Eine "Mühlen-Wanderung"

Anton Sartoris, Immerath

 

Dies ist eine Einladung an Sie, liebe Leser. Ich möchte Ihnen gerne die Schönheiten des mittleren Üßbachtales zeigen, den romantischen Teil, der bei der Demerather Mühle beginnt. Doch vorab ein kurzer Abstecher in den Ort Demerath. Er ist 900 Jahre alt, gehörte jahrhundertelang zum Erzstift und Kurfürstentum Köln und vor der alten Pfarrkirche befindet sich noch heute ein Gerichtsstein aus kurkölnischer Zeit.

Nun wandern wir ins Üßbachtal zur Demerather Mühle. Recht freundlich werden wir dort von der rüstigen Müllerin Therese Waldorf empfangen, sie ist 86 Jahre alt und gibt gern Auskunft über die Geschichte des Hauses. Die Familie Waldorf hat sie seit etwa 1840 im Besitz, Vorgänger waren die Familien Föllenz und Heß. So stiftete ein Philipp Heß im Jahre 1764 eine größere Menge Getreide auf Jahre hinaus für die Armen der Gemeinde Demerath. Seit 1950 ist die Mühle nicht mehr in Betrieb, heute ist sie ein beliebtes Wanderziel.

Erfrischt von Bier und Sprudelwasser wandern wir weiter bachabwärts etwa drei km zur Wollmerather Mühle. Diese gehörte in früheren Jahrhunderten zur damaligen Herrschaft Wollmerath, den Herrn v. Landenberg. Die Chronik Wollmerath berichtet darüber:

"Die Bannmühle", so heißt die herrschaftliche Mahlmühle, auf der alle Einsaßen genötigt waren, ihre Früchte mahlen zu lassen. Eine solche Mühle lag gewöhnlich in der Nähe einer Hauptortschaft, auf der besten Stelle und war Eigentum der Herrschaft. Unter Strafe war es verboten, anderswo mahlen zu lassen. Es verhielt sich mit der Bannmühle wie mit dem herrschaftlichen Schenken. Die Bannmühle der Herrschaft Wollmerath lag nahe an diesem Ort, auf der rechten Seite der Üß, wo jetzt die Wollmerather Mühle steht. Man bemerkt überhaupt an den meisten Mahlmühlen, daß sie in älteren Zeiten einen weit kürzeren Mühlenteich hatten, als später und jetzt. Dem Wasser wurde durch die langen Teiche eine größere Kraft gegeben. Man sieht hierin den Fortschritt im Mahl- und Mühlenwesen.

Da diese Bannmühle Eigentum des zeitigen Junkers in Wollmerath und des Klosters Sprin-giersbach war, kam sie stets an Pächter. Gegen 1590 betrug die jährliche Pacht 6 Malter Korn, 2 1/2 Malter Hafer, wovon Springiersbach 2 Malter Korn und 1 1/2 Malter Hafer bezog. Gewöhnlich hatte sich die Herrschaft noch freies Mahlen für ihren Gebrauch und einiges Breimehl in dem Vertrage bedungen. In der Güterteilung der v. Landenberg 1718 steht: "Die Mühle zu Wollmerath 6 Mit. Korn, 1 Mit. Hafer, das freymahlen, 5 Rthlr. Capital pro Jahr."

Heilquelle Üßbachtal bei der Strotzbüscher Mühle.

Das Anwesen ist heute im Besitz von Josef Alt, (77 Jahre) er wohnt allein im Haus.

Die Mühle gehört zur Gemeinde Wollmerath, obwohl sie auf der rechten Seite des Üßbaches liegt, also zu den angrenzenden Gemeinden Winkel, beziehungsweise Demerath und zum Kreis Daun gehören müßte. Es war aber die "Bannmühle" der Herrschaft Wollmerath und diese wird ihren Einflußbereich seinerzeit über die Üßbachgrenze ausgedehnt und beansprucht haben. Etwa 200 m oberhalb und 200 m unterhalb des Hauses ungefähr bei 300 m tief ist das zu Wollmerath abgetrennte Gelände. Im Volksmund nennt man es heute noch die "Spalt- oder Streitecke", und sollen die Herrn von Wollmerath diese beim Kartenspiel gewonnen haben! Einige hundert Meter talabwärts stand früher die Niederwinkeler Mühle. Darüber schreibt Dr. Cnyrim in seinem Buch "Im Banne des.Totenmaares" wie folgt: "Die Schweden in hiesiger Gegend im 30jährigen Krieg; im Jahre 1632 geht zuerst Filz in Flammen auf, dann die Mühle in Niederwinkel, der Robeshof und der Lützenthalerhof, die damit vom Erdboden verschwinden. Das Dorf Demerath wurde ebenfalls eingeäschert."

(Es gibt heute Geschichtsforscher, die behaupten, es seien keine Schweden damals in hiesiger Gegend gewesen. Die Verwüstungen wären von anderen Truppen ausgeführt worden!?) Wir wandern weiter durch das enge Tal, umgeben von hohen Bergen, mit herrlichem Wald bestanden. Es geht hinüber und herüber über den Üßbach, mal sind wir also im Dauner/ Trierer, mal im Cochemer/Koblenzer "Hoheitsgebiet". Schräg gegenüber vom Ort Wagenhausen grüßt uns der Weidgerskopf, über 460 m hoch, mit dem "Wildfrauenhaus", eine Höhle, von dicken Lavabrocken umgeben, wo in der Mainacht auch heute noch die Hexen tanzen sollen. Die Wagenhausener können das Spektakel gut beobachten, wie sie mir bestätigten.

Unser Ziel ist nun die Heckenmühle. Auch hier, unweit von Wagenhausen, befand sich einmal eine Mühle. Die Chronik Wollmerath berichtet: "Betr. Hahnenlieferung :... Item eine Burgwiese und Wasserlauf zu Wagenhausen wo für (= vor!) alters eine Ohligsmühle gestanden, gibt Jahr 100 frische Eier, (= 1582), und zwei gute hanen von der Wollmerather Mühle, so lang der Herr will."... Item von der Mühle zu Winkel geben die Sommers Erben jährlich 4 Kapaunen oder 6 hanen." (= 1619). (Kapaunen sind zerschnittene Masthähne!)

Vorbei an der Wagenhausener Brücke erreichen wir bald die Heckenmühle, heute genannt Heckenhof. Die Heckenmühle gehörte früher auch zur Herrschaft Wollmerath. Im Weisthum von Immerath von 1660 wird sie als "henchenhoff" bezeichnet. Dieselbe war viele Jahrzehnte Eigentum der Familie Haubrichs. Erstmals wird ein Johann Haubrichs 1827 als Müller und Eigentümer dort genannt. Später übernahm der Sohn Christoph die Mühle und ab 1880 Franz Haubrichs, der mit seiner Familie bis 1930/35 dort wohnte.

Da ziemlich viel Ackerland und Wiesen zur Mühle gehörten und die Mühle selbst seit Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb war, übernahm die Landsiedlung Rheinland-Pfalz im Zuge der Flurbereinigung Immerath, wozu die Heckenmühle gehört, 1958 das Gelände mit zum Teil verfallenen Gebäuden und richtete eine landwirtschaftliche Siedlung dort ein. Dieselbe ist Eigentum der Familie Robert Vickus, sie liegt zum größten Teil auf Bann Immerath.

Nun überqueren wir die Landstraße 16 Lutzerath-Gillenfeld und es geht über die Brücke zur "Alten Mühle", auf Lutzerather Bann, in früheren Zeiten "Lutzerather Mühle" genannt. Den Namen "Alte Mühle" erhielt sie erst, nachdem einige km bachabwärts eine neue Mühle gebaut wurde. Die Lutzerather Mühle war Eigentum der Gemeinde Lutzerath und den jeweiligen Pächtern (-Betreibern-) in Erbpacht gegeben. An Pachtzins wurden Naturalien erhoben, die Ende des Jahres, meist zu Weihnachten, fällig waren: Brot, Brötchen und Wecken mußten an die Armen des Dorfes geliefert werden. Von 1731 bis 1908 war die Lutzerather Mühle in Erbpacht der Familie Rauen, einem Müllergeschlecht und auf mehreren Mühlen in hiesiger Gegend beheimatet.

 

Lutzerath-Neumühle

Nach 1908 fand sich zunächst niemand mehr, der die Mühle betreiben wollte; sie stand leer. So verfielen Gebäude und Einrichtungen. Im Jahre 1920 kauften Nikolaus Busch aus Lutzerath und sein Schwager Johann Keßler aus Driesch die verfallene Mühle und bauten sie wieder auf. Bereits 1924 konnte der Mahlbetrieb aufgenommen werden. Die Genannten betrieben die Mühle bis 1934. Dann verkauften sie dieselbe an die Familie Fritz Drees. Letzterer verpachtete das Anwesen zunächst an einen Herrn Frey. Während der Pachtzeit von Frey, besonders als dieser zum Militär einberufen wurde, war Nikolaus Busch weiterhin auf der Mühle beschäftigt und hielt den Mahlbetrieb aufrecht. Durch die später eingetretenen Kriegsereignisse bedingt, kam die Familie Drees selbst erst im Jahre 1948 auf die Mühle. Wie die meisten kleinen und mittleren Mühlen hierzulande, fiel auch diese dem "Zahn der Zeit", der Verdrängung durch die modernen Großmühlen zum Opfer. Der Sohn Hubert ist heute Besitzer. Neben einem Fuhrbetrieb unterhält er einen kleinen, landwirtschaftlichen Betrieb. Von der Alten Mühle nun gehts weiter entlang dem schönen Üßbachtal zur Neumühle, auch auf Lutzerather Bann gelegen. Der jetzige Besitzer, Dipl.-Kaufmann Heiner Moll, empfängt uns freundlich und so verweilen wir bei einem Gläschen Wein und interessanter Unterhaltung recht lange dort. Herr Moll erwarb die Gebäude 1982. Die Mühle an sich war schon einige Jahre außer Betrieb. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten stehen heute schmucke Häuser da, mit Ferienwohnungen ausgestattet, im Dienste des Fremdenverkehrs. Ein kleiner Wildpark umgibt die "Neumühle", die ihren ursprünglichen Namen natürlich beibehalten hat. Das älteste Gebäude trägt die Jahreszahl 1810 und da wird die Mühle erbaut worden sein. Im Jahre 1912 heiratete Matthias Schneiders aus Kennfus in die Mühle ein und betrieb dieselbe. Dessen Schwiegereltern, Johann und Maria Müller, waren ungefähr seit 1870 auf der Mühle; 1939 heiratete Matthias Schmilz aus Longkamp/Hunsrück ein. Nach dessen frühem Tod gaben die Angehörigen die Mühle auf und verkauften sie zunächst an die Interessenten Werl und Machmann. Herr Moll erwarb die Mühle von diesen 1982. Wir verlassen die Mühle mit dem beiderseitigen Wunsch: "Auf baldiges Wiedersehen!"

Ein besonderer Wandertag gilt der Strotzbüscher Mühle. Versteckt, hart an die Schieferfelsen angelehnt, finden wir sie im "Siebenbachtal" der Üß. Sie gehört zur Gemeinde Strotzbüsch, Kreis Daun. Die jetzigen Besitzer, Familie Orschel, erwarben die Mühle vor einigen Jahren. Wir werden freundlich empfangen und erhalten gerne Auskunft, ebenso unser Begleiter Adam Rauen aus Strotzbüsch, der mit uns wandert, ein Bekannter der Familie Orschel. In früheren Zeiten, als der Mahlbetrieb noch lief, war Rauen dort beschäftigt. Das große Wiesengelände vor den Gebäuden lädt zum Verweilen ein. Wir besichtigen den Wassertunnel, der durch den Bergfelsen für den Mühlenteich gebrochen wurde, die neu mit sauberem Mauerwerk eingefaßte Heilquelle im Üßbach. Das älteste von den Wohngebäuden trägt die Jahreszahl 1838. Dies war die zweite Mühle, die erste lag etwa 200 Meter ostwärts der jetzigen. Nach dem Neubau 1838 wurde diese wegen Baufälligkeit abgerissen.

Die Strotzbüscher Mühle wurde im vorigen Jahrhundert längere Zeit auch von einer Familie Rauen betrieben. 1843 wird ein Johann-Nikolaus Rauen von der Strotzbüscher Mühle als Pate bei einem Kind des Nikolaus Rauen, "Müller von der Altmühl Lutzerath" genannt. Ebenfalls 1846 war eine Agnes Rauen von der Strotzbüscher Mühle als Patin in Lutzerath-Altmühle. Auch Adam Rauen stammt aus dieser Großfamilie. Der letzte Eigentümer auf der Strotzbüscher Mühle aus der Familie Rauen war Peter Josef Rauen. Er verkaufte dieselbe im Jahre 1878 und zog in den Ort Strotzbüsch. Nachfolger auf der Mühle wurde eine Familie Neumann, die von der Oberscheidweiler Mühle kam. Im Jahre 1911 heiratete Nikolaus Latsch aus Niederscheidweilereine Tochter der Familie Neumann und betrieb die Mühle bis 1950. Vorher war sie noch einige Jahre an einen Müller Frey verpachtet. Danach erwarb die Familie Friedhof die Mühle; sie war nun außer Betrieb. Nach dem Tod von Friedhof kaufte die Familie Orschel das Anwesen.

Wir verabschieden uns, verlassen das schöne Mühlental und wandern den Berg hinauf auf der alten Heerstraße Napoleons. Auf der rechten Berghöhe haben wir eine schöne Aussicht in das "Siebenbachtal", wo man die Üß zwischen Wald und vorgeschobenen Bergnasen siebenmal sehen kann. Wir werfen einen letzten Blick hinunter zum Abschluß unserer großen Wanderung.

Auf Wiedersehen im romantischen Mühlental!