Bronzeplastik in der Kreissparkasse

Ulrich Henn's "Aufsteigende Vögel"

Alois Mannstein, Kerpen

 

Im Rahmen einer Feierstunde, zu der alle Bewohner des Kreises Daun herzlich eingeladen waren, stellte die Kreissparkasse Daun eine in dieser Form wohl einmalige Bronzeplastik vor. Sie schmückt die vor einigen Jahren umgebaute Schalterhalle und wurde vom renommierten und über die Landesgrenzen hinaus bekannten Leudersdorfer Bildhauer Ulrich Henn entworfen und gestaltet. Es handelt sich dabei um eine den Vogelflug symbolisierende Plastik, bestehend aus einer spiralförmig aufsteigenden Vogelschar.

Der Vorsitzende des Vorstandes der Kreissparkasse Daun, Dr. Joachim Kohlhof, konnte bei der offiziellen Übergabe des Kunstwerkes zahlreiche Gäste begrüßen.

In seiner Einführungsansprache ließ Dr. Kohlhof die Entstehungsgeschichte des wohlgelungenen Kunstwerkes Revue passieren. Im Zuge des 1985 vollendeten Umbaues des Hauptstellengebäudes wurde die Kundenhalle auf ein ansprechendes und kundengerechtes Niveau gebracht. Bei der Verwirklichung von Baumaßnahmen an öffentlichen Gebäuden ist der Bauherr verpflichtet, einen auf die Baukosten bezogenen Betrag für die Kunst am Bau zu verwenden.

Noch auf Vorschlag der damaligen Direktoren Kremer und Fries wurde beschlossen, den Bildhauer Ulrich Henn mit der Gestaltung einer Plastik für die Kundenhalle zu beauftragen. Die Realisierung des Kunstwerkes gestaltete sich aus mannigfachen Gründen recht zeitraubend und schwierig.

So konnte eine Detailplanung der Plastik erst erfolgen, als die Kundenhalle komplett fertiggestellt und möbliert war.

Anfang 1988 konnte der vorgelegte Entwurf besprochen und in die endgültige Fassung gebracht werden.

Die Gestaltung der vier Zentner schweren Plastik ist Henn überzeugend gelungen. Seinem an sich selbst gestellten Anspruch, dem Material Bronze jegliche Schwere zu nehmen, ist er voll gerecht geworden. Schwebende Leichtigkeit, ausgewogene Bewegung und eine besondere Klarheit der Linienführung kennzeichnen das hier vorgestellte Werk. Es erweckt Eindrücke, die über die reine Äußerlichkeit hinausgehen. Die aufsteigenden Vögel erinnern an das schwebende Einordnen und sich Einfügen in eine Formation, in eine Gruppe oder eine Gemeinschaft. Der Flug der Vögel symbolisiert auch die Übernahme von Verantwortung in der Gemeinschaft und für die Gemeinschaft. Das Aufsteigen und Abfliegen, das Führen und Orientieren, die Richtung ändern, das Rasten und Zielfinden und schließlich das sichere Landen sind im Ergebnis nicht die Leistung eines Einzelnen, sondern die Leistung der (Vogel)-Gemeinschaft. Unter zeitweiser Übernahme von Verantwortung durch jeden Einzelnen wird gemeinsam das Ziel sicher erreicht.

Ulrich Henn ist Schwabe, geboren 1925 in Schwäbisch-Hall, lebt und arbeitet aber seit Mitte der fünfziger Jahre in Leudersdorf. Tief versteckt hinter hohen Parkbäumen ist in seinem Bildhauer-Atelier in den langen Jahren seines Schaffens ein umfangreiches Werk entstanden. Dem Besucher seines Hauses werden die Vielseitigkeit, das handwerkliche Geschick und die künstlerischen Fähigkeiten sehr schnell offenbar, legen doch die überall im Haus zu bestaunenden Modelle seiner Kunstwerke beredtes Zeugnis darüber ab. Henn entdeckte seine Begabung in der Kriegsgefangenschaft, als er mit Hilfe von Rasierklingen aus alten Munitionskisten eine Weihnachtskrippe schnitzte.

Schwereloses Zusammenspiel - Bronzeplastik von Ulrich Henn in der Schalterhalle der Kreissparkasse in Daun.

Die Kunstwerke, die er heute hervorbringt, sind ausnahmslos in Wachs modelliert. In einem Verfahren, das schon den Römern bekannt war, wird das Wachsmodell von einem Block aus Gips und Schamott umhüllt. In einem acht Tage dauernden Prozeß wird diese Masse auf 800 Grad erhitzt, wobei das Wachs aus der Form herausläuft, verbrennt. Nachdem sich das entstandene "Negativ" langsam abgekühlt hat, wird das auf 1280 Grad erhitzte Metall in die Form eingefüllt.

Daß der Künstler dieses Verfahren vollendet beherrscht, zeigt die Qualität seiner weit über die Bundesrepublik hinaus bekannten Arbeiten.

Für die Dome in Braunschweig, Hildesheim, Münster und Trier, für viele Kirchen und Klöster entwarf der Künstler bedeutende Bronzetüren, sakrale Skulpturen, Altäre, Tabernakel, Lesepulte und Leuchter; profane Plastiken und Brunnen haben ihren festen Platz in öffentlichen Anlagen und privaten Gärten gefunden. Man begegnet seinen Arbeiten auch im Ausland, in England, Luxemburg, in Österreich, sogar in den Vereinigten Staaten.

Einen Höhepunkt seiner künstlerischen Laufbahn stellte ein Auftrag aus den USA dar. Gegen internationale Konkurrenz von 30 namhaften Mitbewerbern war dem bescheidenen Autodidakten einer der spektakulärsten Aufträge zugefallen, den die USA seit Kriegsende auf künstlerischem Gebiet zu vergeben hatten; die Gestaltung der drei mächtigen Doppelportale an der National Cathedral ihrer Hauptstadt Washington, die im September 1987 eingeweiht wurden.

Über seiner vielen und ihn sehr beanspruchenden Arbeit hat Ulrich Henn die Maxime Goethes, daß die Kunst heiter sei, durchaus nie vergessen. Modelliert der Künstler für sich selbst, brechen sich Ironie und Hintersinn Bahn, wie, dies einige im Atelier zu findende Stücke belegen.

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