Irren ist menschlich oder das Erkennungszeichen

Brigitte Müller, Kopp

 

Hille, eine junge dynamische Mami, liegt mal wieder im Krankenhaus. Sie hat sicher ein Abonnement, kaum entlassen, ist sie schon wieder da, und sie ist alles andere als eine ganz normale Patienten; Komplikationen sind nahezu an der Tagesordnung.

Kurzum, an einem Samstagabend hat sie beschlossen, die hl. Messe über Kopfhörer mitzuverfolgen und an der hl. Kommunion teilzunehmen.

Gleich ist es soweit. Eine Krankenschwester eilt ins Zimmer, drückt Hille eine rosa Serviette in die Hand, stellt die Zimmertür fest und verläßt den Raum mit dem dezenten Hinweis, Hille möge bitte das Bettuch bis an den Hals hochziehen, ihr Nachthemd sei zu weit ausgeschnitten. Gesagt, getan - Hille, immer schon eine 150 %ige Persönlichkeit, richtet so gut es geht ihr Bett, streift das Laken glatt und deckt sich wie beschrieben zu, die Hände unter der Decke gefaltet. Die rosa Serviette - wohl eine Art Erkennungszeichen - liegt derweil auf dem unteren Teil des Bettes, um nicht zu sagen auf ihren Füßen.

Es bimmelt, die Krankenbesucher am ersten Bett treten zurück, der Krankenhauspfarrer tritt ein und die Frau direkt an der Zimmertür erhält ohne Umschweife die hl. Kommunion. Dann schaut der Pastor kurz zu Hille hin dreht sich um und geht schnurstraks zur Tür zurück. »Und ich?« denkt Hille, und als habe sie laut gesprochen, macht der Pfarrer wieder kehrt und schaut sie fragend an. »Warum kommt der net? Wat is los?« Hille möchte am liebsten ganz unter ihrer Bettdecke verschwinden. »Kregst duo se oder kregst duo se net?«

Die forschenden Augen des Pastors streifen sie nochmals; dann wandern sie irritiert immer weiter nach unten und bleiben - oh Schreck oh Graus - auf der rosafarbenen Serviette auf ihren Füßen haften.

Ein leises Räuspern unterdrückend tritt der Diener Gottes nunmehr ein drittes Mal an Hilles Bett. Den Blick unverwandt auf ihr Gesicht gerichtet fragt er laut: »Ja oder nein?« Errötend nimmt Hille, nachdem sie umständlich ihre Hände unter der Bettdecke rausgekramt hat, den Leib Christi entgegen.

Eins ist sicher, Hille wird diesen Tag so schnell nicht vergessen, vor allem nicht jenen unwürdigen Empfang, den sie dem »Herrn« bereitet hat. Die rosa Serviette hätte sie auf ihrer Brust ausbreiten dürfen

...... nicht aber als Erkennungszeichen auf ihren Füßen!

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