zeitpunkt hatte die Eifel also singen gelernt" und meint damit die Mitte der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts, so trifft das nicht zu. Es wurde schon viel früher in der Eifel gesungen, wenn auch nach dem 1. Weltkrieg und in den zwanziger Jahren hier viele Gesangvereine entstanden. Oft, viel und gerne wurde auch über das Singen der Eifeler in ihren Spinn- und Webstuben beim abendlichen Kerzenschein berichtet.

Dies meist aus dem vorigen Jahrhundert bis in die Jahre vor dem 1. Weltkrieg.

Nach dem Vorbild der ersten Männer-Chor-Liedertafel, die Zelter in Berlin 1810 gründete, entstanden in der Eifel, wenn auch Jahre später, viele Männer-Gesang-Vereine.

So besteht der Männer-Gesang-Verein (Kürzung "MGV") in Hillesheim seit 1839 und ist der älteste im heutigen Sängerkreis Daun. Er kann in diesem Jahre sein 150jähr. Bestehen feiern. Der MGV Bitburg wurde im Jahre 1842 gegründet, der MGV Daun 1850, der Wittlicher MGV 1852, der MGV Gillenfeld 1875, der MGV Prüm (heute mit Frauenchor) 1879 und der MGV Gerolstein wurde 1887 gegründet. Sein 100jähr. Bestehen feierte er im Mai 1987 mit einem großen Chor-, Solisten- und Orchester-Konzert in würdiger Weise.

Zu Beginn dieses Jahrhunderts entstanden die Chöre in Pantenburg 1912, der "Frohsinn" Hetzhof 1911 und das Männer-Quartett Wittlich 1906. Nach dem 1. Weltkrieg, in den zwanziger Jahren, entstanden auch in unserem Sängerkreis verschiedene Gesangvereine, so in Mehren ein starker Männerchor, der von Lehrer Schneiders geleitet wurde. Nach dessen Versetzung übernahm Lehrer Schlömer die Leitung. Ebenfalls bestand ein MGV in Steiningen-Steineberg mit über 30 Sängern; in Schönbach, in Lissingen, Müllen-born und Steinborn. Der 2. Weltkrieg riß manche Lücke in die Sängerreihen und ist wohl der Hauptgrund, weshalb diese Chöre heute nicht mehr bestehen.

Daß bereits vor dem 1. Weltkrieg bis zurück in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine recht intensive Sangespflege im Eifelraum geübt wurde, beweist auch die Tatsache, daß bereits im Jahre 1911 ein "Eifeler Sängerbund" bestand. So ist das erste und wohl bekannteste Eifellied "Romantische Eifel des Rheinlandes Zier" diesem Sängerbund gewidmet und trägt in der Original-Partitur folgende Widmung: "Dem ' Eifeler Sängerbund und seinem Dirigenten Herrn Joseph Dirks zur Erinnerung an das erste Bundesfest in Hellenthal am 18. Juni 1911." Es heißt dann weiter: "Die Widmung des Chores wurde in der Präsidialsitzung vom 12. März 1911 offiziell entgegengenommen und die Komposition als Bundeslied bestimmt." Die Partitur hat den Titel "Eifel-lied", der Eifel zum Preise, gedichtet und komponiert von Franz Wildt op. 79. Es ist damals erschienen im Musikverlag Hans Keßler in Trier, wo es auch heute noch erhältlich ist. Dieses Lied ist im Laufe der Jahre zur Eifeler "Nationalhymne" geworden. Franz Wildt war ein bekannter Komponist, er gründete später den "Wildt's Musikverlag" in Dortmund. Ich möchte hier noch weitere Eifellieder erwähnen und zwar: "Frisch auf zu rüstgem Wandern" von Paul Mania; "O Lust das Äug' zu laben" von Edmund Scharbach. Nach dem 2. Weltkrieg komponierte Bernhard Lemling aus Sülm, Kreis Bitburg, das Eifellied "Heimatland".

Dieses Lied ist im Eifelraum weit verbreitet und wiederholt im Südwestfunk gesendet worden, es ist nicht im Druck erschienen. Vom selben Komponisten gibts zwei weitere Eifellieder: "O Eifelland" und "Eifel-Wanderlied". Im Buch "Eifelland in frohem Sänge", herausgegeben zum 25. Todestag von Bernhard Lemling am 27. Januar 1986, sind Kompositionen für gemischten Chor, Männerchor, gleiche Stimmen, Singstimme und Klavier, Blasinstrumente und Orgel zusammengestellt vom Sohn, Alois Lemling. Das neueste und jüngste Eifellied ist die 1977 erschienene Komposition "Eifel-Hymne" von Hanns Kleinertz-Rheinbach, die dem Eifel-Verein gewidmet ist. Die Eifeler sangen und singen also schon lange, nur machten sie in ihrer angeborenen Bescheidenheit kein großes Aufsehen davon.

In meinem Heimatort Immerath bestand ebenfalls seit 1890 bis zum 1. Weltkrieg ein Männer-Gesangverein. Der örtliche Lehrer war Dirigent, wie's damals selbstverständlich war. Und es wurde gut gesungen. Ein Onkel von mir konnte im Jahre 1924 und später, als wir die Neugründung eines Männergesangvereins vornahmen, noch von mehreren Liedern fast alle Stimmen vorsingen. Er muß ein guter Sänger gewesen sein, wie auch sein Nachbar Johann Lehnen. Der versäumte fast nie eine Gesangstunde, trotz vieler Arbeit im damals wohl größten Betrieb im Ort. In seinem Eifer sang er einmal, - statt die Zeit, drei Viertelschläge zu halten - "o Röslein 1, 2, 3,", so wie es Lehrer Grames beim Einüben vorgesungen hatte, zur großen Heiterkeit von Sängern und Dirigent. Es war das Lied "Es liegt ein Weiler fern im Grund" mit dem Schluß "o Röslein rot, o Röslein schön".

So viel zum weltlichen Singen in der Eifel. Im kirchlichen Bereich ist ebensoviel Aktivität festzustellen und dies schon recht früh, um die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Das Bischöfl.-General-Vica-riat in Trier gab im Jahre 1872 ein "Gesang- und Gebetbuch" für vier Singstimmen und Orgel" heraus, bearbeitet von Domorganist Michael Hermesdorff. Auch die kleineren Kirchenchöre hatten ihren Bestand. In einer älteren Heimatschrift wird von Pfarrer Ost aus Demerath berichtet: "Er komponierte Messen zum Hausgebrauch". Es heißt dann weiter: "... es wird vor hundert Jahren nicht häufig gewesen sein, daß ein Pastor zum Hausgebrauch für seinen Kirchenchor Messen komponiert hat". Ost war nicht nur Geschichtsforscher, er war auch Komponist. Er hat drei Messen und einige Motetten geschrieben und sie auch drucken lassen. In einem Vorwort schreibt er: "Ich schrieb zunächst für den sonn- und festtäglichen Gottesdienst meiner Pfarrei. Die theils vorhandenen, bald zu erlangenden Singkräfte mußte ich daher strenge berücksichtigen. Ich wählte eine dreistimmige Bearbeitung. Der Sopran ist berechnet für die im Singen geübtesten Schulkinder, der Tenor für etwas erwachsene Jünglinge, der Baß fürdie Männerstimmen, - Die gedruckten lateinischen Messen aus alter und neuer Zeit, meistens geschrieben für Domkirchen und fürstliche Capellen oder für tüchtige, gut besetzte Chöre, sind von den Sängern meiner Pfarrei, wie auch von den Singchören vieler hundert anderer Pfarrkirchen gänzlich unausführbar und werden es noch lange bleiben. Einem allgemeinen Suchen nach Leichterem will diese meine Arbeit entgegen kommen, dann auch ein Scherflein hingeben zur Ehre des Allerhöchsten. Weitere Ansprüche macht sie nicht. 20. August 1856, Pfarrer Ost." -Soweit der Bericht. Pastor Ost wirkte im Demerath von 1851 bis 1869.

Auch verschiedene Kirchenchöre in unserm Raum konnten in den letzten Jahren auf ein 1OOjähriges Bestehen zurückblikken.

Zur derzeitigen Situation im Sängerkreis Daun kann festgestellt werden, daß im weltlichen wie im kirchlichen Bereich eine rege Singetätigkeit herrscht und alle Chöre um ein gutes Niveau, textlich wie musikalisch, bemüht sind. Man verschließt sich durchaus nicht modernen Chorsätzen, doch "Hypermodernes" findet nicht viel Anklang.

Bei Vereinsjubiläen treffen sich Chöre im freundschaftlichen gesanglichen "Wettstreit", die zum vergleichenden Können Anregung und Ansporn geben. Wenn diese Veranstaltungen vereinzelt noch in Zelten stattfinden müsse, gibt es doch viele Gemeinden, die entsprechend große Räume, Mehrzweckhallen, gebaut haben und den Chören zur Verfügung stellen können. So finden oft recht gute, anspruchsvolle Chor-Konzerte statt. Ebenso erfreulich ist es, daß in den letzten Jahren, vor allem in der Advents- und Weihnachtszeit Kirchen-Konzerte stattfinden, wobei sich einige Chöre zusammenfinden.

Als eine Art gegenseitiger Unterstützung sind die seit Jahren von den Chören veranstalteten "Liederabende" zu werten. Sie sind auch erst möglich, seit entsprechende Säle zur Verfügung stehen. Der veranstaltende Chor lädt einige benachbarte oder befreundete Chöre ein, oft übernimmt der Gastgeber den Wirtschaftsbetrieb, so daß außer dem geselligen, sangesbrüderlichen Kennenlernen auch die Kasse des Vereins die notwendige Stärkung erhält.

Anerkennend sei gesagt, daß unsere kommunale Verwaltung in finanzieller Hinsicht eine offene Hand für kulturelle Belange hat. Das ist nötig, denn Gesangvereine haben nicht wie zum Beispiel Sportfreunde mit ihren Wochenendveranstaltungen einen festen Platz in der Tagespresse. Da müssen Sänger und Vorstandsmitglieder selbst aktiv werden und ihre Veranstaltungen und damit verbundene Anliegen ins rechte Licht rücken. Manchmal zeigt so etwas Wirkung.

Unser jüngster Chor im Sängerkreis Daun, der "Gemischte Chor Dockweiler", veranstaltete anläßlich seines zehnjährigen Bestehens eine "Woche des Chorgesanges" im September 1988 in der Mehrzweckhalle in Dockweiler. Besonderes Gewicht gab der jugoslawische Chor "Gemischter Chor Kastela", er ist mit dem Dockweiler Chor befreundet; es war das zweite Internationale Sängertreffen im Ort. Sänger aus Belgien und Luxemburg kamen, der amerikanische "Gospel-Chor" vom Flugplatz Bitburg, der MGV "Edelweiß" aus Kell bei Andernach.

Die Chöre Kastela und Dockweiler sangen gemeinsam zwei Lieder, eine jugoslawische Volksweise, in der Landessprache vorgetragen, ein deutsches Volkslied und da hatten sich die Gäste in Deutsch gut vorbereitet.

Im Rahmen der Chorwoche fanden der Kreis-Chortag und das Landesjugendsingen des Sängerbundes Rheinland-Pfalz statt; 24 Kinder- und Jugendchöre kamen in die Eifel.

Im Grußwort zu dieser Chorwoche schrieb Sängerkreisvorsitzender Klaus Hein: ". . .

der Gemischte Chor Dockweiler hat in den zehn Jahren seines Bestehens Erstaunliches fertiggebracht. Er nimmt im Sängerkreis Daun eine wichtige Position ein. In diesem Jahrzehnt hat der Verein es gewagt, neue Wege der Chorarbeit und des Vereinslebens zu gehen, das gute Alte zwar zu bewahren, sich aber von erstarrten Traditionen zu befreien. Der Verein ist jung geblieben, hat Kinder und Jugendliche einbezogen, Begeisterung und Leistungsbereitschaft geweckt und Freude am Gesang mit geselligem Miteinander verbunden."

Es sei noch erwähnt, daß auch andere Chöre unseres Sängerkreises Beziehungen mit ausländischen Chören pflegen. Das Singen in anderer Sprache ist durchaus üblich, auch Chöre fremder Länder singen deutsche Lieder, eine gute Sache, die verbindet. Es darf jedoch nicht sein, daß deutsche Chöre ihre Aufgaben vernachlässigen. Beim Bundesfest des Sängerbundes in Berlin 1976 kam von keinem deutschen Chor der "Sängergruß". Die "Tokioter Liedertafel" aus Japan ließ bei der Schlußkundgebung in der Deutschlandhalle aufhorchen, die Söhne Nippons sangen...."grüß Gott mit hellem Klang, heil deutschem Wort und Sang!" Das machte nachdenklich.