Bedeutsame Tage im bäuerlichen Jahresrhythmus

Peter Zilligen, Wittlich

 

Der Backtag

Es war einer der besonderen Tage im Bauernhof und benötigte viel Vorbereitung. Oft waren die letzten Brote hart und trocken, wenn sie auf den Tisch kamen. Nicht selten hatten sich Mäuse mit deutlich sichtbaren Zeichen ein paar Krümel geholt. Wenn das letzte, das Kreuzbrot, angeschnitten wurde, stand der Backtag an. Auf dem Speicher wurde ein Sack mit Korn gefüllt, auf den Handwagen verladen und in die nahe Mühle transportiert. Es prickelte in den Händen, wenn man in den vollen Getreidesack griff und die Körner zwischen den Fingern zurückfließen ließ. So prüfte auch der Müller die Qualität des zu mahlenden Getreides. Wenn er den Sack ohne Worte leerte, wußten wir, daß unsere Fracht in Ordnung war.

Vor der Mühle galt der erste Blick immer dem sich drehenden, großen Wasserrad. Das rauschende, gurgelnde und plätschernde Wasser rund um die Mühle gab bei aller Bewegung dem Ganzen doch eine beschauliche Ruhe. Manchmal etwas ängstlich, aber voller Erwartung wurde die Mühle betreten. Hier rappelte und klapperte es aus allen Räumen. Durch breite Lederriemen miteinander verbunden sorgten kleine und große Kammräder, vom Wasserrad getrieben, dafür, daß sich Mühlsteine und Mehlsiebe bewegten. Auf den Müller mußte man nicht lange warten, er war immer auf schnellen Beinen unterwegs, war selbst im Halbdunkel der Mühle nicht zu übersehen, in seiner mehlverstaubten Kleidung vom Kopf bis zu den Füßen. Das Gesicht hob sich nicht ab, nur die durch Mehlstaub buschigen Augenbrauen traten hervor. Die Schirmmütze, die er stets trug, war auf einer Seite bis übers Ohr herab gezogen. Sicher waren daran die ungezählten Getreide- und Mehlsäcke schuld, die er auf der Schulter, gegen den Kopf gelehnt, trug. Mehl und Kleie, im Tausch gegen das gelieferte Getreide, hatte der Müller schnell verwogen und auf den Handwagen verladen. Obwohl er mit seiner großen Mehlkelle vorsichtig umging, blieben wir vom Mehlstaub nicht verschont. Der Kleidung war anzusehen, woher wir kamen. Auf den Heimweg ging es, nicht, ohne noch ins sprudelnde, oft in der Sonne silbern glitzernde Wasser des Mühlenteiches zu schauen, bevor es, ruhiger werdend, in die nahe Kyll mündete.

Zu Hause fand das Mehl gleich neben dem Küchenherd einen Platz. Für den Backtag tat ihm die Stubenwärme gut. Am Abend gesellte sich der Backtrog dazu. Über Nacht hatte der darin angesetzte Sauerteig, seit dem letzten Backtag in einem Steintopf aufbewahrt, Zeit genug, sich neu zu entwickeln und durch Gährung zu vermehren. Am Morgen folgte dann die schwerste Arbeit, das Kneten des Brotteigs, der schon bald, zu Broten geformt, behutsam, fast zärtlich in die Backkörbe gelegt wurde. Auf die Teigbereitung zeitlich abgestimmt, war im Backofen kräftig einzuheizen. Es war interessant, ins lodernde, wärmende Feuer zu sehen, bis die weißen Schamottsteine anzeigten, daß die Hitze im Ofen zum Backen der großen Bauernbrote ausreichte. Beim Auskehren des Ofens, oft mit einem schmiegsamen Ginsterbesen, rieselte die restliche Glut wie ein Wasserfall aus Feuer in die Aschenkuhle. Das Einschließen des Brotes ging sehr schnell, die Hitze mußte im Ofen bleiben. Als Dank und Gebet für gutes Gelingen erhielt das letzte Brot, das in den Ofen geschoben wurde, ein deutlich sichtbares Kreuzzeichen. Ein köstlicher, frischer Brotgeruch durchzog am Backtag das ganze Haus.

Der Schlachttag

Er war kein plötzlich hereinbrechendes Ereignis. Wenn es dem Frühling zuging, die Winterkälte überwunden war, kamen die Ferkel ins Gerede. Hin und her wurde überlegt, ob es noch zu früh, noch zu kalt sei für die kleinen Tierchen so allein im Schweinestall. Sie waren ja nur wenige Wochen alt, wenn sie zum Verkauf standen. Endlich wurde doch der Stall hergerichtet, eine gute Strohlage wärmte die Neuankömmlinge. Im Sommer war das Futter nicht üppig, erst wenn Kartoffeln und Rüben vom Feld kamen, das Schlachten näherrückte, wurde kräftig gefüttert. Das Schwein mußte sich taxieren, schätzen lassen. Mit der Kordel wurde das mögliche Gewicht ermittelt. Länge und Umfang waren zu messen, zu addieren und umzurechnen ins alte Zollmaß. Das Resultat geteilt durch elf oder zwölf ergab das zu erwartende Gewicht. Nach wiederholtem Messen blieb dem Schlachtschwein meist doch noch eine kurze Lebenszeit. Auch das Wetter war mitbestimmend für den Schlachttag. Vor Fleischverderb mußte Naturkühlung schützen, frisch sollten die Tage, kalt die Nächte sein.

Für uns Kinder gab's am Schlachttag nicht viel zu sehen, nur das Absengen und Abfackeln der Borsten war des Zuschauens wert. Der üble Geruch ließ uns Abstand halten. Wenn in der Küche das Braten, Brutzeln und Wursten los ging, wurden für Tage die Fleischportionen etwas g rö ßer, hier und dort war auch zu probieren. Aus dem Wurstkessel sollten nicht alle Würste heil zurückkommen, sonst war in den nächsten Tagen die Suppe zu dünn. Ein paar Stiche mit der Gabel in den gefüllten Wurstkessel lösten das Problem. Der Schlachttag ließ für Wochen und Monate den Metzgerladen vergessen.