Gerolsteiner Priester in Chile

Erinnerungen von Pater Jose Kühl, Santiago

 

Pater Hentges

Peter Hentges und ich hatten vieles gemeinsam und verbrachten mehr als die Hälfte unseres Lebens Seite an Seite. Beide sind wir in Gees im gleichen Jahr geboren. Beide saßen wir auf der gleichen Schulbank bei Lehrer Nikolaus Meeth. Wir kamen 1925 gemeinsam nach Schönstatt zu den Pallottinern, machten Abitur in Oberlahnstein und gingen 1933 nach Olpe ins Noviziat. Da sich damals aber schon der Zweite Weltkrieg abzeichnete, beschlossen die Oberen der Pallotiner, möglichst viele junge Ordensmitglieder ins Ausland zu schicken. So fragten sie auch uns, ob wir Lust hätten, nach Chile zu übersiedeln, um dort das Studium zu beenden und als Priester zu wirken. Beide sagten wir: Ja! In kleineren Gruppen rüsteten sich Theologiestudenten zur Ausreise nach Australien, den USA, Rom, Brasilien, Argentinien und Chile. Außer uns beiden wurden vier weitere Studenten für Chile gerüstet. Im Januar 1936 reisten wir von Bremen mit dem Ozeandampfer »Alster« via Panama nach Valparaiso, Chile, wo wir Anfang März ankamen. Wir wurden im Priesterseminar der Hauptstadt Santiago untergebracht und hörten die Theologievorlesungen an der Katholischen Universität. 1938 empfingen wir die Priesterweihe und konnten so 1988 unser goldenes Priesterjubiläum feiern. Pater Hentges wurde dreißig Tage danach Opfer eines Autounfalls und ist auf unserem Friedhof beerdigt; vielleicht kann ich neben ihm begraben werden.

Das Jahr 1940 war für uns bedeutungsvoll, denn die Studentenjahre waren abgeschlossen und nun ging es an die Arbeit. Pater Hentges kam in die Pfarrseelsorge. Es zeigte sich, daß ihm diese Aufgabe sehr zusagte; er war mit Leib und Seele dabei. Eine Aufzählung seiner Seelsorgetätigkeit beweist die viele Mühe, selbstlose Hingabe und seinen Eifer. Valparaiso (sechs Jahre), Chimbarogo - Bauernhof (sieben Jahre), Santiago - Arbeiterpfarrei (zehn Jahre, dort baute er eine neue Kirche), Temuco, 700 km südlich Santiago (achtzehn Jahre, auch Arbeiterpfarrei; hier baute er ebenfalls eine neue Kirche). Wichtiger als der Kirchenbau jedoch war für ihn die aktive Einbeziehung der Laien in die Seelsorgearbeit und die Bildung eines Teams von Laienaposteln im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils. Seine große Sorge war die Betreuung der Jugend. Es wird berichtet, daß er in Temuco dreißig Zeltlager in den Sommermonaten organisierte, bei denen er selbst zugegen war, miteinereinzigen Ausnahme; wegen Krankheit. Der päpstliche Nuntius war anläßlich eines Besuches in Temuco erstaunt über die vorbildlich organisierte Pfarrei von Pater Hentges, vor allem über die aktive Mitarbeit der Laien auf dem pastoralen und sozialen Gebiet.

Pater Böffgen

Pater Josef Böffgen war von 1948 bis 1952 in Chile, also nur vier Jahre, so daß verhältnismäßig wenig über seine Tätigkeit dort zu berichten ist: Jugenderziehung, Sekretär des Regionaloberen. Auch half er tüchtig mit bei der Aktion »Comite Caritas pro Ninos de Alemania«, dem von mir gegründeten Hilfswerk. Man gewann den Eindruck, daß er sich in Chile nicht ganz wohl fühlte und sich mit diesem Land nicht identifizieren konnte. Er hatte sicher Heimweh nach seiner Gerolsteiner Heimat. So schickten seine Oberen ihn mit einer Gruppe von Novizen, bei deren Erziehung er half, zurück nach Deutschland. Anschließend war er siebzehn Jahre Religionslehrer in Saarbrücken und Völk-ingen. Nach der Pensionierung kehrte er in seine Heimatstadt Gerolstein zurück, dort half er in der Pfarrseelsorge ab 1974 bis zu seinem Tod mit.

Als begeisterter Heimatforscher machte er sich einen weltbekannten Namen. Die Schriften »Um Munterley und Löwenburg« und »Schmunzelgeschichten« sowie die zwei Bände mit 152 alten und neuen Bildern sind ein wertvoller und origineller Beitrag für die Geschichte Gerolsteins. Am Tag vor seinem plötzlichen Tode war er noch in Gees zu Besuch, auf der Suche nach Steinkreuzen, von denen es dort noch drei gibt, eines auf dem Friedhof, ein weiteres vor dem östlichen Dorfeingang und ein drittes in der »Melling«. Der Schriftenreihe »Um Munterley und Löwenburg« entnehmen wir einige Daten. Bürgermeister Geiser vermerkt im Vorwort, daß diese Serie den Sinn hat, »den alten Gerolsteinern manche nette Episode in Erinnerung zu rufen und den hinzugekommenen Freunden unserer Stadt Vergangenes nahezubringen«. Pater Böffgen macht uns bekannt mit Dr. Batti Dohm, gestorben 1977, »Stadtchronist« von Gerolstein mit dem Akzent auf der Geologie der Stadt und Umgebung. Dr. Batti Dohm und Pater Böffgen haben gemeinsam, daß sie sich ein Denkmal setzten durch die Erforschung der Geschichte Gerolstein. Beide starben kurz hintereinander im Abstand von vier Jahren. Beide hatten zur Zeit ihres Todes noch viele Projekte in Arbeit, die sie nicht mehr vollenden konnten. Pater Böffgens Charakterisierung Gerolsteins bis zum Zweiten Weltkrieg: »Menschen, die in bäuerlichem Fleiß und gewerblicher Emsigkeit ihr Gemeinwesen schützen gegen alle Angreifer.« Diese Identifizierung mit der Heimatstadt macht es uns verständlich, daß Chile nicht sein Zuhause werden konnte; Gerolstein füllte sein ganzes Wesen.