Chortage verbinden

Vom Alltag in der Diaspora

Marianne Schönberg, Jünkerath

 

Evangelische Christen leben im Eifel-Mosel-Raum in der Diaspora, der "Zerstreuung" und diese Tatsache zeigt immer wieder Wirkung auf das Leben im Alltag.

Ein Beispiel - die Kirchenchöre. Klein sind sie von der Zahl der Sänger her, wenige gibts. Im Kreis Daun besteht seit Jahrzehnten nur ein evangelischer Chor, das ist der Singkreis in Jünkerath. Seit einigen Jahren kommen engagierte Leute aus Gerolstein zu den Proben und das hilft dem Chor sehr. Den 40, Geburtstag feiert der Singkreis in 1991, noch immer sind Gründungsmitglieder dabei, aktiv, ohne ihre Treue gäbs diesen Diasporachor längst nicht mehr.

Ab und an kommen jüngere Leute, für eine Zeit, so zwischen Schulbesuch und Berufsfindung. Dann ziehen sie fort, zur Ausbildung, zum Studium. Müßig, die Situation zu beklagen. Hier soll ein Weg aufgezeigt sein, der trotz allen Widrigkeiten seit vielen Jahren Hilfe anbietet, Mut macht.

Weil viele kleine Chöre im Kirchenkreis Trier "von der Hand in den Mund" leben, gibts in regelmäßigen Abständen - alle zwei Jahre - den Synodalchortag. Er findet irgendwo zwischen Hunsrück, Mosel und Eitel statt, das geht reihum, vorausgesetzt, in der anvisierten Gemeinde gibts eine Kirche, die zum Singen so um 200 Leute aufnehmen kann, dazu die Gottesdienstbesucher. Und da wirds problematisch.

Gerolstein war in 1987 Gastgeber für den Chortag. Die Katholische Gemeinde St. Anna bot ihr Jugendheim zu den Vormittagsproben an und das war eine feine Sache. Gesungen wurde zum Abschluß in der Erlöserkirche, da war Raum für alle. Zwei Jahre später bewarb

 

sich Bitburg um den Tag. Die evangelische Gemeinde hat seit Jahren einen Kirchenchor, ihr kleines Gotteshaus stand allerdings nicht zur Diskussion. Hier bot sich ebenfalls die katholische Gemeinde an. Kantor Helmut Schwindling von Liebfrauen sagte zu, der Abschlußgottesdienst könne in der Pfarrkirche sein - mehr noch. Sein Kirchenchor wollte sich gern beteiligen, beim Doppelchor als "zweite Stimme" von der Empore. Eine freundliche Geste, KMD Schneck aus Trier machte gern Gebrauch vom Angebot. Vom Bedahaus kam die Zusage zu den Vormittagsproben - also gingen die Chöre mit Freude in die Eifel. Es kamen Sängerinnen und Sänger aus Bernkastel/Kues, Bitburg, Gusterath, Jünkerath/Gerolstein, Konz, Saarburg, Thalfang, Trier und Wittlich. Mit einem neuen Kanon begann der Tag.

Probe am Morgen im Jugendheim St. Anna in Gerolstein, man "singt sich ein".

So etwas hat KMD Schneck bei jedem Treffen "in der Tasche", ein Thema zur Stimmbildung, zum Einsingen und meist geht diese Melodie über Jahre in den kleinen Chören mit; als Auftakt der wöchentlichen Proben, als liebe Erinnerung an den gemeinsamen Tag.

Und genau das soll einmal herausgestellt werden, solch gemeinsames Musizieren ist Kraftquell für viele Monate der Dürre, die den kleinen Chören im Kirchenkreis beschieden sind. Wie oft probt man da für ein Singen zum Tag oder Fest X. Dann kommen Absagen, ganz kurzfristig, oft sind durch Wegfall von zwei oder drei Stimmen alle Vorbereitungen zunichte gemacht. Wer dann improvisieren kann, es wagt, auch mal einen vierstimmigen Choral ohne Tenor zu singen, der gewinnt. Denn nichts ist für Sänger deprimierender, als wochenlange Vorarbeit für eine Sache, die dann "ausfällt". Ist einmal das Handtuch geworfen, kann man die Leute schwer zurückgewinnen.

Für musikalisch sensible Christen bedeutet Diaspora nicht nur, in der Zerstreuung, sondern auch mit der Beschränkung leben. Wer sich hier zum aktiven Dienst entschließt, muß kompromißbereit sein, sollte die Aufgabe der Verkündigung des Wortes vor musikalische Vollkommenheit stellen. Damit sei nicht gesagt, daß man die nicht mit allem Fleiß anstrebe. Doch wie oft geschiehts, daß der Chor recht verzagt in den Gottesdienst geht. Dann wird genau dies Singen zum Funken, der überspringt, der Gemeinde Wichtiges vermittelt.

Kein Weg führt dran vorbei, Kirchenchöre haben eine primäre Aufgabe und das ist die Verkündigung. Deshalb gehören sie auch neben die Kanzel. Dort ist der rechte Platz, von da kommt der Auftrag. Chöre im kirchlichen Dienst sind auch kein schmückendes Beiwerk für schöne Festgottesdienste. Wenn sie da singen, ist das gut; nicht mehr. Also ist Chorsingen in der Diaspora weitaus mehr als Zeitvertreib, schönes Miteinander in der Gemeinde oder Basis zu persönlicher Profilierung. Viele Sängerinnen und Sänger haben das begriffen, viele von Kind auf gelernt. Singen zu können, zu dürfen, das ist eben auch ein Geschenk. Manchem wird die Begabung in die Wiege gelegt, er soll mit "den Pfunden wuchern" - Stolz ist da wenig angebracht.

Zurück zum Chortag.

Wer das Kirchenjahr in der Beschränkung durchsteht, freut sich auf den "großen Ton", den ganzen Chorklang und eben dies vermittelt so ein gemeinsamen Singen. Neben schlichten Sätzen, die jeder in seiner Gemeinde anbieten kann, werden ein oder zwei anspruchsvollere Kompositionen erarbeitet. Das befriedigt ganz persönliche musikalische Ansprüche, man er-

lebt den vollkommenen Klang, freut sich an der großen Harmonie - eine prächtig schillernde Eintagsfliege in Sachen Kirchenmusik. Nun warten die Diasporachöre auf den nächsten Tag des Miteinander, raten ein wenig, wo er stattfinden wird. Beim letzten Treffen der Chorleiter der Synode mit KMD Schneck gabs Überlegungen in Richtung Prüm. Die Abteistadt steht für musikalische Aktivitäten, auch da müßte es ein ökumenisches Miteinander geben, soll der Synodaltag im Raum der hohen Eifel stattfinden.

Das wäre dann 1991 und die Leute an der Basis arbeiten auf diesen Lichtpunkt hin.