Berndorf Anno 1702

Hans Gregor Adrian, Berndorf

 

In den zwei vorangegangenen Ausgaben dieses Jahrbuches ist die Entwicklung des Eifelortes Berndorf in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts beschrieben worden. Das wichtigste Ergebnis dieser Untersuchung waren die verheerenden Auswirkungen, die Pestepidemie und 30-jähriger Krieg auf die Bevölkerungsentwicklung des kleinen Dorfes hatten. Im abschließenden Teil soll gezeigt werden, ob und in welcher Weise sich das Dorf von den schrecklichen Verlusten erholt hat. Die hier untersuchte Steuerliste stammt aus dem Jahre 1702.

Schon ein erster, flüchtiger Blick auf die Steuerliste des Jahres 1702 macht eines deutlich; die Berndorfer Bevölkerung hat seit dem Jahre 1651 gewaltig zugenommen.

Wurden im Jahre 1651 nur fünf Haushalte steuerlich erfaßt, so sind es jetzt 35, was einer Bevölkerungszahl von etwa 185 (1651: 27) entspricht und einer jährlichen Zunahme von mehr als 10 Prozent. Mit anderen Worten; in Berndorf wurde seit 1651 in jedem zweiten Jahr ein neuer Haushalt gegründet!

Neben Zuzug und Einheirat müssen auch günstige wirtschaftliche Bedingungen in stabilen und friedfertigen Zeiten vorhanden gewesen sein, um solch ein Bevölkerungswachstum zu bewirken. Obwohl die Entwicklung durchaus bemerkenswert ist, sollten Zahlen nicht täuschen. Betrachtet man nämlich die Einwohnerzahlen von 1624, dann wird sichtbar, daß der Ort damals schon 27 Haushalte zählte und bei "normaler" Entwicklung im Jahre 1702 sicherlich mehr Haushalte gezählt hätte als 35. Das Dorf hatte durch enormes Bevölkerungswachstum gerade erst die Verluste ausgeglichen, die durch Pest und Krieg entstanden waren.

Die Steuerliste von 1702

vermittelt den Eindruck, daß sich das Finanzwesen des Kurfürsten von Trier beträchtlich weiterentwickelt hat. Immerhin gibt es jetzt schon Vordrucke (1702!), die eine Überschrift, die entsprechenden Vorbemerkungen und einzelne Rubriken enthalten und nur noch ausgefüllt werden müssen. Inzwischen ist auch die ganze Gemeinde am Akt der Steuerschätzung beteiligt, zumindestens insofern, als ihr zu Beginn die entsprechenden kurfürstlichen Erlasse vorgelesen werden. Danach erklären drei vereidigte Berndorfer Bürger vor dem Bürgermeister von Hillesheim die steuerlichen Verhältnisse der einzelnen Haushalte.

Es fällt auf, daß die Steuerliste von 1702 nur noch drei Spalten enthält. Wurden 1624 und 1651 noch die einzelnen Besitzstände wie Haus, Acker, Wiesen, Garten, Pfandschaft, Nahrung, Schafe und Bienen aufgeführt, so gibt es jetzt nur noch drei steuerlich relevante Bereiche: Ehe: (= Familienstand, wobei zur zwischen "gantze ehe", wittmann und wittib unterschieden wurde, wobei der Verheiratete und der Witwer den vollen Steuersatz zu zahlen hatten, während die Witwe nur den halben Steuersatz zahlen mußte)

pfluch:(= steuerlich zu erfassendes Ackerland, ob Wiesen, Gärten und ähnliches dazugehörten, ist wahrscheinlich)

 Nahrung: (= Einkommen)

Dafür wird jetzt aber die Steuer, wie die Überschrift "Quartal-Anschlag" vermuten läßt, viermal im Jahr erhoben. Weiterhin fällt auf, daß die zu zahlenden Steuern pauschaliert worden sind. Verheiratete und Witwer zahlen grundsätzlich 13 1/2 albus, während Witwen 6,6 albus entrichten müssen. Auch in der Kategorie "pfluch" kommen nur fünf Steuergruppen in Betracht. Je nach der Größe des Landbesitzes zahlte man entweder 0; 3, 3 ; 6,6 ; 10 1/8 oder 12 1/2 albus Steuern.

Lediglich bei der "nahrung", also dem Einkommen, wird individuell nach der jeweiligen Höhe besteuert. Diese Pauschalierung hat dem jeweiligen Amtmann sicherlich eine Menge Arbeit erspart, ob sich aber die Besteuerten immer gerecht behandelt fühlten, sei dahingestellt. Daß diese Art der steuerlichen Erfassung individueller Besitzverhältnisse untragbar war, beweisen die Reformbemühungen, die kurze Zeit später - nämlich mit den Beschlüssen des Landtages von Koblenz vom 23. Nov. 1714 -zum Tragen kommen. Schon bald nach dem Erlaß des Kurfürsten Karl Kaspar von der Leyen aus dem Jahre 1652 wies die Steuermatrikel besonders im Bereich "Grundbesitz" wieder große Fehler auf. Es kam zu einem ständigen Streit zwischen weltlichen und geistlichen Steuerzahlern, außerdem konnte man sich nicht über die exakte steuerliche Erfassung der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit einzelner Gebiete einigen. Diese Streitigkeiten wurden mit dem Landtagsbeschluß von Koblenz beseitigt. Der Beschluß sah unter anderem die Abschätzung und Vermessung aller Grundgüter durch Spezialkommissionen vor, die aus einem Notar und einem vereidigten Landvermesser bestanden. Die neuen Regelungen kamen erst ab 1723 zum Tragen, die Steuerzahler des Jahres 1702 mu ßten sich noch mit der pauschalen Besteuerung abfinden.

Die Steuerliste von 1702 beginnt mit folgendem Wortlaut:

Einrichtung des neuen Schatzungs=Fuß in dem Dorf Berndorff ihm ambt Hildesheim d. 29 may 1702 Nachdeme der versammleter gantzer Gemeinden das Churfürstl. gnädigstes Mandat vorgelesen/und sonsten alles der von denen Ober= und Nider= Ertzstifftischen Directoriis abgefasten instruction gemäß/denenselben vorgehalten und bewürcket worden/haben die ausgesetze drey Beaydigte benantlich . . .

Zimmer, Johanns Claß

Christianus pauls

Peter bauth

Erklärt wie folgt

Es folgt eine Liste mit 35 Haushaltsvorständen im linken Teil der Liste, während im rechten Teil vier Rubriken mit den Eintragungen "Ehe", "pfluch", "Nahrung" und "Summe" angelegt sind.

Hiereinige Beispiele:

Ehe

Pfluch

Nahrung

 

Summ;

a:

 

Alb.

Alb.

Rthlr.

Alb

Rthlr.

Alb.

Johannes Hoffmann, gantze ehe, einen gantzen pfluch hat seinen aydam bei sich wohnen niclas schmitz, gibt in die Rent-meisterey nacher Kerpen 7 Malter halb Speltz halb haber und nacher Hildesheim 7 faß halb und halb sein aydam niclas Schmitz hat keine Nahrung

13 1/2

13 1/2

 

18

 

45

Diderich Simon gantze ehe 1/2 pfluch gibt in die pfahrkirch nacher Hildesheim 17 faß halb Speltz und halb haber

13 1/2

6,6

 

3

 

3,4

Mattheiß strunck gantze ehe 1 gantzen pfluch gibt ahn Mattheiß grings ihn Walßdorff 1/2 Malter Speltz, hat bey sich wohnen sein schwigermutter maria Schmit wittib und sein bruder

13 1/2

13 1/2

 

45

1

18

Jacob Cabramin      ein Meurer

Philipps gebeil         ein Schneider

Caspar Pinner         schmid

Michael bruch          ein Schumacher

Arens peter             ein Leineweber

Joachim schmitz     ein schreiner

Phileps gerres         ein Zimmermann

Es fällt auf, daß immerhin 9 von den 19 hauptberuflichen Landwirten Abgaben an die Kirche nach Hillesheim zahlen müssen, wohl Pachtgelder für gepachtetes Ackerland. Neben den Bauern werden inzwischen auch eine ganze Reihe von Handwerkern aufgezählt:

Daneben kommen aber auch immer wieder Menschen vor, die weder einen Beruf noch Ackerland haben, noch irgendein Einkommen und dennoch steuerlich veranschlagt werden; so Peter Theiß, der 13 1/2 albus Steuern zahlen muß, ohne Ackerland zu bewirtschaften oder sonst ein Einkommen zu erzielen. Benachteiligt sind in der Regel auch die Witwen und Witwer, die über wenig oder gar kein Einkommen verfügen.

Über das Schicksal dieser Menschen und ihre Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu bestreiten, liegen leider keine weiteren Angaben vor. Es ist überhaupt zu bemerken, daß die vorliegende Steuerliste wesentlich weniger Angaben über den einzelnen Steuerzahler enthält, als etwa die Liste von 1624 oder die von 1651. Offensichtlich gab man sich mit der Ermittlung der persönlichen Lebensumstände nicht mehr soviel Mühe.

Andererseits muß erwähnt werden, daß das enorme Bevölkerungswachstum, das durch diese Steuerliste belegt ist, zum Teil ein Ergebnis staatlicher Förderungsmaßnahmen ist. Nach den verheerenden Verlusten an Menschen durch den 30jährigen Krieg und die Pest sah sich der Kurstaat gezwungen, mittels staatlicher Lenkung Bevölkerungspolitik zu betreiben. Besonders durch landwirtschaftliche Förderungsprogramme und die Wiederbelebung des Handwerks in den Städten erhoffte man sich wirtschaftlichen Aufschwung und Zunahme der Bevölkerung. Wie es scheint, ist dieses Konzept der Kurfürstlichen Politik aufgegangen.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, daß ein Blick in die Berndorfer Steuerlisten des 17. Jahrhunderts einen kleinen Eindruck davon vermittelt, wie unsere Vorfahren gelebt haben, welcher Arbeit sie nachgingen, welche Sorgen und Nöte sie geplagt haben.

Literaturverzeichnis

1. Stadtarchiv Trier, Steuerlisten Amt Hillesheim

2. Janssen, Franz Roman: Kurtrier in seinen Ämtern (-Rheinisches Archiv Bd. 117) Bonn 1985, S. 345-393.

3. Becker, Kurt: Von Steuer und Kataster. In: Mitteilungen zur trierischen Landesgeschichte und Volkskunde 3, 1958, Heft 3, S. 125-130.

4. Schug, Peter: Geschichte der zum ehemaligen Kölnischen Eifeldekanat gehörenden Pfarreien der Dekanate Adenau, Daun, Gerolstein, Hillesheim und Kelberg (= Geschichte der Pfarreien der Diözese Trier, Bd. V) Trier 1956.

5. Weiss, Heinrich: Die ordentlichen direkten Staatssteuern von Trier im Mittelalter. Diss. Münster 1893.