Eifeler Auswanderung nach Südosteuropa im 18. Jahrhundert

Gregor Brand, Siebenborn

 

Einleitung

In diesen Jahren werden wir Zeugen bedeutsamer historischer Veränderungen in Osteuropa. Aber nicht nur der politische Wandel in den früheren Ostblockstaaten sollte unsere Aufmerksamkeit verdienen, sondern auch Wandlungen in den dortigen Bevölkerungsstrukturen. Die Auswanderung der deutschstämmigen Aussiedler aus östlichen Staaten wirft nicht nur aktuelle politische Fragen auf, sondern ist auch als kulturgeschichtlicher Vorgang sehr bedeutsam. Denn damit kehrt sich eine Entwicklung um, die vor mehreren Jahrhunderten stattgefunden hat. Während damals Deutsche neue Räume im Osten besiedelten und kultivierten, verlassen ihre Nachkommen jetzt das Land, das jahrhundertelang die Heimat ihrer Vorfahren war. An diesem Scheidepunkt und manchmal auch Endpunkt deutscher Besiedlungsgeschichte erscheint es angebracht, einen Blick auf die Anfänge zu werfen. Dies ist in der Eifel auch deshalb interessant, weil gerade moselfränkische Siedler aus Eifel, Hunsrück und Luxemburg eine maßgebliche Rolle bei der Besiedlung des Balkan gespielt haben. Dies war schon bei der bekanntesten Siedlungsbewegung, nämlich der der Siebenbürger Sachsen, so gewesen. Daß es sich bei den deutschsprachigen Kolonisatoren Siebenbürgens im Mittelalter keineswegs um Sachsen im heutigen Sinn handelte, ist belegt. Die meisten der Siebenbürger Sachsen stammten aus dem moselfränkischen Rheinland und es ist bekannt, wie überrascht manche Eifeler Soldaten im 1. Weltkrieg waren, wenn sie in Siebenbürgen die Leute ihre moselfränkische Sprache sprechen hörten.

In diesem Beitrag soll jedoch von einer weniger bekannten Auswanderungsbewegung die Rede sein. Es handelt sich dabei um die im 18. Jahrhundert ins Banat und nach Galizien erfolgte Einwanderung deutscher Siedler.

Das Banat

Beim Banat handelt es sich um eine Landschaft, die Teile von Südungarn, Westrumänien und Ostjugoslawien umfaßt. Dieses Gebiet von etwa 28 000 Quadratkilometern ist im Westen extrem eben, geht aber dann in eine hügelige Landschaft über. Das Klima ist mediterran. Diese Landschaft wurde jahrhundertelang von mehreren Nationalitäten bewohnt, wobei die Deutschstämmigen die größte Minderheit stellten. Sie lebten hauptsächlich um die Städte Temesburg und Arad herum. Temesburg (ungarisch: Temesvar; rumänisch: Timisiora) ist ja im Jahr 1989 im Zuge des Umsturzes in Rumänien weltweit in die Schlagzeilen geraten. In dieser Stadt begannen die Massenproteste gegen Ceaucescu, die schließlich zu dessen Sturz führten.

Die Herkunft der Banaler Schwaben

Wo kamen nun die deutschen Besiedler des Banat hauptsächlich her? Sie werden zwar Banater Schwaben genannt, aber der größte Teil kam wieder - wie schon Jahrhunderte vorher bei den Siebenbürger Sachsen - aus den moselfränkischen Gebieten. Über die Herkunft der Banater sind wir durch Aufzeichnungen aus dem 18. Jahrhundert sehr gut unterrichtet. Die österreichische Monarchie, zu der diese Gebiete damals gehörten, hat sehr genaue Auswandererlisten erstellt, in denen Namen und Herkunftsgebiet verzeichnet sind. Zweck dieser Erfassung war es keineswegs, der Bürokratie Genüge zu tun, sondern es ging darum, die Auswanderer damit besser schützen zu können. Denn viele der Siedler wurden unterwegs auf ihrem langen Treck von privaten Grundherren verschleppt, die sich auf diese Weise neue - abgabenpflichtige - Untertanen verschaffen wollten. Die möglichst korrekte Erfassung von Namen und Herkunftsgebiet sollte nun den kaiserlichen Beamten ermöglichen, die Verschleppten gegebenenfalls leichter wieder ausfindig zu machen und sie aus ihrer erzwungenen Abhängigkeit zu befreien.. Dies geschah sicherlich auch nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, sondern aus dem damals weit verbreiteten klaren Bewußtsein, daß Menschen für einen Staat - und damit auch für die österreichische Monarchie - ein wichtiges Kapital darstellen. Darüber hinaus verursachte die Kolonisation selbst Kosten - Werbung und Reisegeld insbesondere -, die man nicht umsonst tragen wollte. Das Aufstellen dieser Auswanderer-Verzeichnisse, deren Anlegung die Hofkammer schon 1723 befohlen hatte, führte jedenfalls dazu, daß wir heute noch in den meisten Fällen erkennen können, wer aus der Eitel auswanderte. Bei der geographischen Einordnung der Kolonisatoren muß man natürlich die damaligen politischen Verhältnisse berücksichtigen. So heißt es beispielsweise bei vielen, sie kämen "aus dem Luxemburgischen". Das bedeutet nun nicht, daß sie aus dem Gebiet des heutigen Großherzogtums Luxemburg stammen, sondern es ist an die Ausdehnung Luxemburgs im 18. Jahrhundert zu denken; damals gehörten weite Gebiete der Eitel politisch zu Luxemburg. Glücklicherweise werden die allgemeinen Bezeichnungen "aus dem Luxemburgischen" oder "aus dem Trierischen" häufig ergänzt durch Angabe des Heimatortes, so daß dann eine genaue Einordnung der Herkunft möglich ist.

Auswanderer aus dem Dauner Gebiet

Wenn man nun untersucht, ob auch aus dem Dauner Gebiet Leute vertreten sind, so gibt es manche Dörfer des heutigen Kreises Daun, aus denen Einwohner nach Südosteuropa abgewandert sind. So finden wir beispielsweise unter den Auswanderern des Jahres 1764 den Johann Weber aus Gillenfeld, die beiden Strohner Anton Heber und Peter Scheitweller und aus Bleckhausen den Heinrich Gröschl. 1766 waren es dann mehr Bleckhausener: Simon Geten, Johann Marter, Johann Ste-phes, Johann Filonz. Gillenfeld war im gleichen Jahr vertreten mit Johann Scholtes und Philipp Zens. Auch einige Ellscheider verließen 1766 ihre Heimat: Jakob Schenk, Johann Philip, Frantz Hertz, Mathias Zens. Diese Aufzählung ist keineswegs abschließend. Bei den Namen ist zu beachten, daß es im 18. Jahrhundert noch keine unveränderlichen Nachnamen gab; sie wurden von den verschiedenen Behörden oft unterschiedlich geschrieben. So handelt es sich bei Heinrich Gröschl aus Bleckhausen sicherlich um ein Mitglied der in der Südeifel weit verbreiteten Sippe Kröschel (Kroeschel). Es sind aber auch solche Auswanderer vertreten, die nicht zu den alteingesessenen Familien der Dörfer gehören, sondern nur vorübergehend in dem betreffenden Eifelort gewohnt hatten. Da die Berufe der Wegziehenden nur ausnahmsweise genannt werden, kann man nur vermuten, daß es sich bei dieser Auswanderungsbewegung wie bei anderen verhielt: Die Motive der Kolonisten waren höchst unterschiedlich und dementsprechend verschieden sicherlich auch die soziale Stellung der Abwanderer beziehungsweise ihrer Eltern. Ein wichtiger Beweggrund zur Auswanderung, gerade bei den Eifeler Kolonisten, war sicherlich die Hoffnung, in der neuen Heimat auch in anderen, günstigeren Rechtsverhältnissen leben zu können. Denn die Werber versprachen in manchen Fällen mehrjährige, in anderen Fällen dauernde Abgabenfreiheit und konnten jedenfalls größere rechtliche Freiheit in Aussicht stellen als die Eifelbauern sie im 18. Jahrhundert genossen. Darüber hinaus galt gerade im größten Teil des Dauner Gebiets Stockerbenrecht. Dies bedeutete, daß nur das älteste Kind Hoferbe sein konnte; die jüngeren Geschwister hatten keine diesbezüglichen Aussichten. So werden wohl auch manche von ihnen ihre Sachen gepackt haben, um in der Fremde zu eigenem Grund und Boden zu kommen.

Das historische Schicksal der Auswanderer

Was ist nun aus den Eifelern in ihrer neuen Heimat geworden? Zusammen mit den anderen deutschsprachigen Auswanderern entwikkelten sie in Südosteuropa ein reges kulturelles Leben mit ausgeprägter Volkskunst, die sich etwa in musikalischen und architektonischen Beiträgen zeigte. Ökonomisch gesehen wurde das Banat zu einem der intensivst genutztenlandwirtschaftlichen Gebiete Rumäniens. Während so die Auswanderer und die folgenden Generationen mit dem Leben in ihrer neuen Heimat zufrieden sein konnten, widerfuhr ihren Nachkommen besonders nach dem zweiten Weltkrieg schweres Leid. Am schlimmsten betroffen waren die Deutschen im jugoslawischen Teil des Banat; sie wurden in Konzentrationslager gebracht, deportiert und ausgerottet. Die in Rumänien lebenden Banaler Schwaben sahen sich wie die Siebenbürger Sachsen einer zunehmenden Unterdrückung ausgesetzt. Unter dem kommunistischen Parteichef und Präsidenten Ceaucescu verstärkten sich die Versuche, die deutsche Identität aufzulösen, die sich die Banater Schwaben jahrhundertelang bewahrt hatten. Noch relativ günstig waren diejenigen gestellt, deren Vorfahren sich in Ungarn niedergelassen hatten. Neben den ins Banat ziehenden Eiflern sollte aber auch noch derjenigen gedacht werden, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach Galizien auswanderten. In dieser nördlich der Karpaten gelegenen hügeligen Landschaft hatte die österreichische Monarchie seit 1781 mit der planmäßigen Ansiedlung von Deutschen begonnen. Hier waren die "aus dem Trierischen" stammenden Siedler nach den Österreichern selbst die größte Gruppe; 1921 lebten 58 000 Deutsche in Galizien. Diese deutschgalizische Minderheit wurde dann im 2. Weltkrieg von der Roten Armee durch Deportation und Vertreibung vernichtet.

Fazit

Sieht man die Südosteuropa-Auswanderung im Gesamtzusammenhang der Geschichte der Eitel, wird einmal mehr deutlich, wieviele Menschen dieses kleine Gebiet im Lauf der Jahrhunderte exportiert hat. Dann reiht sich der Zug der Banat- und Galizienbesiedler ein in die Siedlungsbewegung der Siebenbürger Sachsen, in die Auswanderung nach den USA, Kanada und Brasilien, sowie in die im vergangenen Jahrhundert sehr starke Abwanderung in die neuen Industriegebiete an Rhein, Ruhr und Saar. In diesem Jahrhundert hat die stets starke Abwanderung - insbesondere nach dem 2. Weltkrieg - noch einmal stark zugenommen. Der Strukturwandel mit der dadurch bedingten Auflösung des Eifeler Bauerntums ließ viele, die sich noch als kleine Landwirte durchgeschlagen hatten, in die Städte ziehen. Am stärksten ist der Verlust an Menschen in den Eifeldörfern in der Gruppe der besser Ausgebildeten. Wer ein Gymnasium besucht, ist seinem Heimatdorf schon so gut wie verloren gegangen. Würde man den wirtschaftlichen Wert eines Menschen berücksichtigen - wie dies in wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen unter dem Stichwort des Humankapitals geschieht, wo der ökonomische Wert einer Person meist als Summe seiner Lebensarbeitsleistung gemessen wird -, dann käme man auf einen gewaltigen Exportbeitrag, den die Eifel im Lauf der Jahrhunderte geleistet hat. Es würde sich gerade für die Eifel das Wort Friedrich Wilhelm l. von Preußen bestätigen, daß die Menschen das wichtigste Gut eines Landes sind.

Literatur

Franz Wilhelm/Josef Kallbrunner: Quellen zur deutschen Siedlungsgeschichte in Südosteuropa (Schriften der Deutschen Akademie, Heft 11,o. J.). In diesem Werk sind die Verzeichnisse der Auswanderer abgedruckt. Es ist daher besonders interessant für denjenigen, der wissen will, wer aus unserer Heimat auswanderte, aber auch für die Nachfahren der Kolonisten, die erfahren wollen, aus welcher Gegend ihre Vorfahren stammten.