Dem Eifeldichter Peter Zirbes zum Gedäschtnis

Liselotte Dohm, Gerolstein

 

Vor 90 Jahren, am 14. November 1901 verstarb in seinem Häuschen zu Niederkail im Landkreis Wittlich Peter Zirbes. Dieses kleine Dorf kann sich rühmen, der Geburtsort des ersten Eifeldichters zu sein. Als Klara Viebig 1865 geboren wurde, lag bereits sein erstes Gedichtbändchen vor. Peter Zirbes hatte es im Selbstverlag herausgebracht, freilich mit Hilfe des gütigen Superintendenten Örtel aus So-bernheim, der seine Begabung erkannte und von seiner grenzenlosen Armut erschüttert war. Von der Armut und Anspruchlosigkeit der Eifelbewohner in jener Zeit kann man sich heute kaum eine Vorstellung machen; einer der Allerärmsten war Peter Zirbes. Zwar besass er aus mütterlichem Erbe ein winzig Häuschen, doch weder Ackerland noch Scheune, um etwas Landwirtschaft zu treiben. Er schreibt im Vorwort seines Büchleins: "Da ich mich keiner festen Gesundheit erfreuen konnte, blieb ich unverheiratet und zog mit meinen Eltern auf Hausierhandel."

Nach ihrem Tod zog er, sobald die Frühlingssonne lockte, allein über Land, um erst vor dem Winter zurückzukehren. Er lud ein Wägelchen voll mit Töpfen, Tassen, Tiegeln und Tellern, spannte seinen Esel davor, der erst viel später durch ein Pferd ersetzt wurde und zog meist über den Hunsrückindie Pfalz, um seine Ware feilzubieten, und somit das nötigste Bargeld zu verdienen. Doch nie vergass er sein Schreibzeug, die Flöte und ein paar Bücher. Peter Zirbes sagte von sich:

Ich bin ein wandernder Sänger,

gebürtig zu Niederkail,

und habe nebst Gedichten

auch Glas und Steingut feil.

 

Das eine gewährt mir Freude,

das andere gewährt mir Brot,

und so beschützen mich beide

vor äußerer und innerer Not.

 

Oft wenn zum Staube nieder

die Prosa mich gedrückt,

hat mich die Dichtung wieder

zum Himmel selig entrückt.

 

Hab so ich das Leben vergessen,

die Prosa erinnert mich dran;

so kreisen um mich im Wechsel

die Wirklichkeit und der Wahn.

 

Es schlingen zur Lebenskette

sich beide, Ring an Ring,

und dennoch möcht ich wünschen,

dass es mir besser ging!

Peter Zirbes hatte als Kind nur während der Wintermonate im Nachbardorf die Schule besuchen können. So blieben seine Kenntnisse gering.

Er meint dazu:

Von keinem hohen Range bin ich,

auf keiner hohen Schule war ich,

drum Leser sei so strenge nicht,

wenn manchem Vers noch was gebrichl

denn wäre ich studiert

und tüchtig ausstaffiert

mit angelernter Ziererei

und eleganter Narretei,

dann würde ich dichten wie verrückt,

dass es die halbe Welt entzückt.

So sehr er auch seine Eifelheimat liebte, er fand keine Freunde im Dorf. Im Gegenteil, man sah in ihm einen Spinner, er wurde verlacht und verhöhnt. So schreibt er: "Was mir blieb, war meine innere Welt. Bei meiner Geistesrichtung konnte ich an dem Treiben meiner Altersgenossen kein Gefallen finden; ich zog es vor, über Berge und Höhen zu wandern, mich an einem schönen Plätzchen niederzusetzen, um zu lesen oder zu dichten." Die erste, wirklich menschliche Zuwendung erhielt er auf seinen Fahrten in die Pfalz. Dort schienen andere Menschen zu leben, die ihn verstanden und schätzten, lustig waren, einen netten Dialekt plapperten und ihm auch etwas zu verdienen gaben. Das alte Städtchen Meisenheim am Glan hatte es ihm besonders angetan. Ihm widmete er sogar ein Gedicht in Pfälzer Mundart. So spannte er einen Bogen von der Eifel hinüber zur Pfalz, doch wenn es zum Winter zuging, freute er sich auf sein wärmendes Herdfeuer im heimatlichen Häuschen.

Peter Zirbes war ein gottesfürchtiger Mann. Viele seiner Gedichte atmen große Frömmigkeit, wie zum Beispiel dies:

Der laute Tag vorüber ist,

still wird es allerwegen,

so bleib bei uns, Herr Jesu Christ,

mit deinem reichen Segen!

Kehr bei uns ein, du lieber Gast,

und halt in unseren Herzen Rast,

da wir zur Ruh uns legen.

Inzwischen hatte Peter Zirbes, um der Einsamkeit im Alter zu entfliehen, eine warme Witwe mit drei Kindern bei sich aufgenommen und später auch geheiratet. Sie gebar ihm sogar noch einen eigenen Sohn. So fand er sein Häuschen endlich erwärmt und belebt, wenn er von der Wanderschaft heimkehrte. — Noch immer war die Pfalz sein liebstes Ziel. Dort erfuhr er wahrhaft christliche Nächstenliebe, er hatte sie im katholischen Heimatdorf nie gespürt. So trat er noch im hohen Alter aus seiner Kirche aus und nähme mit seiner Familie den evangelischen Glauben an. Dies brachte ihm noch mehr Verachtung und Härte seiner Landsleute ein. Er schreibt darüber: "Den Geschäftsleuten sagte man, sie dürften uns nichts verkaufen. Den Fuhrleuten und Handarbeitern verbot man, für uns zu arbeiten. Dem Krämer drohte man mit Entzug der Kundschaft und die Dorflieferanten von Milch und

Butter bestürmte man, uns nichts mehr verabfolgen zu lassen. Doch dies harte Los trage ich nun nicht mehr allein. Wir pflanzen unsere Kartoffeln selbst, treiben etwas Bienenzucht, halten eine Kuh und füttern ein Kälbchen oder Schweinchen groß und teilen uns in unsere Armut.

Ich bin nun 75 Jahre alt, dauern kränklich, taub und gebrechlich, von Nahrungssorgen gedrückt, schwebe ich überm Grabe, und suche mich auf einen guten Tod vorzubereiten."

Als er 76jährig die Augen für immer schloß, schreibt er noch am Vorabend seines Todes:

"Und sollten wir in dieser Nacht

vielleicht vom Leben scheiden,

wir jubeln auf: Es ist vollbracht,

nun enden Kampf und Leiden.

Der Geist streift seine Fesseln ab,

geht ein zu ew'gen Freuden."

Heute ist das Geburtshaus von Peter Zirbes zu einer kleinen Sensation des Eifeldörfchens Niederkail geworden. Eine Gedenktafel, von Bildhauer Scherl aus Wittlich geschaffen, die einen fahrenden Geschirrhändler zeigt, schmückt das unter Denkmalschutz gestellte Häuschen, das vor einiger Zeit auch renoviert wurde. Seine Grabstätte im Nachbarort Landscheid für sich und seine Frau ist immer gepflegt. All dies ist heute Ehrensache für die Verbandsgemeinde Wittlich.

Uns selbst, die wir in der Eifel beheimatet sind, bleibt nur eins: Seiner in Dankbarkeit zu gedenken.

Ausklang

Die Sage schweigt, die Leier ist

verklungen;

Das Fünklein der Begeistrung ist

verglüht.

O Heimat mein, dir hab ich dies

gesungen

Auf fremder Fahrt, wo stets das

Glück mich mied!

Du Land der seligsten Erinnerungen,

Dir ist und bleibt mein Herz stets

zugewendet,

Nimm hin, was ich als treuen Gruß

gesendet!