Die Alte Schmiede zu Bolsdorf

Prof. Matthias Weber, Köln

 

"Der Amboß hatte einen wunderbaren Klang, den hörte man im ganzen Dorf." Ein ehemaliger Lokführer der Eisenbahn, gelernter Schmied, berichtete es und lobte auch bald das Mittagessen vom Bolsdorfer Pfingstschoppen 1990. Schon seit Stunden war er mit seiner Frau aus Niederbettingen hier. Nun war Kaffeezeit. Vor 55 Jahren habe er hier in der Schmiede noch selber Pferde beschlagen. Natürlich sei ihm der letzte Bolsdorfer Schmied, Josef Druckes, noch gut in Erinnerung. Wann dieser allerdings gestorben sei, wisse er nicht mehr so genau. Dies wußten auch zwei junge Bolsdorfer Brüder, die für die Geschichte der Schmiede sehr aufgeschlossen sind, auf anschließende Fragen an sie nicht. Beide sind Aktive des JCB, also des Jugend-Club Bolsdorf e. V., der im April 1975 aus dem ehemaligen Bolsdorfer Junggesellenverein hervorging. Ohne den JCB gäbe es in Bolsdorf weder einen Pfingstschoppen noch eine Alte Schmiede im heutigen Sinne. Ein weiteres JCB-Mitglied hatte die kluge Idee, man müsse auf dem Grabstein von Josef Druckes auf dem Friedhof einmal nachschauen; das Grab müßte ja noch dasein. Dies tat ich dann einige Tage später, jedoch ohne Ergebnis. Die Bronzegußzahlen für das Geburts- und Sterbejahr fehlten auf dem Grabstein.

Eine ältere Frau, die am frühen Abend gerade mit der Pflege "ihres Grabes", wie sie sagte, beschäftigt war, bestätigte mir, daß ich am richtigen Grab stand, da auch der Vorname in der Grabaufschrift fehlte. Die gute Frau meinte - sehr einleuchtend -, die Jahreszahlen (noch zusätzlich zum Familiennamen) wären sicher damals zu teuer gewesen. Sie wußte auch weiterführende Hinweise zu geben, wofür ihr nochmals gedankt sei: die Adressen von Tochter und Sohn des letzten Schmiedes in Bolsdorf. Sie wohnen beide am Ort. Bei der Tochter suchten wir dann zu dritt - ein gerade anwesender 20jähriger Enkel des Schmieds konnte sich sehr schnell für mein Anliegen begeistern -nach dem Totenzettel des Vaters und Großvaters. Auch sein Text war schlicht und knapp gehalten. Die erhoffte Angabe des Geburtsdatums und vor allem des Berufs enthielt er nicht. Das Ende einer Dorfschmiedära damals in Bolsdorf mag zwar den Angehörigen bewußt gewesen sein, wurde aber nicht dokumentiert. Wohl aber das Sterbealter und das genaue Sterbedatum: "im Alter von 74 Jahren sanft im Herrn entschlafen . . . Bolsdorf, . . den 26. Oktober 1967". Also vor fast einem Vierteljahrhundert. Erfreulicherweise war bei diesem Besuch noch einiges mehr an geschichtlichen Fakten zum Untersuchungsgegenstand zu erfahren. Zum Beispiel dies: Die heutige Alte Schmiede, Im Bachgarten 2, - in der Zeit ihres Betriebs gab es allerdings diese Straßenbezeichnung noch nicht - war damals nicht die einzige Schmiede am Ort. Zwei Häuser unterhalb der ehemaligen Bolsdorfer Schule (heute im Besitz eines "Zweitwohnsitzinhabers" aus Köln) gab es noch die Fink-Schmiede. Sie wurde abgerissen, und ihr Standort ist heute "Hof", wie meine Informantin sich ausdrückte. Die Schmiede-Familie Druckes stellte in zwei Generationen den Dorfschmied zu Bolsdorf. Der Pionier war Nikolaus Druckes, Bruder des Gastwirts "auf der Burg" in Niederbettingen, Leonhard Druckes. Nikolaus Druckes erwarb nach Aussage seiner Enkelin die Schmiede, vermutlich von S(. .) Endres, der wahrscheinlich 1884 das eingeschossige Gebäude mit Satteldach errichtet hatte, wie der Türsturz über dem Eingang noch anzeigt. Schriftliche Belege dafür hat man aber bis heute noch nicht gefunden, obwohl die Bolsdorfer seit einigen Jahren sehr eifrig Nachforschungen über ihre Ortsgeschichte anstellen. Nikolaus Druckes erbaute auch das Wohnhaus der Familie Drük-kes im heutigen "Wiesengrund 5". Am Bach in der Nähe wurden Eisenbänder auf vom Stellmacher angefertigten Karren- und Wagenräder aufgezogen. Hierzu kam das kostenlose Bachwasser, das nur gestaut werden mußte, wie gerufen. Einige der damals angefertigten Räder hängen heute, zu Lampen umgearbeitet, an der Decke der Alten Schmiede.

Alte Schmiede - Straßenansicht mit Notstall.

Beim Pfingstschoppen in Bolsdorf wollte ich auch wissen, wo denn der so wohlklingende Schmiedeamboß geblieben sei. Das bereits erwähnte Brüderpaar erklärte dazu - sichtlich ob der beklagenswerten Tatsache immer noch etwas verärgert und wehmütig -: "Der ging beim Umbau verloren, wie manches andere. Er wurde geklaut." Ein bedauerliches Schicksal. Wirkt doch die Ausstattung der ehemaligen Schmiedewerkstatt mit einigen Werkzeugen, etwa an den Wänden oder in den Raumecken, eher wie ein besonderer Pfiff zur Steigerung der Atmosphäre in diesem urgemütlichen Gehäuse. Immerhin blieb die alte Schmiedeesse noch unversehrt erhalten, wenn auch moderne Holzkohle zum Grillen Eifeler Steaks die Kokskohle des Schmiedemeisters Druckes längst abgelöst hat. Schon von außen erkennt man die alte Funktion der Dorfschmiede unschwer. Links neben der Eingangstür - kein großes Tor, durch das Fahrzeuge und Fuhrwerke hätten in die Werkstatt einfahren können, - steht immer noch das Balkengerüst des alten Notstalls. Zugtiere wie Kühe, Rinder und Pferde wurden zum Klauen- und Hufbeschlag sowie zur Pflege ihrer "Füße" angeschnallt. Für heutige Besucher der Schmiede, namentlich für Kinder, die keine Anschauung mehr von der schweren Arbeit des Dorfschmiedes haben können, wünschte man sich ein erläuterndes Bild oder eine Erklärung dieser typischen Schmiedearbeiten an der Wand.

Historische Dokumentation vom Räderbinden mit Schmied Meier und Druckes, einem französischen Kriegsgefangenen und Karl Thome. Eigentümer des Originalbildes ist Karl Meier, die Reproduktion fertigte Dr. Reinhard Steffens.

Diesmal war Pfingsten, an dem der Bolsdorfer Pfingstschoppen innerhalb und außerhalb der Alten Schmiede schon seit Mitte der 70er Jahre regelmäßig gefeiert wird, keineswegs "das liebliche Fest", von dem einst unser Dichterfürst Goethe schwärmte. Dafür standen die Außentemperaturen auf der Quecksilbersäule viel zu tief, bei + 14 Grad. Aber dem Andrang von alt und jung in der Schmiede tat das, wie alle Jahre, keinerlei Abbruch. Im Gegenteil. Nur noch "reservierte Plätze" waren zu bekommen. Wir "Bettinger" Wander- und Heimatfreunde waren schon erwartet worden. Auf dem Niederbettinger Schutzhüttenfest im Juli - so wollen es die neuen Bräuche - werden sich die Bolsdorfer dafür durch ihren Gegenbesuch revanchieren. Alle Bolsdorfer sind zu beneiden um die Alte Schmiede - dieses anheimelnde und Geborgenheit ausstrahlende Gehäuse aus gebrochenem roten Kyllsandstein. Ein attraktiveres Gemeinschaftshaus hätte man sich in diesem durch die Dorferneuerung Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre immer adretter gewordenen kleinen Eifeldorf, das seit 1974 als "Ortsteil" zur Gemeinde Hillesheim gehört, kaum wünschen können. Im Gespräch für eine solche Gemeinschaftseinrichtung war, als die Dorferneuerung hier begann, auch die ehemalige Dorfschule. Wie gut, daß man rechtzeitig davon Abstand nahm. Der zweigeschossige Schulbau mochte zwar alles in allem mehr Platz geboten haben, doch eine derartige Ausstrahlung auf die Menschen, Einheimische wie Gäste, so wie die Alte Schmiede hätte er wahrscheinlich nicht gehabt.

Vorreiter für die neue Nutzung der ehemaligen Schmiede waren die phantasievoll zupackenden jungen Männer des Bolsdorfer JCB. Die seit Jahren nicht richtig genutzte Räumlichkeit "pachteten" sie zunächst für fünf Jahre, für 70 DM pro Jahr. Sie investierten viel Eifer und Idealismus und scheuten weder wertvolle Zeit noch Kosten für die erste Renovierung der ehemaligen Werkstätte. Immerhin mußte diese für gesellige Zusammenkünfte zunächst wohnlich hergerichtet werden. Damit setzten sie zugleich ganz bewußt das Signal zur Bewahrung und Erhaltung dieses bedeutenden dörflichen Kulturdenkmals. Der Beruf des Schmiedes ist immerhin einer der ältesten auf dem Dorf. Ohne ihn waren Wagenbau, Hufbeschlag sowie Anfertigung und Reparatur von Ackergerät jahrhundertelang undenkbar. Jedenfalls solange das alte Sprichwort noch galt: "Eine Kuh deckt alle Armut zu." Im Zeitalter der Traktoren und Landmaschinen sowie eines Europäischen Agrarmarktes sind die dörflichen Wohlstandsquellen allerdings andere, stetigere und ergiebigere als es die noch so geschätzte Eifeler Kuh zu garantieren vermochte. Wäre dies in Bolsdorf nicht der Fall, die Bolsdorfer hätten den Ausbau der ehemaligen Schmiede zum dörflichen Gemeinschaftshaus - trotz erheblicher Eigenleistungen von Freiwilliger Feuerwehr und Jugend-Club - nicht finanzieren können. Immerhin betrugen die Gesamtkosten 1981 - nach Anbau eines zweiten, fast gleich großen Raumes, wo früher der Eisenschuppen der Schmiede stand, sowie moderner Toiletten rund 151.000 DM. Davon flössen 94.000 DM als Zuschüsse aus dem Landestopf für förderungswürdige Dorferneuerungsmaßnahmen. Heute ist dieses wahre Seelengehäus' Alte Schmiede ein prächtiges Schmuckstück des Ortes. Auch die gepflegten Anlagen drumherum tragen dazu bei. In Gegenwart und Zukunft dient die ehemalige •Dorfschmiede durch "Umnutzung" der Dorfgemeinschaft. Zugleich bewahrt sie anschaulich die Erinnerung an ein wichtiges Stück Dorfgeschichte und Dorfkultur. Man muß den Bolsdorfern dazu gratulieren, daß sie dieses Kulturdenkmal nicht nur in ihr Herz geschlossen und bewahrt haben, sondern auch bemüht sind, es in seiner Ursprünglichkeit in die Hände der Nachfahren zu geben. Allen Gesprächspartnern und Informanten in und um die Alte Schmiede zu Bolsdorf, insbesondere Frau Katharina Hunz und ihrem Sohn, sei herzlich für ihre Mitteilungen und Leihgaben gedankt.