Geschichte der Volksschule Ormont im 18. und 19. Jahrhundert

Herbert Blum, Ormont

 

Die Anfänge

In ihrem Ursprung war die Schule auf das engste mit der Pfarrkirche verbunden. Die ersten Dorfschulen der Eifel richtete man in den Pfarr-orten ein. Wo ein Gotteshaus stand, da fand man meist auch ein Schulgebäude. Zum einen war der Klerus der alleinige Träger fast sämtlicher Wissenschaften, zum anderen sahen die Geistlichen im Lehramt natürlich ein hervorragendes Mittel, den christlichen Glauben zu verbreiten. Ein dritter, nicht unwesentlicher Faktor, war die Bezahlung der Lehrer. Im Jahre 1783 zum Beispiel erhielt der Schäfer jährlich 126 Gulden, der Kuhhirt 121; Schulmeister und Schweinehirt mußten sich mit 38 bzw. 37 Gulden zufrieden geben. Somit »genoß« der Lehrer das gleiche Ansehen wie ein Schweinehirt, der in der Hierarchie des Ortes auf der untersten Stufe stand.

Den Unterricht besorgte entweder der Küster oder der Frühmesser, in kleineren Gemeinden auch der Pfarrer selbst. So finden wir die erste Erwähnung eines Schulwesens in Ormont in den kirchlichen Akten. Im Jahre 1737 sandte Pfarrer Michael Werners einen Bericht über seine Pfarrei an das Bistum Köln, in dem es heißt: »Eine Schule gibt es nicht, auch keine Schulstiftung; es wird Unterricht erteilt (vom Pfarrer) im Pfarrhaus«1).

Die Zeit der Aufklärung (1780 -1794)

Ormont und Neuenstein gehörten damals zur Herrschaft Manderscheid-Blankenheim. Als am 6. Dezember 1780 mit Graf Franz Joseph der letzte männliche Sproß der ehemals so großen und mächtigen Manderscheidschen Familie starb, übernahm dessen Nichte Augusta die Regentschaft. Schon bald wurde sie von ihren Untertanen als vorbildliche Landesmutter verehrt. Mit besonderem Eifer widmete sich Augusta, Reichsgräfin von Sternberg-Manderscheid, dem Schulwesen. Sie erließ eine Vielzahl von Schulordnungen und führte die Schulpflicht für Kinder vom 5. Lebensjahr an ein. Schulgeld mußte nurvon den vermögenden Eltern bezahlt werden. Im Gegensatz zur bisherigen Praxis sollte die Schule auch in den Sommermonaten besucht werden. Die Kinder wurden ihrem Alter und ihren Fähigkeiten gemäß in Klassen eingeteilt.

Dies zeigt, daß Gräfin Augusta die pädagogischen Grundsätze Felbigers übernommen hatte. Johann Ignaz Felbiger, Abt zu Sagan in Schlesien, gilt als Begründer der katholischen Volksschule. Grundlage seines pädagogischen Denkens war die Erziehung zu »nützlichen Gliedern des Staates, vernünftigen Menschen und rechtschaffenden Christen«. Seine neue Unterrichtsmethode, auch »Sagansche Methode« oder »neue Lehrart« genannt, bedeutete eine erhebliche Verbesserung des Schulwesens. Die neue Lehrart bestand in einer dreifachen, nach den Fähigkeiten der Schüler gestuften Klasseneinteilung sowie der Abschaffung des bis dahin geübten Einzelunterrichts. Er führte auch die Buchstaben- und Tabellarisiermethode ein. Neben anderen Schulbüchern verfaßte Felbiger einen Katechismus, der zu dem Schulbuch schlechthin avancierte.

Doch die Reformbestrebungen der Regentin fielen nicht auf fruchtbaren Boden und wurden vielfach ignoriert. Dies belegt eine Schulverordnung vom 12. Juli 1788 in der es heißt: »Da ungeachtet der wiederholten Verordnungen die Erfahrung lehrt, daß die Elternf...) die Kinder entweder gar nicht oder nur selten in die Schule schicken, (...) deshalb ergeht die wiederholte, ernstliche Ermahnung und das ernstliche Gebot, daß die Eltern jedes ihrer Kinder (...) in die Schule schicken sollen, bei Verwarnung, daß in jedem Ausbleibensfalle der Kinder die Eltern dafür jedes Mal einen halben Gulden Strafe zahlen sollen«.2)

Drei Brudermeister in Ormont — Kirche und Schule waren im Dorf lange Zeit untrennbar miteinander verbunden

So erfreulich diese fortschrittlichen Bestrebungen der Gräfin auch waren, sie bezogen sich nur auf ihren Residenzsitz Blankenheim. Eine allgemeine, für den Gesamtbereich der Grafschaft Blankenheim geltende Schulordnung liegt nicht vor. Es fehlen auch alle Hinweise, die zur Annahme einer solchen Verordnung berechtigen. Es hat den Anschein, daß die Regentin das Schulwesen auf dem flachen Lande sich selbst überließ3)

Und den Bewohnern sollte dies nur recht sein. Die Bevölkerung stand den Neuerungen gleichgültig, ja ablehnend gegenüber und hatte auch religiöse Bedenken. Die Sorge um ihre materiellen Bedürfnisse ließ keinen Freiraum für geistig-kulturelle Interessen. Die bisherige Schulform, deren Schwerpunkt auf der Verbreitung derfürdas kirchliche Leben notwendigen Kenntnisse lag, hielt man für völlig ausreichend. Insbesonders die Sommerschule empfand man als doppelte Belastung, da sie einerseits erhöhte Schulbeiträge verursachte, andererseits die Kinder von der Feldarbeit und der Viehhut abhielt. Auf dem Lande blieb daher der Schulbesuch auf die Wintermonate beschränkt.

Am Beispiel Blankenheims haben wir gesehen, daß die Territorialherren im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts darauf bedacht waren, das Schulwesen zu fördern. Im Geiste des aufgeklärten Absolutismus sahen sie in diesen Maßnahmen ein geeignetes Mittel, den Wohlstand in ihren Landen zu heben. Die Kirche, die die Schule als ihre ureigenste Angelegenheit betrachtete, wurde vom Staat in ihren althergebrachten Rechten beschnitten. Erwin Schaaf beschreibt diesen Vorgang treffend mit den Worten: War die Schule bis dahin »ecclesia-sticum« so wurde sie nun zu einem »politi-kum«4}.

Die Kirche behielt natürlich ihren Einfluß auf das Schulwesen, zumal der Staat noch auf ihre Hilfe angewiesen war. Die unmittelbare Schulaufsicht (Lokalinspektion) lag auch weiter in den Händen der Geistlichen und daran sollte sich mitwenigen kurzen Unterbrechungen (zum Beispiel in der französischen Zeit) in den nächsten 150 Jahren auch nichts ändern.

Französische Zeit (1794 -1814)

Im Jahre 1794 besetzten französische Revolutionstruppen unsere Heimat und es begann eine neue Zeit. Gräfin Augusta mußte mit ihrem Gemahl Christian von Sternberg auf dessen Güter nach Böhmen flüchten.

Die Kirche wurde nun aus der Schule verbannt. Die französische Republik hatte dem Klerus, zusammen mit dem Absolutismus und dem Feudalismus, den Kampf angesagt. Und man wußte auch, wo der Hebel anzusetzen war, nämlich bei der Erziehung der Kinder. Unser damaliger Pastor, Johann Josef Dederichs, weigerte sich, den kirchenfeindlichen Eid auf die Regierung zu leisten. Als man ihn 1797 zur Deportation verurteilte, flüchtete er mit Erlaubnis des Bischofs, versteckte sich in Kerschenbach und pastorierte von dort aus heimlich seine Pfarrei.

Die Bevölkerung stand den neuen Machtha-bern ablehnend gegenüber. Erwiesen sich doch die versprochenen Verbesserungen als Trugschluß, wurden Sie durch die Kontributionen und hohe Steuern sogar ins Gegenteil verkehrt. Man wahrte die Tradition und stand fester zur Kirche als zuvor.

Zu dieser Zeit (1797) finden wir dann auch die erste namentliche Erwähnung eines Lehrers in Ormont.5)' Dieser erste weltliche Lehrer hieß Leonhard Held und stammte aus Schlausen-bach, 30 bis 35 Kinder besuchten damals seinen Unterricht. Die Schule war eine »Wände/schule« verbunden mit dem »Wandeltische«. Das heißt, der Unterricht fand jetzt nicht mehr im Pfarrhaus, sondern abwechselnd in den verschiedenen Häusern des Dorfes statt, und dort wurde der Lehrer auch beköstigt. Er bekam also kein Gehalt. Hierzu muß man sich die miserable materielle Lage der Bevölkerung vor Augen führen. Durch Kriegslasten waren die meisten Gemeinden hoch verschuldet. Kann man es den Menschen verübeln, wenn sie in diesen unruhigen Zeiten andere Sorgen hatten, als eine Schule zu bauen und einen Lehrer zu bezahlen?

Unter dem Empire (1804 - 1814) änderte sich wiederum die Schulpolitik. Napoleon lehnte die Primärschule, also eine Schule des Volkes, ab.

Die breite Masse sollte nichts lernen, sie sollte gehorchen. Sinn des Unterrichts war nun die Erziehung zum Untertan, dessen Kenntnisse man auf ein Mindestmaß in Lesen, Schreiben und Rechnen beschränken wollte.

Es gab aber auch weitsichtige Männer, die versuchten, diesen Bestrebungen entgegen zuwirken. So der Präfekt des Saardepartements, Keppler, und der Unterpräfekt in Prüm, Pru'dhomme. Letzterer erwarb sich viele Verdienste um die Primärschule in unserem Raum. Er war entschlossen, den Mißstand des Schulwesens mit strengsten Maßnahmen zu beheben. Die unzulängliche Bezahlung der Lehrer, die er als Grundübel der Schulp betrachtete, versuchte er zu beseitigen, indem er die Eltern zur Zahlung eines Schulgeldes verpflichtete, ganz gleich ob die Kinder den Unterricht besuchten oder nicht. Erging sogar so weit, entgegen allen gesetzlichen Bestimmungen eine strenge Schulpflicht einzuführen. Doch diese Bestrebungen hatten wenig Erfolg. Zum einen wurden sie von der Bevölkerung ignoriert, zum anderen konnte er von der französischen Regierung keine Unterstützung erwarten. Im Gegenteil, wie man an Napoleons Einstellung erkennen kann.

Wie wir hieraus sehen, waren die Schulverhältnisse zum Ende der französischen Zeit in einem desolaten Zustand. Statt des Fortschritts war in vielen Punkten (Lehrerbesoldung, Unterrichtsführung, Unterstützung seitens der Regierung) ein Rückschritt eingetreten und man konnte nur auf Besserung hoffen.

Die Preußische Schule

Mit dem Jahre 1814 begann wieder ein neuer geschichtlicher Abschnitt. Durch die Bestimmungen des Wiener Kongresses kam unsere Heimat zu Preußen.

Im Bewußtsein des großen Einflusses der Religion auf die Bevölkerung legte die preußische Regierung von Anfang an größten Wert auf gute Zusammenarbeit mit der Kirche. Auch sah man die Notwendigkeit der angemessenen Lehrerbesoldung und zum ersten Mal in der Geschichte bemühte man sich um eine Ausbildung der Lehrer. Das Unterrichten der Kinder wurde ja bisher notgedrungen als Nebenbeschäftigung ausgeübt. Die Frühmesser, die hier den Anfang machten, trachteten ob der geringen Bezahlung meist rasch nach einer Anstellung als Pfarrer und blieben so nie lange an einer Stelle. Hatte eine Gemeinde das Glück und einen Küster in ihren Reihen, der des Lesens und Schreibens kundig war, so besorgte dieser das Amt des Schulmeisters. Auch viele Handwerker verdienten sich als Lehrer ein karges Zubrot. Als im Jahre 1729 in einem Eifeldorf ein neuer Lehrer gesucht wurde, bewarben sich ein Schuster, ein Weber, ein Schneider, ein Kesselflicker und ein Unteroffizier. Die Anstellung erhielt der 50jährige Weber, der leidlich lesen, etwas schreiben und gar nicht rechnen konnte.6)

Die ehemalige Volksschule Ormontnach dem Um- und Ausbau, sie dient heute als Gemeindehaus

Auch in Ormont war das Lehramt mit dem Küster- und Organistendienst vereint. Leonhard Held besuchte als einer der ersten schon im Jahre 1815 ein Lehrer-Seminar in Trier und wurde nach bestandener Prüfung mit 90 Talern Gehalt angestellt.

Die Schulreform wirkte auch positiv auf die Gemeinde, denn schon im Jahre 1820 kaufte man ein Haus und baute es zur Schule um. Im Mai 1825 führte Preußen die allgemeine Schulpflicht ein, doch sollte es in Ormont noch fast 50 Jahre dauern, bis sie auch befolgt wurde. Als Lehrer Held im Jahre 1830 sein 50jähriges (!) Dienstjubiläum feierte, nannte Landrat Barsch ihn »einen alten Mann, aber einen jungen Lehrer«.7) Nachdem er 35 Jahre in Ormont tätig war, starb Held 1832 »von der ganzen Gemeinde tief betrauert«.,8)

Georg Barsch, seit 1819 Landrat in Prüm, sollte sich für unseren Raum als ausgesprochener Glücksfall erweisen. Er kümmerte sich um angemessene Schulgebäude (siehe Ormont), stellte fähige Lehrer ein, die auch eine angemessene Bezahlung erhielten. Er unterteilte den Kreis in sieben Aufsichtsbezirke, denen jeweils ein kath. Pfarrer als Inspektor vorstand. Einer der sieben Versammlungsorte war Ormont. Durch Bärschs Bemühungen steigerte sich die Zahl der Volksschulen im Jahre 1822 auf 38 und 1934 waren es bereits 58. Doch es gab noch viel zu tun; Barsch notierte: »Sehr nachtheilig fürden Schulunterricht ist es, daß derselbe nicht nur an den Sonntagen und gebotenen kath. Festtagen ausgesetzt wird, sondern auch an den nicht gebotenen kath. Festtagen, deren im Kreise Prüm jährlich 244 (!) gefeiert werden«.9) Helds Nachfolger fanden in Ormont keine bleibende Stätte. Von 1832 bis 1866 wirkten elf Lehrer hier. Namentlich waren dies die Herren Joers, Zapp, Zeyen, Clas, Schmitz, Gottesleben, Burkhard, Brill, Gläser, Wolf und Steines. Ein Grund für den häufigen Wechsel war die Verknüpfung des Lehramtes mit dem Dienst als Küster und Organist. Als Orts-Schulinspektor setzte der damalige Pfarrer Peter Josef Blum-berg bei der Regierung durch, daß mehrere Lehrer wegen »mangelhafter Kenntiß im Orgelspiel«10) versetzt wurden. Diese Vorfälle führten unter Lehrer Steines zur definitiven Trennung des Küster- und Organistendienstes von der Schule. Für Pfr. Heinrich Breuer, den Nachfolger Blumbergs, gab es wichtigere Dinge als das Orgelspiel. Im Jahre 1868 sorgte er erstmals für einen regelmäßigen Schulbesuch »Wo die Güte nicht langte, da half Strenge nach«.11)

Dies hatte zur Folge, daß der Schulsaal die auf 80 angewachsene Schülerzahl nicht mehr aufnehmen konnte. Zunächst behalf man sich, indem die größeren Kinder vormittags und die kleineren am Nachmittag zur Schule kamen, ehe im Jahre 1870 ein neues Schulgebäude errichtet wurde. Da nun auch das Einkommen auf 220 Taler angestiegen war und Lehrer Paul Schmidt endgültig in Ormont ansässig wurde, könnte man annehmen, mit der Schule stünde alles zum Besten. Doch es lag noch vieles im Argen.

So bleiben die Kinder aus Neuenstein häufig dem Unterricht fern. In der Schulchronik finden wir dann Einträge wie: »Die Schule litt viel durch Schulversäumnisse namentlich der Schüler von Neuenstein, welche den größten Teil des Winters wegen schlechter Witterung fehlten«, oder »Die Kinder von Neuenstein konnten die Schule infolge schlechter Witterung im Februar und März fast gar nicht besuchen«.

Auch die unhygienischen Lebensumstände wirkten sehr störend auf den Schulbetrieb. Im Dezember 1887 waren von 51 Schülern bis auf ein Kind alle an Masern erkrankt, und als im Januar 1897 die gleiche Krankheit wieder auftrat, blieben von 71 Kindern nur sieben verschont. So sieht man, daß die Schule auch noch für kommende Generation von Reformern, Pädagogen und Politiker ein vielfältiges Betätigungsfeld für Verbesserungen darstellt.

Schülerzahlen

Übersicht der Lehrer und

Lehrerinnen

Jahr

Kinder

1.

Leonhard Held

1797- 1832

1797

ca. 35

2.

Lehrer Joers

1832 -?

1866

80

3.

Lehrer Zapp

 

1885

45

4.

Lehrer Zeyen

 

1886

52

5.

Lehrer Clas

? - 1 848

1887

51

6.

Lehrer Gottesleben

1 848 - 1 850

1888

61

7.

Lehrer Brill

1 850 - 1 863

1889

67

8.

Lehrer Gläser

Herbst 1 863 - Ostern 1865

1891

71

9.

Lehrer Wolf

Ost. 1865 -Ost. 1866

1892

75

10.

Lehrer Steines

Ost. 1866- Herbst 1866

1893

77

11.

Paul Schmidt

1. Okt. 1866 - 1879

1894

78

12.

Lehrerin Thommes

Vertretung

1895

77

13.

Lehrerin Schönecker

1 884 - 1 885

1896

71

14.

Josef Schmitz

1. Nov. 1885-29. Nov. 1886

1897

81

15.

Lehrer Spoden

1. Jan. 1887-1. Apr. 1896

1898

88

16.

Lehrer Paltzer

13. Apr. 1896-1. Apr 1906

1899

93

 

 

 

1900

88