"Tafel, Griffel, Rutenstock

Franz Josef Ferber, Daun

 

Gewiß erinnern wir uns noch an die vielen seltsamen Dinge, die Lebensmittelkarten, den selbstgebauten Schnapsbrenner, den Schmuggler mit dem Schmuggelbaum und an das vollgummibereifte Fahrrad, um nur diese wenigen Beispiele zu nennen. Sie standen von November 1983 bis Januar 1984 im Kreishaus in Daun, waren Exponate der Wanderausstellung "Notjahre der Eifel 1944 bis 1949", die vom Arbeitskreis Eifeler Museen (AEM), dessen Mitglied die Kreisverwaltung Daun ist, präsentiert wurde. Drei Jahre später war der Gerolsteiner Rathaussaal mit Gegenständen aus dem bäuerlichen Umfeld bestückt, der Wanderausstellung "Dünnbeinig mit krummem Hörn. Die Geschichte der Eifeler Kuh oder der lange Weg zum Butterberg", ebenfalls ein Werk dieses Arbeitskreises.

Nach dreijähriger Vorarbeit haben uns die rührigen Arbeitskreismitglieder wieder etwas Besonders zu bieten; ihre dritte Wanderausstellung "Tafel, Griffel, Rutenstock, 150 Jahre Eifeler Volksschulleben". Am 12. November 1989 wurde sie im Kreismuseum in Blankenheim eröffnet. Danach wanderte sie nach Daun, ins Kreishaus, der ersten Station in Rheinland-Pfalz. Dort ist sie am 19. Januar 1990 eröffnet worden. Zahlreiche Gäste waren hierzu eingeladen. Landrat Karl-Adolf Orth begrüßte sie, besonders den Staatssekretär im Mainzer Kultusministerium, Erwin Heck, den Vorsitzenden des AEM, Museumsleiter Klaus Ring und seine Mitarbeiterin Margitta Breuel, die für die Ausstellungskonzeption und die wissenschaftliche Bearbeitung verantwortlich ist. Am 7. März wurde die Ausstellung in Daun abgebaut und weitertransportiert; an mindestens dreizehn Ausstellungsorten, darunter in Ostbelgien, wird sie zu sehen sein.

Zur Ausstellung ist (bei Warlich-Druck, Mekkenheim) ein begleitendes Buch erschienen. Die Autoren behandeln darin zeitlich die eineinhalb Jahrhunderte, die zwischen der Übernahme des rheinischen Raumes durch den preußischen Staat 1815 und dem Beginn des "Volksschulsterbens" ab 1965 liegen. Dabei beschränken sie sich keineswegs auf rein schulgeschichtliche Abhandlungen; wirtschafts- und sozialhistorische Aspekte werden genauso einbezogen wie Brauchtum, religiöses Leben, dörfliche Alltagswelt und zeitgeschichtliche Ereignisse. Das Buch ist in den Ausstellungen und im Buchhandel zu kaufen. Es enthält eine Fülle interessanter Informationen, die uns heute geradezu unglaublich erscheinen. Einige Beispiele seien hier genannt: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war in der Regel der Schweinehirt eine weit geehrtere Person im Dorf als der Lehrer. Wegen der weit verbreiteten Armut mußten die Kinder in der Landwirtschaft mitarbeiten; die Schule wurde von den Eltern -besonders für Mädchen - als nebensächlich oder überflüssig betrachtet. Der Schulunterricht wurde jahrzehntelang außerordentlich erschwert durch die viel zu hohen Schülerzahlen der einzelnen Klassen (in zahlreichen Fällen über 100). Noch nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Jungen häufig Glatzköpfe; sie waren Radikalkuren gegen Läusebefall. Die Nationalsozialisten nutzten die Volksschule für ihre machtpolitischen Zwecke; die Wissensvermittlung war Nebensache (Hitler: "Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend").