Das Grenzweistum von Steffeln aus dem Jahre 1680

Werner Grasediek, Steffeln/Trier

 

Unter Weistum versteht man eine ländliche Rechtsquelle, die die Beziehungen zwischen Grundherrn und Bauern betrifft1). Die schriftlich festgehaltenen Weistümer begegnen uns vor allem seit dem 13. Jahrhundert bis etwa zum Dreißigjährigen Krieg (1618-48). In den Weistümern sind nicht nur Rechtsfragen wirtschaftlicher Art geregelt, sondern sie umfassen ein breites Spektrum aller möglichen Rechtsfragen, nicht zuletzt auch die Gerichsstruktur, das Prozeßverfahren und umschreiben - wie im vorliegenden Fall - den Gerichtsbezirk. Die Weistümer enthalten das von der Herrschaft erfragte und von den Vertretern des Dorfes bzw. des untersten Gerichtsverbandes, den Schöffen2), "gewiesene", d. h. feierlich aufgesagte Rechte. Die Schöffen des Banngerichts 3) "wiesen" in meist dreimal jährlich abgehaltenen "Jahrgedingen" 4) die Umgrenzung des lokalen (Dorf-)gerichtsbezirkes, auch als "Bann" bezeichnet.

Im Schöffenweistum von Steffeln, das am 4. Juli 1680 wohl erstmals schriftlich niedergelegt wurde, haben wir eine solche Grenzbeschreibung vor uns. Aus der Einleitungsformel ergibt sich zweifellos, daß das Weistum schon lange vor seiner ersten Aufzeichnung bestand:". . . wie daßelb biß dahin gewießen worden, und noch kein eindrag geschehen" 5).

Die in den Weistümern enthaltenen Gemarkungsbeschreibungen sind viel älter als die ersten Gemeindegrenzenkarten. Fast alle Weistümer enthalten - zumindest in der Originalfassung - die Beschreibungen des Gerichtsbezirkes, der mit Marken, Marksteinen, - kreuzen und -bäumen recht genau abgegrenzt war und in derdie Gerichtsherrschaft, deren Beamte, der Schultheiß oder Meier, als herrschaftliche Amtsträger, die Banngewalt ausübten. "Zugleich wurde es das Gebiet, wo auch die Organe der Gemeinde tätig waren" 6). Wie auch das Schöffenweistum von Steffeln belegt, wurde seit dem Spätmittelalter zur Bezeichnung des Gemeindegebietes häufig der Begriff "Gericht" verwendet. Das Grenzweistum findet sich auf den ersten drei Seiten des Protokollbuches des Gerichts Steffeln. Eine fast gleichlautende Gemarkungsbeschreibung, die aber einige Passagen der hier wiedergegebenen ausläßt, befindet sich bei den Prozeßakten um die Steffelner Mühle aus den Jahren 1554-1715 7).

Der moderne Begriff der politischen Gemeinde "als eine dem Staat eingegliederte Gebietskörperschaft mit dem Recht der selbständigen und eigenverantwortlichen Verwaltung ihrer eigenen örtlichen Angelegenheiten" 8) entstand erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Dennoch läßt sich nachweisen, daß auch die Dörfer im Ancien Regime über eine gewisse kommunale Selbstverwaltung verfügten. Während die Maier oder Schultheißen ausführende Organe der Justizpflege waren, - der herrschaftliche Schultheiß leitete die Gerichtsgemeinde - hieß der Vertreter oder Vorsteher der Gemeinde in der westlichen Eitel "Zender". In den meisten Dörfern wurde er von den Bürgern gewählt. Bei Gerichtstagen sprach er im Namen der Gemeinde und gab Erklärungen über die gemeindlichen Einkommens- und Schuldenverhältnisse. Nach Erich Becker stellten damit die Zen-dereien eine Vereinigung der örtlichen Banngewalt mit den vom Staat für die Friedenswahrung geschaffenen Selbstverwaltungsbezirken dar. Die Funktion des Zenders bestand somit in der "Ausübung der der Gemeinde als öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaft zustehende(n) Befehlgewalt"9). Die Banngerichte sind insofern für die Herausbildung des Gemeindegebietes von Bedeutung, da "sich diese lokalen Gerichte auf mehr oder weniger feste Bezirke erstreckten"10).

Ausschnitt aus der Topographischen Karte 1 :25 000, Bll. 5 605 u. 5 705. Vervielfältigt mit Genehmigung des Landesvermessungsamtes Rheinld.-Pfalz Ktr.nr. 252/88

Im folgenden Abschnitt wird anhand der Gemarkungsbeschreibung im Steffelner Schöffenweistum vom 4. Juli 1680 versucht, den Verlauf der Gemarkungsgrenze im 17. Jahrhundert zu rekonstruieren.

Das Grenzweistum von Steffeln vom 4. Juli 1680 11):

" Prothocollum Deß Gerichts Steffelen, Angefangen post Festum Corporis Christi, den 4. Julii 1680 Durch mich Casparum Linden, Landt-und Gerichtsschreibern der Graffschaft Gerol-stein, und Johan Blawmeüßern, Schulteißen zu Steffelen.

Scheffen Weißthumb wie daßelb, biß dahin gewießen worden und noch kein eindrag geschehen.

Erstlich weißet der Scheffen ahn, bei Lehnrandt auff den roden stein, davon in Vögelsmark auff die anwinne, daselbsten dan hinab, ahn die Löhewieß auff den Marckstein, sodan-ne gegen Auwei auf die Straß auff einen Marckstein, davon dan gegent Kellers hauß ahn die bach, auf einen Marckstein davondan in die bach, die bach auff, biß in den Mühlendeich, den deich auff biß entgegen die Arley, gegen der Arley, auß dem deich, auff einen Marckstein, stehet in nieder Wießen, davon ab, biß in die alte bach, die alte bach auff, biß in delfloß, daß delfloß auff biß in den brunnen, auß dem brunnen, auff einen Marckstein, von dem Marckstein abbiß in die Speckwies auff einen Marckstein, von dem Marckstein auff den Heyden beuwele auff einen Marckstein, von dem Marckstein oberlangs daß Eicholtz, biß in den Eicholtz Seiffen, den Seiften auff biß ahn den alten Weyer, längs den weyer auff, biß in den Albaums Seiffen, den Seiffen auff, biß oben ahn Auweler büsch, ahn einen Marckstein, dha herüber, über Albaum auf Steinhardt, auff ein Marckbaum, über Steinhardt auff, von einer Marken auff die andere zwischen unß, und dem Auweler büsch biß auff die roude erdt, von der erden auff, ahn die wohlfahrts helt auff ein Marckbaum, davon dan waßer-falß herab biß unden in die wulfahrts helt, unden durch die wulfahrts helt, biß auff die drey boechen, von den drey boechen in den Seiffen, den Seiffen auff, biß in den renpath, dem Path nach unseren Marken, und bescheid nach, biß auff den hanen, so zwischen un ß und den Langenfelder stehet, von dem han auff Bremer Kopf auff die Steinkaule, von der Steinkaule ab in Gierickes weiffen, Gierik-kes wiffen ab in die Roßbach, die Roßbach ab in die Weinstraß, die Weinstraß auff, biß obent Ormunten, auf den Espeier steeg, davon die straß wiederumb herab, biß in die Roßbach, die Roßbach ab, in die wirfft, die wirfft ab in den weiters seiffen, den weiters seiffen auff, biß dho der wendt, auff einen marckbaum, davon dan zwischen unß und den von Lissendorff, unseren Marcken und be-scheidt nach, von einer Marcken auff die andere, biß auff daß steinen Creutz, von dem steinen Creutz hervorth, biß auff die Wegh Scheidt auff einen Marckbaum, zwischen meines gne-digen Herrn Cammerforst Lissendorffer und unserem büsch, davon dan herab, ahn Lehn-raedter büsch, auff einen Marckbaum, darvon dannen herab, zwischen unß und dennen von Lehnraedt von einer Marcken auff die andere biß in die hoele von hasenbüsch, darvon dan herab, auff den rouden stein obent Lenardt, dho wir angefangen.

In diesem Weistumb weißen wir unserem gnedigen Herren zu, alle gewalt, gebott und verbott und alle daßjenig, so der obrigkeit stehet zu strafen, und unß Scheffen steht forth zu berichts alß recht-, Schirm- Lehn- und Grundherrn. In diesem Weistumb ist noch etliches, daß mit schaff und dienst, ins gericht Auwei gehörigs, und etliches ligt, auch etzliches im gerichts Auwei gelegen, daß ins gericht Steffelen gehörig, mit schaff und dienst, daß last der scheffen bleiben, wie vor alters.

Pro copia authentica

Außer einer anderer durch den Notarien Henricum Florenium, Notarium publicum, authenti-sierter Copeyen abgeschrieben, und derosel-ben gleichlautend! durch mich F. A. Crocius. Pro Copia Copie Casp. Linden Gerichtsschreiber"

Um die im Weistum beschriebenen Grenzen, die an Flurbezeichnungen, natürlichen Landmarken (Felsen, Bäume, Bäche, Teiche) und künstlichen Marken (Markstein, Grenzkreuze) orientiert sind, zu lokalisieren, wurden Flurkarten und die historische Tranchot-Müffling-Karte von 1809/10 herangezogen sowie eine umfangreiche Flurbegehung durchgeführt. Dabeikonnte Verf. feststellen, daß - von den Markbäumen einmal ganz abgesehen - weitgehend die Marksteine, zumindest im Bereich der landwirtschaftlich genutzten Flächen, verschwunden sind. Dies dürfte nicht zuletzt auf Flurbereinigungsmaßnahmen zurückzuführen sein. Lediglich in den Wäldern sind alte Grenzsteine noch vielfach zu finden. Erhalten geblieben ist auch die Mehrzahl der alten Grenz- und Wegekreuze. Um den Grenzverlauf nachverfolgen zu können, beginnen wir entsprechend den Angaben im Weistum am "roden Stein" (Rotenstein), wo an der Straße von Steffeln nach Lehnerath ein Nischenkreuz aus Lavatuff aus dem 17. Jahrhundert die Banngrenze markiert 12). Von hier aus verlief die Grenze in südöstlicher Richtung durch die Flur "Vögeismark" (Vogelsmaar) bis an die "Löhewieß" (Auf dem Lüh). Die Grenze überquerte die Straße Steffeln - Auel unweit des heute verschwundenen Grenzkreuzes 13). Wenige Meter östlich davon stehen bereits die ersten Aueler Häuser, die nach dem früheren gräflich blankenheim-ge-rolsteinischen Zoll an der alten Handelsstraße Koblenz-Malmedy-Lüttich noch heute als "Die Zollhäuser" bezeichnet werden. Von diesem Punkt aus lief die Gemarkungsgrenze in südlicher Richtung auf "Kellers hauß", das am weitesten westlich gelegene Aueler Bauernhaus, zu 14), bis sie auf den Tieferbach traf. Hier machte die Grenze einen Knick und folgte dem Bach in westlicher Richtung bis in den (ehemaligen) Mühlenteich bei der alten Steffelner Bannmühle. Gegenüber der "Arley", einem Tuffeisen oberhalb des Mühlenteiches, stand ein Grenzstein "in nider Wießen", der sicherstellte, daß die Wasserrechte für die Mühle nicht durch die Grenze tangiert wurden. Von diesem Grenzstein aus folgte die Grenze zunächst dem "alte Bach", das ist der Teil des Tieferbaches, der nicht für den Mühlenteich abgezweigt war. Dem in den Tieferbach einmündenden "Delfloß", einem Entwässerungsgraben, folgend, bog die Grenze in südwestlicher Richtung ab bis zu einem "Brunnen". Auf den älteren topographischen Karten ist der "Delfloß" noch gut zu erkennen. Er verlor seine Funktion erst durch die Flurbereinigungs- und Dränagearbeiten in den sechziger Jahren. Von dem (heute nicht mehr vorhandenen) Brunnen lief die Grenze auf einen Markstein zu. Dieser dürfte sich mit großer Wahrscheinlichkeit an der Stelle des heutigen "Dellkrüz" befunden haben, einem Nischenkreuz aus Lavatuff 15). An dieser Stelle änderte die Grenze erneut ihre Richtung und verlief in ziemlich genau südlicher Richtung durch die "Speckwieß" unweit des Oosbaches bis zum "Heyde beuwele" (Heidebeuel). Von hier aus führte sie "obenlangst", d. h. westlich, am "Eicholtz"-Wald vorbei bis in den "Eicholtz seiften" (Seifen = im .Bergland: enges, schluchtartiges Tal mit Rinnsal). Hier bog die Grenze scharf nach Westen ab und folgte dem kleinen Bach bis an den "alten Weyer". Dieser jetzt trockengelegte Weiher ist auf der Tranchot-Karte aus dem Jahre 1809/ 10 noch verzeichnet. Oberhalb des Weihers folgte die Grenze dem Bach, der aus dem "Albaums seiften" kam bis zum Rand des "Auweler büsch ahn einen marckstein". An diesem Markstein, der noch vorhanden ist, bog die Grenze rechtwinklig nach Norden ab und verlief am östlichen Rand des Aueler Gemeindewaldes bis zum "Steinhardf(Steinert), einer nach Osten vorspringenden Erhebung. Hier befand sich ein Markbaum, der eine erneute Richtungsänderung bezeichnete: Die Grenze verlief in einem Bogen in westlicher Richtung über die "roude erdt" (Rote Erde) bis zur "wul-fahrts helt" 16), wo sie wiederum auf einen Markbaum traf. Die Grenze trennte hier den Steffelner und Aueler Gemeindewald und ist heute noch durch mehrere, vermutlich von den Franzosen am Ende des 18. Jahrhunderts zur Markierung der Departementsgrenzen eingesetzte Grenzsteine, feststellbar.

Es kann kaum einen Zweifel daran geben, daß die heutige Nordgrenze des Aueler Gemeindewaldes mit der früheren Abgrenzung der Steffelner Gemarkung zwischen Ahlbaumsseifen und Rennpfad gemäß dem Weistum zusammenfällt. An der Stelle des genannten Markbaumes befindet sich heute ein vermutlich französischer Grenzstein, von dem aus die Grenze in nordöstlicher Richtung umbog, um "wasser-falß herab", d. h. also der Fließrichtung des Baches folgend, unterhalb der "wulfahrts helt" an den "drey Boechen" (Buchen) vorbei in den "Seiften" zu stoßen. Dem "Seiften" folgte die Grenze aufwärts, bis sie auf den von Süden nach Norden auf der Wasserscheide laufenden Höhenweg "Renpath" (Rennpfad) traf. Dem Rennpfad folgte sie nun in nördlicher Richtung bis zum "Hanen" (Hain) zwischen der Steffel-ner und der Kleinlangenfelder Gemarkung und weiter bis zu einer "Steinkaule" (Steinbruch) in der Nähe des "Bremer Kopfes", einer 611 m hohen Bergkuppe. Vom Bremer Kopf führte die Grenze in "Giericks wiffen" (Wiffen = alte Nebenform von Grenzmarke). Möglicherweise könnte damit auch das enge Tälchen nordöstlich des Bremer Kopfes gemeint sein oder der sumpfige Oberlauf des Roßbaches. Wahrscheinlicher ist aber die letzte Annahme, so daß die Grenze im sumpfigen "Gierickes wiffen" verlief und dann dem "Roßbach" folgte. Der Roßbach und weiter in nördlicher Richtung der "Wirftbach" bildeten über eine längere Strecke die "nasse" Gemeindegrenze. Genau zu bestimmen ist die Stelle, wo die "Weinstraß" den Roßbach und damit die Gemarkungsgrenze in ostwestlicher Richtung passierte 17). Der im Weistum erwähnte Name "Ormondten" bezieht sich wohl auf Ormont, den die Weinstraße als nächsten Ort passierte. Nach dem Roßbach bildete weiter talwärts der Wirftbach die Gemarkungsgrenze bis zu der Stelle, wo der "weyters seiffen", ein vom "Weitersberg" her kommendes enges Tälchen, in das Tal des Wirftbaches einmündete. Die Gemarkungsgrenze bog, dem "weyters seiffen" folgend, zunächst in südlicher Richtung ab, um im weiteren Talverlauf nach Südwesten auf den Weitersberg zuzulaufen. Die im Weistum genannten Markbäume konnten nicht mehr lokalisiert werden, es fanden sich aber mehrere französische Grenzsteine, die den angenommenen Grenzverlauf bestätigten. Die "Wegh Scheidt" bezeichnet wohl die Straßenkreuzung auf dem Weitersberg, von der Wege nach Stadtkyll, Schüller und Lissendorf führten. An der Stelle, wo die Gemarkungsgrenzen von Lissendorf, Lehnerath und Steffeln zusammentreffen, befinden sich heute drei alte Grenzsteine, wovon einer wohl von den Franzosen gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufgestellt wurde; die anderen erscheinen von der Form her noch älter. Auch die Abgrenzung zwischen dem "Gnedi-gen Herrn Cammerforst Lissendorffer und unserem büsch", also zwischen dem gräflich-gerolsteiner Forst und dem Steffelner Gemeindewald, entspricht noch der heutigen. Dieser Grenzverlauf dürfte spätestens nach dem Vergleich zwischen der Gemeinde Steffeln und dem Grafen von Blankenheim-Gerolstein im Jahre 1638 zur Besitzstandsregelung in den Wäldern des Steffelner Bannes festgelegt worden sein 18). Die Gemarkungsgrenze verlief weiter in südöstlicher Richtung, "dan herab zwischendt unß und den von Lehnrandt" (Lehnerath) "biß in die hoele von hasenbüsch". Unter "hoele" ist ein Hohlweg zu verstehen; eine Höhle gibt es in diesem Bereich jedenfalls nicht. Vom "Hasenbüsch" aus führte die Grenze dann nördlich der Anhöhe Walhausen in ziemlich geradem, südöstlich gerichteten Verlauf bis zum Rotenstein, "da wir angefangen haben".

Einen Beleg für die enge Verzahnung und die Überschneidung der Besitzverhältnisse auf der Aueler und der Steffelner Flur bietet der Hinweis der Schöffen, daß es sowohl auf Steffelner als auch auf Aueler Bann Grundbesitz gebe, der jeweils der Gerichtshoheit des anderen Banngerichtes unterstehe, wobei die auf diesem Grundbesitz lastenden Dienste und Angaben an die Grundherren abgeführt werden müßten.

Festumrissene Ortsgemarkungen sind - außer bei planmäßigen Gründungen - nicht auf einen einmaligen Akt zurückzuführen, etwa bei der Ortsgründung. Vielmehr bilden sie das Ergebnis einer jahrhundertelangen Entwicklung, in der sich der Zerfall alter Gemeindeeinheiten vollzieht und auf die verschiedenste politische und wirtschaftliche Faktoren einwirken. Diese Entwicklung setzte ein am Ende der hoch-bzw. spätmittelalterlichen Ausbauperiode, wobei die scharfe Abgrenzung der Ortsgemarkungen in Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung des Siedlungsgefüges steht und als "Form der Raumfüllung und Raumfeingliederung" 19) aufzufassen ist. Feste Grenzen entstanden zunächst in den Tälern, wo das Kulturland zweier Dörfer aneinanderstieß. Infolgedessen kann man von einer Beständigkeit der Gemeindegrenzen seit dem 13. und 14. Jahrhundert sprechen, wobei die Grenzfestlegung in den weniger ertragreichen Gebieten oft Jahrhunderte beanspruchte. Die Mehrzahl der Grenzveränderungen erfolgte in den letzten zweihundert Jahren durch "planmäßige behördliche Eingriffe nach verwaltungstechnischen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten"20).

Grenzstein "Langer Stein", an dem die Gemarkungsgrenzen von Auel, Steffeln, Duppach, Kleinlangenfeld und Schwirzheim zusammentrafen.

Der westliche Abschnitt der Gemarkungsgrenze verlief entlang eines mittelalterlichen Höhenweges (Wasserscheide!), dem "Rennpfad" oder er wird durch Wasserläufe gebildet (Roßbach, Wirftbach). Die Gemarkungsgrenze liegt relativ weit von der Siedlungsstelle entfernt (zwischen 3,5 und 4 km Luftlinie) irn oder am Rand ausgedehnter Wälder und früher extensiv genutzten Schiffel- und Ödlands 21). Die östliche Gemarkungsgrenze kommt bis auf einen halben Kilometer an den Ort Steffeln heran; andererseits reicht die Grenze auch bis auf wenige hundert Meter an die ersten Häuser des Nachbarortes Auel, an das "Kellers hauß". Im Osten verläuft die Grenze durch intensiv genutztes Offenland, meist fruchtbares Ackerland, und bildet die Abgrenzung des Kulturlandes der beiden Dörfer. Auffallend ist, daß die Gemarkungsgrenze den Killenberg (517 m), an dessen Nordflanke sich bedeutende Steinbrüche befanden, völlig umschließt (zu Steffeln). Die äußerst fruchtbaren, schwarzen vulkanischen Ackerböden östlich von Auel liegen fast vollständig innerhalb der Aueler Gemarkung, die hier stark nach Westen ausbuchtet. Bis zum Ende der französischen Zeit lag der "Aueler (Gemeinde-)Wald" nicht innerhalb des Steffelener Gemeindegebietes. Der "Aueler Wald" bildet den Anteil der Gemeinde Auel an dem dicht bewaldeten Höhenzug des "Duppacher Rückens". Die Steffelner Gemarkung umfaßt das Offenland zwischen "Aueler Wald" und "Eichholz" (Gemeinde Auel) und stößt nach Süden bis zu dem kleinen Bach im "Eichholtz seiffen" vor (vgl. Karte). Die preußischen Behörden scheinen nach 1815 im Zuge von Arrondierungsmaßnahmen den "Aueler Wald" zur Gemarkung Steffeln geschlagen haben, obwohl er bis heute noch einen anderen jagdrechtlichen Status hat und bis 1970 der Gemeinde Auel gehörte. Auffallend ist, daß sich die Gemarkungsgrenze von Steffeln - bis zur Kommunalreform 1968/70 - im Norden, Westen und Osten über drei Jahrhunderte hinweg kaum verändert hat.

(1) vgl. Blickte, P (Hrsg.): Deutsche Ländliche Rechtsquellen. Probleme und Wege der Weistumsforschung. Stuttgart 1977; Kollnig, K.: Probleme der Weistumsforschung. In: Deutsches Bauerntum im Mittelalter. Hrsg. v. G. Franz. Darmstadt 1976 (Wege d. Forschung 416); Werkmüller, D.: Über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer. Nach der Sammlung von Jacob Grimm. Berlin 1972.

(2) von lat. scabinus - Laienrichter

(3) Das Banngericht war kein gemeindliches Gericht; vgl. Nikolay-Panter, M.: Entstehung und Entwicklung der Landgemeinde im Trierer Raum. Bonn 1976 (Rhein. Archiv 97), S. 110-114.

(4) Jahrgeding - öffentliche Gerichtsversammlung

(5) Landeshauptarchiv Koblenz Best. 29 G 352: Protokollbuch des Gerichts Steffeln

(6) Nikolay-Panter: Entstehung und Entwicklung der Landgemeinde im Trierer Raum, S. 149;

(7) Landeshauptarchiv Koblenz Best. 29 B 126; den Hinweis hierauf verdanke ich Herrn Peter May, Auel.

(8) Hoke, R.: Gemeinde. In: Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte Bd. l. Hrsg. v. A. Erler/E. Kaufmann. Berlin 1971, Sp. 1494; vgl. Buchda, G.: Landgemeinde. In: Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte Bd. II. Hrsg. V. A. Erler/E. Kaufmann. Berlin 1978, Sp. 1490-1495; Bader, K.S.: Das mittelalterliche Dorf als Friedens- und Rechtsbereich. Weimar 1957 ND Graz/Wien/Köln 1967; Bader, K.S.: Dorf und Dorfgemeinde in der Sicht des Rechtshistorikers. In: Zeitschr. f. Agrargeschichte u. Agrarsoziologie 12, 1964, S. 10-20.

(9) Zit. nach Peters. M.: Untersuchungen zur Agrarvertassung im 18. Jahrhundert bis zum Ende der französischen Revolutionsherrschaft im Jahre 1815 in den heute deutschen Teilen des Herzogtums Luxemburg. Unter besonderer Berücksichtigung des 1766 aufgenommenen Maria-Theresia Katasters. Diss. phil. (mschr.) Freiburg 1955, S. 69; vgl. Steinbach, F.: Ursprung und Wesen der Landgemeinde nach rheinischen Quellen. In: Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen. Konstanz/Stuttgart 1964, S. 245-288, hier S. 258ff.: Nikolay-Panter: Entstehung und Entwicklung der Landgemeinde im Trierer Raum; Haas, E.: Die kurtrierische Landgemeinde im 17. und 18. Jahrhundert. In: Rhein. Vierteljahresblätter 2, 1932, S. 43-70; Herzog, E.: Landgemeinde und Grundherrschaft im Rheinland. Diss. phil. (mschr.) Bonn 1923;

(10) Nikofay-Panter: Entstehung und Entwicklung der Landgemeinde im Trierer Raum, S. 149; vgl. Steinbach; Ursprung und Wesen der Landgemeinde nach rheinischen Quellen, S. 254; Bader, K.S.: Die Gemarkungsgrenze. Stand und Aufgaben ihrer Erforschung. In: Grenzrecht und Grenzzeichen. Freiburg i. B. 1940 (Das Rechtswahrzeichen 2), S. 56-67.

(11) Landeshauptarchiv Koblenz Best. 29 G 352;

(12) zu Grenzkreuzen vergl. Meyer, G. J.: Wegekreuze und Bildstök-ke im Kreis Prüm 3 BdeTrier 1959, bes. Bd II Bli. 221, 223; Meyer, G.J./Freckmann, K.: Wegekreuze und Bildstöcke in der Eifel, an der Mosel und im Hunsrück. In: Rhein.-westfäl. Zeitschr. f. Volkskunde 23, 1977, S. 226-278;25, 1979/80, S. 35-79; 26/27, 1981/ 82, S. 153-175; Meyer/Freckmann datieren die Nischenkreuze am "Rotenstein" und am "Dellkrüz" auf Anfang bzw. Mitte des 17. Jahrhunderts. Diese Datierung scheint aber nicht zutreffend zu sein, da beide Kreuze sonst bestimmt im Grenzweistum erwähnt worden wären.

(13) vgl. Bistumsarchiv Trier ABt. 71,203, Nr. 29e); Meyer: Wegekreuze Bd. III, S. 26

(14) Im Kellers Haus wurde am 7. 2. 1707 Johann Michael Baur geboren, ein Wohltäter der Gemeinde Auel. Baur machte sich als österreichischer Obrist in den Türkenkriegen durch seine Tapferkeit und Umsicht einen Namen. Nach dem Tode seiner Frau, die ihm ein beträchtliches Vermögen hinterließ, wurde er Priester und kehrte in seinen Heimatort zurück. Auf seine Kosten ließ er die Kirche vergrößern und neue Altäre errichten. Kurz vor seinem Tode am 9.5.1779 stiftete er ein Benefizium und begründete eine Studienstiftung (vgl. Oster, P. (Bearb.): Geschichte der Pfarreien der Dekanate Prüm-Waxweiler. Trier 1927 (Geschichte d. Pfarreien d. Diözese Trier III), S. 565-567).

(15) vgl. Meyer: Wegekreuze und Bildstöcke im Kreis Prüm, Bl. 221

(16) Der Flurname "Rote Erde" rührt von dem an dieser Stelle auftretendem rötlich gefärbten Buntsandstein her. Die "wulfahrts helt" bezeichnet eine nach Norden abfallende Gebirgsflanke.

(17) Bei der Weinstraße handelt es sich um eine ehemals bedeutende Fernhandelsstraße von der Mosel quer durch die Eifel nach Lüttich. In der Tranchot-Müffling-Karte (1809-10) wird das Teilstück zwischen Steffeln und Ormont als "Route de Malmedy ä Hilles-heim" bezeichnet, in einem Ausbauplan von 1788 als "Route de Malmedy ä Coblence'Vvgl. Heyen, F.J.: Der Plan einer Ost-West-Straße durch die Schneifel 1785/86. In: Jahrbuch Kreis Prüm 7, 1966, S. 58-63). Der geplante Ausbau, der aber nicht ausgeführt wurde, ist ein Beleg für die Bedeutung dieser Fernverbindung zwischen der kurtrierischen Residenz Koblenz und dem Wirtschafts- und Gewerbezentrum Lüttich. Nachdem der Wiener Kongreß (1815) die Rheinlande zu Preußen geschlagen hatte und wenige Kilometer westlich von Malmedy eine neue Staatsgrenze gezogen wurde, verlor die Nordwest-Südost-Verbindung an Bedeutung. Zudem bauten die preußischen Behörden die Strecke im Kylltal aus. Auf der Tranchot-Müffling-Karte von 1809/ 10 noch deutlich als Hauptverbindungsstraße gekennzeichnet, erscheint sie kaum achtzig Jahre später in den Meßtischblättern der preußischen Landesaufnahme nur noch als Feldweg.

(18) vgl. Läis, E. D.: Die Stock- und Vogteiguts-Besitzer in der Eifel und der umliegenden Gemeinden in Betreff streitiger Waldungen. Historisch-juristische Darstellung merkwürdiger Rechtsfälle, nebst ihren Entscheidungen und Belegen. 2 Bde. Trier 1830/31, bes. Bd, II S., 119-121, 125-129; Schannat, J. F.: Eiflia Ilustrata oder geographische und historische Beschreibung der Eifel. Aus dem lateinischen Manuskript übersetzt und mit Anmerkungen und Zusätzen bereichert von G. Barsch, 3 Bde Köln/Aachen/Leipzig 1824-1855 ND Osnabrück 1982: Eiflia Ilustrata Bd 2: Der Kreis Daun. Bearb. v. F. J. Ferber/E. Mertes. Hrsg. v. F. Gehendges, S. 227

(19) Völkel, R.: Die Ortsgemarkungskarte als Grundlage kulturlandschaftlicher Forschungen. Frankfurt/M. 1937 (Rhein.-Main. Forschungen XVII), S. 39.

(20) Völkel, R.: Die Ortsgemarkungskarte, S. 26.

(21) vgl. Grasediek, W.: Wüstungen in der Umgebung von Steffeln. Ein Beitrag zur historisch-geographischen Siedlungskunde der Eifel. In: Heimatjahrbuch Kreis Daun 1987, S. 78-85.