Das Ende
Irmlinde Meyer, Duppach
Da liegt das Blatt vor meinen Füßen, |
der Sturm hat es hierher gejagt. |
Es ist, als wollt es mich noch grüßen, |
als ob es "lebe wohl" mir sagt.
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Soeben noch, vor einer Stunde |
hing mit den ändern es am Baum, |
und freute sich der warmen Sonne, |
ans Sterben dachte es da kaum.
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Wohl merkte es seit ein paar Tagen |
daß es sich fühlte nicht mehr frisch, |
es könnt' den Wind nicht mehr vertragen, |
darüber wunderte es sich.
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Auch war sein Kleid nicht mehr dasselbe, |
statt grün war es jetzt leuchtend bunt; |
der Herbst, der stürmische Geselle |
tat damit seine Ankunft kund.
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Noch war das Blatt voll Lebensfreude |
und hatte Spaß an der Montur, |
bis dann der Sturm es fortriß heute, |
und es nun jagt durch die Natur.
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Was soll nun werden, armes Blatt, |
mit dir und all den vielen ändern? |
Ich unterm Laubdach gerne saß |
um auszuruhn nach langem Wandern.
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Das Blatt, es tanzt im Kreis umher, |
es ist grad wie ein Totenreigen, |
das Tanzen fällt ihm langsam schwer, |
man sieht es müd sich niederbeugen.
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Natur und Mensch sind tief verbunden, |
es ähnelt sich das Schicksal oft. |
Hast' in der Jugend Freud' gefunden, |
im Alter dann umsonst gehofft.
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Zu Ende ist ein Stückchen Leben, |
so wie es jeden Tag geschieht, |
und niemand kann dann Hilfe geben |
weil alles mal der Welt entflieht. |