Der Weltuntergang am Weinfelder Maar

Heinz Reuter, Bodenbach

 

Ein herrlicher Sommertag, Mitte August, nicht einmal die Andeutung eines Wölkchens war am makellos blauen Himmel zu entdecken. Und es war warm, sehr warm sogar-ein Wetter also, wie man es sich in der Ferien- und Erntezeit nur wünschen konnte. Wir waren - fünf junge Leute - auf einer Eifelwanderung und hatten von Himmerod kommend, über Manderscheid und Bleckhausen unser Tagesziel, das Weinfelder oder Totenmaar, erreicht und eben unser Zelt am Ufer aufgeschlagen. Damals, Ende der zwanziger Jahre, war das noch erlaubt, Camping und Autotourismus unbekannte Begriffe. Auf unserem Weg sahen wir das erste Auto dieses Tages kurz vor Daun.

Nach vollbrachter Tagesleistung hatten wir es uns im Gras bequem gemacht und wollten gerade in aller Gemütlichkeit ein Vesperbrot vertilgen, als wir auf eine kleine Gruppe von Frauen und Kindern aufmerksam wurden, die nicht weit von uns entfernt ebenfalls im Gras lagerten. Sie hatten, wie wir später von ihnen erfuhren, ihren Männer, die auf den Feldern in der Nähe arbeiteten, den Nachmittagskaffee gebracht und waren dann zum Friedhof am alten Weinfelder Kirchlein gegangen. Jetzt aber starrten sie aufgeregt gestikulierend zum Himmel. Ihre Stimmen wurden immer lauter, sodaß wir sie gut verstehen konnten. "Da, ein Zeichen am Himmel", riefen sie durcheinander. Wir sahen es jetzt auch - einen immer länger werdenden senkrechten weißen Streifen, dann einen zweiten, der mit dem ersten beinahe ein Kreuz bildete. Ein vielstimmiger Schrei: "Das Kreuz erscheint!" Zugleich waren sie alle aufgesprungen und scharten sich nun um eine alte Frau, offensichtlich die Großmutter, die mit zitternder Stimme erklärte und sich dabei bekreuzigte: "So steht es in der Bibel, in der Offenbarung des hl. Johannes, es würden Zeichen am Himmel erscheinen, wenn das Ende der Welt kommt. Jetzt ist es so weit:" Am Himmel aber war es noch nicht so weit, denn der weißen Striche wurden immer mehr, auch kreisförmige Gebilde kamen dazu. Wir brachen zum Entsetzen der Frauen und Kinder in schallendes Gelächter aus, denn als moderne Städter hatten wir schnell erkannt, was sich da tat: Das damals modernste Werbemittel, kleine Flugzeuge, sogenannte Himmelsschreiber, malten bei Windstille und wolkenlosem Himmel mittels weißer Sprühgase in großer Höhe, sodaß sie kaum zu hören waren, klar und deutlich das Wort "Persil" ans Firmament. Und der erste Buchstabe sah zunächst, bevor der Rundbogen des P komplett war, tatsächlich einem Kreuz ganz ähnlich.

Inzwischen hatten die Himmelsakrobaten ihr Werk vollendet. Die Frauen und Kindersahen etwas betreten drein, bevor auch sie lachten. Sie hatten von diesem "neumodischen Kram" noch nie etwas gesehen oder gehört und wir mußten es ihnen ganz genau erklären. Die Oma kommentierte das mit ihrer Altersweisheit so: "Die Leute in der großen Stadt wissen halt mehr vom modernen Leben als wir Eifeler, ob sie aber glücklicher sind?" Jedenfalls waren sie heilfroh, daß es mit dem Weltuntergang noch eine Weile Zeit habe, und der Schreck, der ihnen in den Gliedern saß, war bald vergessen.