Zum Beispiel: Lenarz

Schreibweisen von Familiennamen

August Meyer, Koblenz

 

Im März 1810 heiratete der 23jährige Matthias Meeth aus Gillenfeld. Als Braut hatte er die 28jährige Maria Eva aus Niederscheidweiler erkoren. - Der Altersunterschied spielte keine große Rolle. - Sie wohnten in Gillenfeld im elterlichen Haus, das 1850 die Nummer 65 trug. Der Vater und vier ältere Geschwister waren bereits verstorben. Die Mutter lebte bis zu ihrem Tode 1829 mit der größer werdenden Familie zusammen. Des Matthias Schwester Maria Eva gründete 1820 mit Christian Mengelkoch einen eigenen Ehestand, aus dem sie aber bereits 1831 durch den Tod abberufen wurde. Zwei weitere Geschwister des Matthias waren bei dessen Hochzeit 13 beziehungsweise zehn Jahre alt.

Beim Eintrag ins Heiratsregister notierte Pfarrer Johann Mergen (1803 -1812) den Familiennamen der Braut mit Lenards, Tochter des Jodok Lenards und der bereits verstorbenen Katharina Jung.

Dem Paar wurden fünf Kinder geboren, von denen eines im Alter von zehn Jahren verstarb. Zwei Söhne gründeten eigene Familien. Matthias erreichte ein gesegnetes Alter von 85 Jahren. Erstarb 1871, neun Jahre nach seiner Frau Eva Maria, die ebenfalls das 80. Lebensjahr erreicht hatte. Sie waren eines von zehn Ehepaaren, die im 19. Jahrhundert in Gillenfeld goldene Hochzeit feiern konnten!

Zwischen der Heirat 1810 und dem Ableben des Matthias hatte der amtierende Geistliche in Gillenfeld elfmal eine Eintragung in ein Register vorzunehmen. Dabei gab er jeweils den Mädchennamen der Mutter an.

Bei der ersten Taufe schrieb er Lenertz, bei der zweiten, ein Jahr später Linnerz, bei der dritten und vierten verwendete der neue Pastor Theodor Schmitz (1812 -1873) die gleiche Schreibweise Lenerz.. Bei der letzten Taufe 1820, beim Sterbefall 1823 und bei der ersten Hochzeit 1835 lesen wir: Lehners. Die letzten Eintragungen 51, 62 und 71 bringen folgende Form: Lehnerts. Einschreiber waren Hubert Schmitz (1838 - 57) und Johann Baptist Baues (1857 -84).

Der Familienname der Maria Eva Lenards, Frau des Matthias Meeth, fand also insgesamt sechs verschiedene Schreibweisen bei elf Eintragungen durch vier Geistliche in Gillenfelder Pfarr-Register.

Die erste Eintragung eines Lenerz geschah 1776, da heiratete ein Eckfelder dieses Namens ein Mädchen aus Gillenfeld. Ihm folgte ein Len-hart, der, ebenfalls aus Eckfeld, seine Braut in Gillenfeld fand. 1828 heiratete aus Hasborn einLeonard nach Gillenfeld, dem bei weiteren Eintragungen ebensolche Schreibweisen zugeordnet wurden wie Frau Meeth, darunter die noch nicht erwähnten Lehnarts und Leonards.

In der Pfarrei Weinfeld erscheint der Familienname erstmals 1706, als ein Mädchen, dessen Name mit Leonarz angegeben ist, ein uneheliches Kind taufen ließ. 1751 gründete ein Lehnardseme Familie in Schalkenmehren. 1822 und 1877 werden bei Heiraten zwei für uns neue Schreibweisen verwandt: Lenerfz und Linnertz. Im Neunkirchener Taufregister findet sich 1791 zum ersten Mal Leonarts erwähnt, gefolgt von einer Heirat eines Mannes aus Schuld nach Neroth namens Lenerts.

Im Mehrener Familienbuch kündet eine Taufe in Steiningen 1759 vom Vorkommen des Familiennamens. Ein Sterbefall 1791 wurde mit Linerts notiert. 1817 heiratete ein Mann, von dem nicht zu ersehen ist, woher er stammte, nach Mehren, dessen Familienname Leonardy geschrieben steht.

In der Pfarrei Daun fehlt der Name vor 1803. Dagegen ist er in der Pfarrei Hilgerath zahlreich. 1735 kam der erste dieses Namens aus Köttelbach. Er brachte den Namen Lennerts, der in seiner Familie in vielen Variationen wiederzufinden ist, von denen hier die noch nicht berücksichtigten Formen angegeben werden: Lenarz und Lieners, jeweils in Kradenbach vor 1800. Später erscheinen noch Linarz und Linnartz, sowie Linnerds, L/nnertsund Linnerz, dazu noch Lehnertz.

Damit haben wir 27 verschiedene Schreibweisen eines Familiennamens kennengelernt, die untereinander beliebig austauschbar waren. Mit Sicherheit sind das nicht alle. Man kann sich leicht ausdenken, daß es noch mehr gab, wenn man folgende rechnerische Überlegung anstellt: Zu den fünf Namensanfängen: Lehn-, Len-, Lenn-, Lin-, Linn, kommen zwei Fortsetzungen: -er- und -ar-, vor sieben möglichen Endungen: -d, -ds, -s, -t, -ts, -tz, -z. Das ergibt also 5x2x7 = 70 Schreibweisen. Dabei sind der Anfang Lihn- und die Fortsetzung -har- unberücksichtigt geblieben. Außerdem fehlen die acht Formen von Leonar -d, -di, -dy, -ds, -ts - tz und -z, die aber auch Leonhar- beginnen können.

Viele der angeführten Beispiele entstammen dem 19. Jahrhundert. Die Standesämter bestanden und hatten die Weisung, Familiennamen in einer festen, fixierten Form unveränderlich zu schreiben. Es wäre interessant, die entsprechenden Eintragungen zu vergleichen. Aber es würde nicht viel bedeuten. In einer Heiratsurkunde von Daun, in der Vater und Tochter zu unterschreiben hatten, benutzten beide eine andere Schreibweise des Namen Reichards.

Warum war das früher so? Was sind die Gründe für die unterschiedlichen Schreibweisen?

1. Wichtig war nur, daß der namentlich Genannte eindeutig feststand, egal wie der Name geschrieben war. Das galt auch für amtliche Schriftstücke. So wurde um 1780 ein unabgemeldet nach Ungarn Ausgewanderter mal Johann Füllens, mal Johann Len-ards genannt, als es darum ging, sein Vermögen zu konfiszieren. Einer der Namen war sicher der Hausname. - Hier muß vermerkt werden, daß das sogenannte »Haus-gemerk« oder die »Hausmarke« - mit der auch Werkzeuge gezeichnet wurden - wichtiger als der Name war. Sie war fixiert und unveränderlich - vergleichbar dem Wappen der Adligen.

2. Meistens konnten die Leute nicht schreiben. Also konnte auch die Frage »Wie schreibt man das« nicht weiterhelfen. War als Trauoder Taufzeuge eine Unterschrift zu leisten, geschah das bis weit ins 19. Jahrhundert hinein mit einem Kreuz oder mit dem Zeichen der Hausmarke.

3. Die Geistlichen wechselten öfter. Ihre Rechtschreibfertigkeit war unterschiedlich und ihr Interesse galt mehr dem Menschen als dem geschriebenen Namen.

4. Die Stolgebühren bei der Taufe zahlten die Paten. Sie machten auch die notwendigen Angaben. Ihr Interesse an der Schreibweise des Familiennamens war sicher gering.

Zum Schluß bleibt noch zu bemerken, daß alle oben erwähnte Namensformen mit Sicherheit einen einzigen Ursprung haben, den Vornamen Leonardus oder Leonhard. Wer ihn trug, wurde Lennert oder Linnert gerufen, wer zu ihm gehörte war Lennerts oder Linnerts. Der heilige Leonhard lebte im sechsten Jahrhundert, er wird als einer der vierzehn Nothelfer verehrt und als Schutzpatron der Pferde.