Volks- und Viehzählung in der Eifel

Theo Pauly, Gerolstein

 

Volkszählungen kennt man seit biblischen Zeiten, heute kommt man ohne sie offensichtlich gar nicht mehr aus. Sie werden mit hohem finanziellen Aufwand betrieben, aber auch von einzelnen Bürgern und Bürgergruppen abgelehnt und boykottiert. Eine interessante Volks- und Viehzählung fand ausgangs des 18. Jahrhunderts in den Grafschaften Kerpen und Kasselburg statt. Paul Hilgers aus Aachen hat im Jahre 1987 eine "Abschrift der im herzoglich arenbergischen Archiv zu Edingen/Enghien (Belgien) unter der Archiv-Nummer 1677/D 3329 beruhenden Handschrift" angefertigt, die den Titel trägt: "Beschreibung aller Unterthanen deren beyden Graffschafften Kerpen und Casselbourg -Geschehen Anno 1783".

19 Ortschaften (Örther) gehörten damals zu diesen "beyden Graffschafften" mit insgesamt 462 Häusern (Häußer), 521 Haushaltsvorständen (Inwohner) und 1 500 Kindern (770 Buben, 730 Mädgen); dazu kamen 165 "Dienstbotten" (81 Knecht, 84 Mägdt). Aufgelistet sind die "Inwohner" namentlich mit Angabe des Alters, der Religionszugehörigkeit, des "Standes" (Ehemann / Wittwer / Wittib / Geistlicher / Loßle-dig), "von Waß sie sich ernähren", wievi-le "Dienstbotten" sie haben, unterteilt nach "Knecht" und "Mägdt", wieviel "Hörn- und anderes Vieh" sie besitzen (Schaaf, Kühe, Ochßen, Stier), wieviel "pferdt" (Hengst, Studen, Wallach), aber auch das "Condui-e oder Betragen" der Haushaltsvorstände. Dabei wird das Betragen des einen als "sittsam" bezeichnet, das der anderen (der meisten!) als "gutt" oder auch "nicht zu ruehmen"; vom einen heißt es, er sei ein "unruhiger Mann", vom anderen, er sei ein "sehr gutter Mann", bei dem einen ist vermerkt "Karthet gern" oder "hatt verdächtigen Nahmen", beim anderen "im Hauß ein Zancker" oder gar "schlechter Haußhal-ter", "Säufter", "Verdächtig". Wer hat da wohl Sittenrichter gespielt? Etwa derjenige, der die Handschrift anfertigte, der "Geistliche" oder der "Schultheiß"? Wir haben es heute gut, sind wir in den meisten Fällen doch nicht mehr auf Referenzen x-beliebiger Leute angewiesen; es genügt das "Polizeiliche Führungszeugnis". Bis auf zwei "Juden", von denen einer in "Dreyss" und einer in "Dockweiler" wohnte, beide ihres Zeichens Metzger, und die sich ausschließlich von ihrem "Handtwerck" ernährten, waren alle "Inwohner deren beyden Graffschafften Catholisch". Der größte Ort innerhalb der Grafschaften war Pelm mit 47 Häusern und 62 Haushalten. 159 Kinder gab es zur Zeit der Erhebung hier, davon 80 "Buben" und 79 "Mädgen"; ein ausgewogenes Verhältnis! 4 "Knecht" und 7 "Mägdt" waren in Pelm "Dienstbotten"; 48 Pferde wurden gehalten, 482 Schafe, 136 Kühe und 39 "Ochßen". Die Schafhaltung schien damals in der Eifel eine große Rolle zu spielen. In den 19 Ortschaften wurden insgesamt 4718 Schafe gezählt, dagegen nur 1 722 Kühe, 158 Ochsen als Zugtiere und 16 Stiere.

Der kleinste Ort war damals der heute in Üxheim eingemeindete Ort Nollenbach mit einem Haus, zwei Haushaltungen, sechs Kindern (2 Jungen, 4 Mädchen), einem Pferd und zwei Kühen. Außer einer Stute wird kein anderes Vieh in Nollenbach aufgeführt, nicht einmal ein Schaf.

Die Vermögensverhältnisse der Mehrzahl der Familien (267 von 511) werden mit "mittelmäßig" bezeichnet, 108 werden als "reich", 158 als "arm" ausgewiesen. Die prozentual meisten "Reichen" gab es in"Zylsdorff" mit 6 von 11 (54,5 %), gefolgt von Walsdorf mit 4 von 11 (36,6 %) und Udelhoven mit 13 von 38 (34,2 %). Die prozentual meisten "Armen" fanden sich in "Nider Ehe" mit 21 von 40 (52,5 %), gefolgt von Flesten, 2 von 4, und Nollenbach, 1 von 2, mit jeweils 50 % also. Die prozentual meisten "Mittelständler" sind aufgeführt in Brück mit 3 von 4 (75 %), gefolgt von "Ahehütte" mit 16 von 23 (69,5 %) und "Loghe" mit 6 von 9 (66,6 %):

Die meisten Schafe wurden in "Dreyss" gehalten (641), gefolgt von Udelhoven (630) und Leudersdorff (498); die meisten Kühe gab es ebenfalls in "Dreyss" (254); gefolgt von Dockweiler (160) und Leudersdorff (142). Die meisten Pferde hielt man in Pelm (39), Gees (14) und Dockweiler (12). Legt man jedoch die verschiedenen Vieharten, und hier das reine Nutzvieh, nämlich Schafe und Kühe, auf die Einzelhaushalte um, so ergibt sich, daß die meisten Schafe je Haushalt in Üxheim mit 20 gezählt wurden, gefolgt von "Heyger Rodt" mit 19 und Udelhoven mit 16. Überhaupt keine Schafe gab es in "Loghe", Flesten und Nollenbach. Die meisten Kühe pro Haushalt wurden gezählt in "Zylsdorff" mit 8, "Waldsdorff" mit 6 u. "Dreyss" mit 5.

Das am meisten ausgeübte "Handt-werck" war "Schuster" (20 x), gefolgt von "Leineweber" (17 x), "Schmitt (dt)" (17 x), davon einer "Schmitt und Wagener", "Koller" (13 x; 11 x in Gees, 2 x in Pelm), "Schneider" (12 x), "Müller" (9 x, davon 1 x "Müllermeister), "Maurer" (5 x), "Metzger" (4 x), "Wollspinner" (3 x), "Waßenmeister" (2 x), "Wüllenweber" (2 x), "Postmacher" (2 x), "Sattler" (2 x), "Wagener" (2 x), "Faßbinder" (2 x), "Schreiner" (2 x), je 1 x "Bauer", "Bückdenschäfter", "Cobailtszinner", "Drucker", "Fenstermacher", "Hammer-schmitt", "Jäger", "Malermacher", "Musi-cant", "Nagelschmitt", "Spengeler", "Strohdecker"". Fast alle betrieben ihr "Handtwerck" neben dem "Ackerbau", lediglich ein "Schmitt", der "Drucker" und der "Spengeler", alle aus Kerpen lebten ausschließlich von ihrem Handwerk, ebenso zwei "Müller" in "Nider Ehe" und einer in "Loghe", je ein "Schuster" in Dockweiler und Üxheim, die beiden "Metzger", zwei "Koller" sowie ein "Fenstermacher" in Gees, ein "Nagelschmitt" in Pelm, ein "Waßenmeister" in Nollenbach, ein "Steinhauer" in Leudersdorf, ein "Maurer" in Udelhoven und ein "Schneider" in Üxheim. Vereinzelt verdienten sich Leute ein Zubrot mit "Bedienung", "Krämnerey", "Handtarbeith", durch "Brennen von Branntwein" oder "Gotasch"; einen "Tagelöhner" gab es in "Dreyss", einen "Förster" in "Nider Ehe", einen "Gerichtsbott" in "Leudersdorff" und insgesamt neun "Wirthe", davon je zwei in "Nider Ehe", "Dreyss" und "Leudersdorff"; einer davon in "Dreyss" brannte auch gleichzeitig seinen Schnaps. Der "Wirth" aus "Ahehütte" war gleichzeitig "Gotaschbrenner".

Unter den meisten Handwerksbezeichnungen können wir uns noch etwas vorstellen, wenn auch viele dieser Berufe heute nicht mehr existieren, was aber ein "Bückdenschäfter" war, ein "Cobailtszinner", ein "Malermacher", kann ich nur vermuten, nicht erklären. Insgesamt gibt diese "Beschreibung aller Unterthanen deren beyden Graffschafften Kerpen und Casselbourg" aus dem Jahre 1783 ein aufschlußreiches Bild über das Leben unserer Vorfahren in der damals doch recht kargen Eifel, in der die Bewohner ausnahmslos "Unterthanen" irgendwelcher Feudalherren waren.