Das rheinische Platt -Bestandsaufnahme von Alltagskultur

Christa Feltgen, Steffeln

 

Ein Buch von Gewicht wurde Ende 1989 in Daun der Öffentlichkeit vorgestellt: "Das rheinische Platt - Eine Bestandsaufnahme". Ein Buch von Gewicht ist es in zweifacher Hinsicht geworden, einmal vom Umfang her, enthält es doch 500 Mundarttexte aus 406 Orten des Gebietes, das in etwa der ehemaligen Rheinprovinz entspricht, - und zum anderen vom Inhalt her, denn diese Dokumentation ist ein absolutes Novum auf dem Gebiet der Mundartforschung. Niemals vorher sind aus dieser Region so viele authentische Mundarterzählungen zusammengetragen worden.

Drei Wochen nach der gelungenen Ausstellung in der Dauner Kreisverwaltung von Straßenbildern aus dem Anfang unseres Jahrhunderts konnte Landrat Karl-Adolf Orth zu dieser Buchvorstellung erneut Gäste aus Bonn begrüßen; den Leiter des Amts für rheinische Landeskunde Dr. Fritz Langensiepen und seine Mitarbeiter Dr. Georg Cornelissen, Peter Honnen und Anne Jarke.

In der Begrüßungsansprache erinnerte Landrat Orth daran, daß den Kreis Daun und das Amt für rheinische Landeskunde in Bonn eine fruchtbare Zusammenarbeit verbinde. Dies habe aber nicht nur dazu geführt, daß dies Buch in Daun vorgestellt wurde, es hätten sich auch außergewöhnlich viele Autoren aus dem Kreis an dieser Dokumentation beteiligt. Als Chef der Kreisbehörde fühle er sich aus Hochachtung für das Engagement dieser Menschen in die Pflicht genommen. Er rege deshalb an, an alle Bürotüren im Kreishaus ein Schild anbringen zu lassen: "Mia schwätzen och platt!". Daß er damit vielen Zuhörern aus der Seele sprach, bewies der Applaus, den er für seine Anregung bekam.

Aus der Einführung, die Dr. Langensiepen an diesem Tag in Daun hielt, ging hervor, daß der Ausgangspunkt zur Sammlung eine Überlegung von ihm gewesen sei, einmal ein paar Mundartgeschichten zusammenzutragen. Dann aber fanden sich im gesamten rheinischen Gebiet so viele Menschen, die bereit waren, zu einer solchen Sammlung etwas beizutragen, daß die Aufnahme dieser Geschichten, ihre Transkription und die Zusammenstellung des Buches schließlich acht Jahre in Anspruch genommen haben. Gleich zu Anfang wurde der Umfang der Erzählungen auf sechs Themen beschränkt, damit Vergleichsmöglichkeiten geschaffen werden konnten. Man einigte sich auf Geschichten über Weihnachten, den ersten Schultag, das Schlachten, die Hochzeit, die Fastnacht und das Einkaufen.

Bei der Durchsicht der einzelnen Beiträge stellte sich ein Kuriosum heraus. Die Mitarbeiter des Amts für rheinische Landeskunde hatten, da es sich bei den Autoren ja um Rheinländer handelte, mit überwiegend der Fastnacht zugehörigen Arbeiten gerechnet. Man merkte aber bald, daß im Leben unserer Vorväter das Schlachten das herausragende Ereignis war. Wenn das ganze Jahr über nur einfache Kost auf dem Tisch kam, muß das Schlachten ein wirkliches Fest gewesen sein, da man sich einmal nach Herzenslust sattessen durfte.

Daß diese Bestandsaufnahme wissenschaftliches Werk und "Schmöker" in einem wurde, ist wohl dem ausgezeichneten Teamgeist der Mitarbeiter zu verdanken. Eine Aufgabe des Amts für rheinische Landeskunde ist es ja, Arbeitskurse und Hobbyforscher in Mundart und Heimatkunde wissenschaftlich zu betreuen und unter diesem Aspekt entstand eine zuverlässige Bestandsaufnahme der Alltagskultur. Vergleichbarkeit sollte dabei der große Wert des Buches sein. So mußte also auchkonsequent von Anfang an zur Verschriftung die "Rheinische Dokumenta", eine für die Mundarten entwickelte Lautschrift, angewandt werden. Die Texte wurden dazu meistens auf Kassetten gesprochen und danach erfolgte die Übertragung in die Lautschrift.

Das Buch gliedert sich in die Einleitung, die über Ziele, Geschichte der Ausarbeitung, die Autoren und Mundarten informiert, - in Lesehilfen für die regionalen Mundartmerkmale - in die 500 Texte der einzelnen Autoren und ein abschließendes Register. Zu dem Buch gehört eine Kassette mit 21 Mundartbeiträgen, die spontan vom jeweiligen Erzähler gesprochen wurden.

Natürlich konnte der Landschaftsverband Rheinland die Kosten für ein solch umfangreiches Werk nicht allein tragen. Er wurde von der Sparkassenstiftung und der Otto-Wolff-Stiftung unterstützt. So kann der Band zu dem einigermaßen günstigen Preis von 49 DM angeboten werden. Daß dies Buch im ganzen Rheinland mit Spannung erwartet wurde, beweist die Tatsache, daß vom Subskriptionsangebot so reger Gebrauch gemacht wurde, daß der größte Teil der Auflage bereits verkauft ist.

Auch in den Schilderungen aus dem Kreis Daun erlebt man die Lebendigkeit der Muttersprache in alle ihren Varianten.

Daß sich der Kreis Daun mit mehr als 20 Beiträgen an diesem Werk beteiligt hat, ist sicher Verdienst von Franz-Josef Ferber, dem Leiter der Schul- und Kulturabteilung des Kreises. Er hat 1982 zahlreiche Freunde und Verwandte zum Aufschreiben solcher Geschichten motiviert und viele der Erzählungen selbst mit Tonbandaufzeichnungen festgehalten. Ohne seine Beharrlichkeit wäre so manche Begebenheit, so manches Beispiel aus dem Brauchtum des hiesigen Gebietes wohl nie ans Licht des Tages gekommen.

Natürlich ist die Mundart immer noch im Wandel begriffen, aber im Mundartbuch und auf dieser Kassette wurde das Platt festgehalten, das heute im Rheinland gesprochen wird. Und mit diesen Geschichten wurden auch die Sitten und Gebräuche aus früherer Zeit so anschaulich gemacht, wie nie vorher. Darin liegt der große Wert dieses Buches für Wissenschaftler und Laien, die sich mit solchen Themen beschäftigen.