Paul Meliert -

ein unvergessener Lehrer

Peter Jakobs, Simmern

Werktagvormittag 10.00 Uhr im Eifelort Niederbettingen, Kindergeschrei - fast im ganzen Dorf vernehmbar. Jeder weiß es, die Schule hat ihre große Pause und annähernd 45 Kinder tummeln sich auf dem Schulhof.

Wachsam, auf der Treppe am Schuleingang stehend, beobachtet Lehrer Paul Meliert das bunte Treiben und Ballspielen seiner Kinder; er läßt sie nicht aus den Augen.

So ging es über 22 Jahre - immer das gleiche Bild. Nur die älteren Bewohner des 250-Seelen-Ortes wissen noch, wie es damals war.

Wie die meisten Dörfer hatte der Ort eine einklassige Volksschule, die die Schuljahre 1 - 8 in einem Raum vereinte. Unter großen Opfern hatte der Gemeinderat sich entschlossen, ein stattliches Schulgebäude mit Lehrerwohnung zu bauen und hier zog Paul Meliert Ende 1928 ein.

Geboren am 1. Februar 1887 in Kamin/Westpreußen, war er zunächst von 1909 - 1917 Lehrer an einer drei klassigen Schule in Kasanitz /Westpreußen und wurde zwischendurch Soldat in den Jahren 1914-1916.

Von 1921 - 1928 unterrichtete Meliert an der einklassigen Volksschule in Schladt im Kreise Wittlich, wo er sich 1924 mit Anna Rodenbüsch aus Bettenfeld vermählte. Seine Familie, seine drei Töchter Hildegard, Hedwig und Anneliese waren überall im Ort sehr beliebt.

Für unser heutiges Verständnis für Aufgaben und Tätigkeit einer Lehrperson ist es unvorstellbar, was zur damaligen Zeit der »Schulleiter einer einklassigen Volksschule« zu leisten hatte.

Außer mittwochs fand auch an den Nachmittagen Unterricht statt.

Die Schuljahre 1 - 8 zählten in unserem Dorf zwischen 40 und 50 Schülerinnen und Schüler, die - alle in einem einzigen Raum vereint - mit unterschiedlichem Lehrstoff versorgt und beschäftigt werden mußten. Akustisch wurde jedes Kind Ohrenzeuge von der Leistung oder dem Versagen eines anderen Schülers. Lob und Tadel - ausgesprochen durch den Schulleiter - verbreiteten sich in Windeseile nach Schulschluß im ganzen Dorf und in den Familien; bei der damals üblichen hohen Kinderzahl gab's keine »Indiskretionen« waren doch oft Kinder aus dem gleichen Haus in mehreren Schuljahren vertreten.

Der Morgen begann für Lehrer und Schüler mit dem Kirchbesuch auch am Werktag, und da hatte Paul Meliert die Aufgabe, Harmonium und später die Orgel zu spielen. Anschließend ging es zur Schule mit dem oft qualmenden Ofen und den langen, alten Holzbänken. Nach gemeinsamem Morgengebet wurde der Unterricht begonnen

Die einklassige Volksschule Niederbettingen 1934

.Paul Meilert war mit Leib und Seele Lehrer, aus Begabung, Berufsfreude und aus Überzeugung. Er widmete sich mit ganzer Hingabe und tiefchristlichem Glauben seinen Schülerinnen und Schülern in der meist überfüllten Klasse. Um den einzelnen Schuljahren besser gerecht zu werden, übten die »oberen Jahrgänge« mit den »Kleinen«.

Lehrer Meilert warstets gut vorbereitet. Erkannte alle Kinder aus den Familien heraus, mit denen er in ständiger Verbindung stand. Probleme, die heute auf sogenannten Elternsprechtagen abgehandelt werden, wurden zur damaligen Zeit fast täglich besprochen und nach Möglichkeit sofort bereinigt.

Er vermittelte nicht nur Wissen und Kenntnisse, sondern legte auch großen Wert auf Erziehung, besonders aber auf Willensbildung. Alles in allem war ihm stets daran gelegen, den anvertrauten Kindern den rechten Weg zum irdischen und ewigen Glück aufzuzeigen. Schwer traf es ihn, als die Machthaber des Dritten Reiches die Kruzifixe aus der Schule nahmen, Religionsunterricht und Gebet verboten wurden.

Wie alle Lehrer mußte auch Paul Meilert nach 1933 der Partei beitreten. Dies war für ihn eine Formsache, er hat auch in dieser Zeit nie seinen Glauben verraten. Im Unterricht wurde über ein vorgeschriebenes Mindestmaß kaum Gedankengut der damaligen Machthaber verbreitet. Mehr oder weniger war dies alles »Pflichtübung« und dank der Einstellung der örtlichen Parteileute wurde das »nach oben« nicht bekannt. Als der Dauner Schulrat eines Tages unangemeldet auftauchte, um eine unangemeldete Prüfung durchzuführen, muß ihm das Ergebnis wie eine mittlere Katastrophe vorgekommen sein. Nicht einmal die Mitglieder der Reichsregierung konnten die Schülerinnen und Schüler aus Niederbettingen mit Namen benennen. Der Schulleiter erhielt einen strengen Verweis und die Androhung, mit Versetzung im »Wiederholungsfalle.«

Streng war Lehrer Meilert, wenn es zu Verfehlungen und das, was er dafür hielt, kam. Für unsere damaligen Verständnisse griff er allzuschnell nach den immer im Schrank bereitgehaltenen Stöcken, die er rücksichtslos einsetzte und dabei auch seine Töchter nicht verschonte. Auch nach Schulende war der Lehrer für die Kinder da. Er war - wie man es wohl heute bezeichnen würde - ein Ordnungsfaktor, zumal für die Jugend. Oh weh, wenn ein Schüler sich nach Schulende daneben benahm und der Lehrer erhielt Kunde davon. .Sofort am anderen Morgen bei Schulbeginn erfolgte die »Abrechnung«. Allein seine Anwesenheit im Dorf und die Furcht vor dem anderen Morgen haben manches Vorhaben und viele geplante Streiche nicht geschehen lassen.

1945 wurden alle Lehrer zunächst vom Dienst suspendiert, wegen ihrer Mitgliedschaft in der Partei. Eine schlimme Zeit war dies für die Familie Meilert. Doch hielt der Zustand nicht lange an, nach der sogenannten Entnatzifizierung konnte Paul Meilert seine Arbeit an der gleichen Schule fortsetzen. Er schied am 30. September 1950 aus dem Dienst und trat in den verdienten Ruhestand.

Die Familie verzog nach Gillenfeld, später nach Manderscheid. Dort verstarb der hochverdiente Pädagoge am 3. 2. 1962.

Alle, die ihm im Leben begegnet sind, können sich seiner nur in Liebe, Verehrung und Dankbarkeit erinnern.