Der Pastor von Uess lebt alle Tage wie Gott in Frankreich.....

aus »Rheinischer Antiquarius« von Christian von Stramberg 

Alfons Poss, Daun

 

Uess, etwa 2 1/2 Kilometer südwestlich des Hochkelbergs gelegen, ist mit nur wenig mehr als 50 Einwohnern eine der kleinsten Gemeinden des Kreises Daun. Im Pfarrort, der seit mehreren Jahren verwaist ist, bis 1973 auch Schulort war, ist es stille geworden. Bis in die jüngere Zeit hatte Uess eine weithin bekannte Gerberei und ein gutgehendes Gemischtwarengeschäft. Bis zum Jahr 1912 wurde im Dezember der vielbesuchte Luziamarkt abgehalten. Am bedeutendsten war die Landwirtschaft, die durch die alten Gutshöfe der Familien Emmerichs und Lauxen besonders geprägt war. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, daß sich in Uess heute noch eine größere Gärtnerei, ein Bauunternehmen und eine Bäckerei befinden. Die kleine Gemeinde kann auf eine bemerkenswerte, bis in die Römerzeit und sogar in die Steinzeit zurückreichende Geschichte zurückblicken.

An dieser Stelle sei zum besseren Verständnis der von Ch. v. Stramberg im Rheinischen Antiquarius überlieferten Begebenheit nur auf den Besitz der Pfarrkirche zu Uess vor der Franzosenzeit (1794 bis 1814) und teilweise noch bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts hingewiesen. - Die Uesser St. Luzienkirche hatte am Ort umfangreichen Besitz an Ackerland, Wiesen und Wald, auch in der näheren und weiteren Umgebung Besitzungen und Einkünfte. Besonders erwähnenswert ist, daß sie Güter, darunter Weingärten, in den Moselorten Ediger, Bremm, Eller und St. Aldegund besaß. Es ist natürlich, daß der Uesser Pastor bei dem Reichtum seiner Pfarrkirche nicht leer ausging. - Lassen wir nun Christian von Stramberg mit seiner köstlichen Uesser Anekdote zu Wort kommen:

Auf Commission war ausgegangen der Hofrat und Kammersyndikus Schunck, und einen langen Morgen durch hatte er sich in einem armseligen Dorfe der Eifel mit Zeugenverhören und Recessen beschäftigt, als der Stunden-Fortgang ihn erinnerte an des Tages wichtigste Angelegenheit. »Was werden wir zu essen haben?« fragte er in etwelcher Besorgnis den beisitzenden Schultes. »Ja,« erwiderte der, »viel wird es nicht geben, weißen Schnaps und schwarzes Brot.« Schwer fiel das dem Herrn aufs Herz. »Ist denn«, hob er wieder an, »Inder Nähe kein Pfarrhaus, wo ein ehrlicher Mann ein standesgemäßes Essen finden sollte?« »Doch«, belehrt ihn der Schultes, »da ist der Pastor von Uess, der hat die fette Pfarrei und bedeutende Patrimonialen dazu, der lebt alle Tage wie Gott in Frankreich.« - »So,« spricht der Kammersyndikus, »so schickt doch gleich hinüber nach Uess einen Boten, zu vermelden meinen schönen Gruß an den Herrn Vetter, Pastor Schwärt, und daß ich für diesen Mittag mich zu Tische ansagen lasse, mit meinem Aktuarius, mit dem Hofkammer-Sekretarius Remmelt, dem Prokurator Marci, dem Kammerschreiber Zander und dem Notarius Weisskirch. Punkt ein Uhr würden wir vorfahren.«

Ein höchst pünktlicher Mann war der Hofrat. Mit dem Glockenschlag ein Uhr hielt die kleine Karawane vor dem Pfarrhofe. Zum Empfang fand sich zur Haustüre der Pastor und in der abgemessensten, doch freundlichsten Förmlichkeit wird der Vetter zur Oberstube genötigt. Da ist alles zu einem Schmause vorbereitet, unten in der Küche klirrt der gewichtige Bratenwender. Aus der Nachbarschaft haben sich, das Fest zu verherrlichen, einige Gäste eingefunden, und die wetteifern, als endlich angerichtet, mit dem Hofrat und seinen Begleitern in der Anstrengung, den vielen Gottesgaben Ehre anzutun. Scharf wurde gegessen, schärfer getrunken, denn auf einen wohlbestellten Keller hielt, wie billig, der Herr Pastor. Die besten Mosel-, die feinsten Heckenweine sind gekürt, da setzt, dem allem eine Krone, Herr Schwärt die mächtige Flasche auf von dem feinsten Glase, das hell wie Kristall mit Blumen durchwirkt, im vorteilhaftesten Licht den Inhalt, das ausgesuchteste Pröbchen von rotem Lützer durchschimmern läßt.

Die Vorliebe für roten Wein, nicht Rotwein, ist, wie ein geistreicher Beobachter mich versichert, bei der höheren und reichen Geistlichkeit ein charakteristisches Kennzeichen, dessen der Beobachter schon öfters sich bedient haben will, um in unserer heutigen Gesellschaft, wo jedermann sich gleicht, den Mann, den er suchte, herauszufinden. (Nun wird eine Anekdote von dem Jesuiten-Hofrat, dessen Ferse durch den Strumpf gekommen war, den Rat gab, »Roten« zu trinken, weil der »stopft«.) 

Zu Uess perlte, der da stopft, in der sämtlichen Tischgenossen Gläsern und das seine zum Munde erhebend, begann der Hausherr: »Ich nehme mir die Freiheit, auf die Gesundheit desjenigen zu trinken, welcher ist der auf seinen Schultern Treviratum tragende Atlas, spes patriae, salus aerarii, welcher in seiner Person zu Schanden macht den Spruch, in camera non est Christus, welcher nicht nur Hofrat ist und Kammer-Syndikus, sondern auch mein, des unwürdigen Zachäi leiblichen Vetter, als welche Verwandtschaft ich mir zur höchsten Ehre anrechnen tue, ob mir gleich, ich muß das bekennen, um deren Zusammenhang keine eigentliche Wissenschaft beiwohnet, dahero ich gehorsamst den hochuzverehrenden Herrn Vetter um eine Zurechtweisung, um eine Belehrung für eine mir zum Höchsten präjudizierliche Unwissenheit gebeten haben wollte. - »Kuriose Zumutung, kurioser Mann,« erwiderte der Kammerer-Syndikus, mehrmalen und bedenklich das volle Glas schwenkend, »wie heißt Ihr dann?«-»Dem Vetter aufzuwarten, Antonius Schwärt.« - »Und ich heiße Hermann Joseph Schunk, Schunk und Schwärt von einer Art.«

Vermerkt sei abschließend, daß Christan von Stramberg am 13. Oktober 1785 in Koblenz geboren wurde. Er starb daselbst am 20. Juli 1868. Bei seinem Tode lagen 34 Bände des Rheinischen Antiquarius vor, zwei davon waren nur noch zum Teil von ihm selbst verfaßt. Das ganze Werk ist eine Sammlung geschichtlicher, geographischer und volkskundlicher Stoffe, Anekdoten, Kuriositäten, persönlicher Erinnerungen und Anmerkungen in bunter Folge.