Steinkohlen aus der Eifel

Heinz Kowalski, Moers

 

Die Jahrhunderte alte Eisengewinnung in der Eifel hätte vermutlich bis zum Beginn der Gegenwart überleben können, wenn durch Steinkohlenvorkommen in der Eifel die Ungunst der geographischen Lage und die schlechte Verkehrsanbindung gemildert worden wären. Als die in den Eifeler Hüttenwerken ausschließlich verwendete Holzkohle in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts immer knapper und teuerer wurde und Fortschritte in der Hüttentechnik einen immer stärkeren Konkurrenzdruck ausübten, hätte durch den Einsatz nahegelegener Steinkohle der Niedergang der Eifeler Eisenhütten und ihr Abwandern in wirtschaftlich günstiger gelegene Räume vermieden werden können.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß in der Eifel wiederholt Versuche unternommen wurde, Steinkohle aufzufinden. Schon 1809 hatte M. F. Timoleon Calmenet das Problem erkannt, wenn er in seiner "Statistischen Beschreibung der mineralischen Reichthümer des Departements von Rhein- und Mosel" schreibt: "Der gemeine Haufen... weis nicht, daß in dem gegenwärtigen Augenblicke, wo die Waldungen von Holz entblößt sind, eine Steinkohlen-Mine für das Department unendlich weit kostbarer (als ein Goldbergwerk, d. Verf.) seyn und daß derjenige, der eine solche entdeckte, dem Lande einen unschätzbaren Dienst erweisen würde". Er ermunterte zu weiterer Suche mit dem Rat, nicht im "angeschwemmten Erdreiche..., welches keine Steinkohlen umfaßt, nach denselben zu graben." Man kann in der Tat sagen, daß die Auffindung von Steinkohle im Eifelraum zur damaligen Zeit für die wirtschaftliche Entdekkung der Region von größerer Bedeutung gewesen wäre, als die Entdeckung eines Goldvorkommens.

Abb. 2. Steinkohlenwald - Lebensbild nach H. POTONIE 1899.

Links: Schuppenbäume (Lepidodendron), Baumfarn, kletternde Famsamer.

Mitte rechts: Calamitenröhricht.

Rechts: Cordaiten- und Siegelbäume (Sigillaria), Farnsamer.

Das Interesse der Fachleute regte sich, als 1865 der Bonner Geheimrat und Oberberghauptmann von Dechen (1800 -1889) in einer Versammlung des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens einige Stücke schwarzen, kohlehaltigen Schiefers aus dem Unterdevon der Umgebung von Bir-resborn vorlegte. Die chemische Untersuchung zweier Proben ergab jedoch nur Gehalte von 19,8 bzw. 20,12 % brennbarer Bestandteile. Danach stand fest, daß es sich weder um Steinkohle noch um Anthrazit handelte, sondern lediglich um kohligen Schiefer, der als Brennmaterial nicht zu verwenden war.

Schon vorher hatten ähnliche schwarze Schiefer wiederholt Steinkohle vorgetäuscht und zu Schürfungen Anlaß gegeben, so bei Münstereifel, Lier/Ahr, Neichen, Katzwinkel und Mehren. Anfang der neunziger Jahre schien man endlich fündig geworden zu sein. Zeitungen berichteten über Funde anthrazitischer Steinkohle im Unterdevon der Umgebung von Daun. Das Kohlevorkommen sollte sich durch eine abbauwürdige Mächtigkeit (Dicke) auszeichnen und auf 3/4 Meilen zu verfolgen sein. Dies erregte natürlich die Gemüter und ließ Spekulationen wild ins Kraut schießen. Gegen 15 Schürfungen wurden an verschiedenen Stellen vorgenommen. In einem Schürf bei Neroth stieß man in 4,5 m Tiefe auf ein 40 cm mächtiges Flöz "thoniger Kohle". Auch zwischen Neichen und Katzwinkel wurden erneut Sondierungen vorgenommen, nachdem dort schon in den zwanziger Jahre Versuchsstollen auf bituminöse, kohlige Schichten geprüft wurde. Damals sollen Schmiede das geförderte Material erprobt haben, deren Ergebnis "den Glauben bestärkten, daß in größerer Tiefe ein nützliches Brennmaterial sich vorfinden könnte." (Nöggerath: Das Gebirge in Rheinland-Westphalen nach mineralogischem und chemischem Bezüge - Bonn 1822).

Teaniocrada decheniana (Goeppert) - Rekonstruktion nach Kräusel & Weyland 1930.

Bei Neunkirchen, wo die Verhältnisse am günstigsten erschienen, begann man einen Schacht abzuteufen und stieß auf zwei schwache, fast saiger (senkrecht) stehende Lagen von "Kohle", die sich in 9 m Tiefe zu einem 75 cm mächtigen Flöz vereinigten. Man schwelgte in Hoffnung und grub weiter, bis sich in 14 m Tiefe das Flöz wieder in zwei Bänke von 30 und 50 cm Mächtigkeit aufspaltete, die durch ein 20 cm dickes Schiefermittel getrennt waren. Der Traum war jäh zerronnen und jede Hoffnung auf Bergsegen erlosch, als das Ergebnis der chemischen Analysen aus Berlin eintraf. Mit einem Kohlegehalt von nur 50,18% war das Material noch immer viel zu aschereich, um als Brennstoff Verwendung zu finden. Solche Materialien wurden in den Steinkohlerevieren an Ruhr und Saar mit "Kohlen- oder Brandschiefer" bezeichnet und als qualitätsmindernd aussortiert. Lediglich der Schmied zu Neroth soll aus dem am Talgehänge der Kleinen Kyll zutage tretenden dünnen Flözchen zeitweise Material gewonnen und als Zuschlag zum Schmiedefeuer benutzt haben, um auf diese Wiese Koks und damit Geld zu sparen. Heute weiß man, daß die "Eifeler Steinkohlen" zu keinem Zeitpunkt abbaufähig gewesen sind. Das hängt wesentlich damit zusammen, daß weder Ausgangsmaterial noch Bildungsort geeignete Voraussetzungen dafür boten.

 Schichten (Unterdevon), Daun, Mühlenberg.

Die reichen Kohlevorkommen an Saar, Ruhr und im Aachener Raum sind die Umwandlungsprodukte ausgedehnter, üppiger Urwälder, die mit bis zu 35 m hohen Bäumen und einem dichten Unterwuchs aus metergroßen Schachtelhalm und farnartigen Gewächsen sumpfige Niederungen des Binnenlandes oder ausgedehnte Streifen flachmoorartigen Küstenlandes meilenweit bedeckten.

Die Kohlenschiefer des Eifeler Unterdevons hingegen entstanden im Meer. Ihr Ausgangsmaterial wurde auch nicht von einer Vielzahl von Bäumen und Sträuchern gebildet, sondern im wesentlichen durch örtliche Zusammenschwemmungen schmaler, tangartiger Blätter einer einzigen Pflanzenart, die von den Geologen als Taeniocrada decheniana bezeichnet wird.

Es war dies eine im flachen, küstennahen Meerwasser untergetauchte, lebende Wasserpflanze, die stellenweise so massenhaft auftrat, daß sie dichte Bestände bildete.

Taeniocrada decheniana wurde bereits in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts von dem Breslauer Paläöobota-niker Heinrich Robert Goeppert (1800 -1884) beschrieben, aber lange Zeit irrtümlich für eine Meeresalge gehalten.