Pfarrer und Maler Johann Matthias Finken

Das kurze Leben des Pfarrers aus Steffeln

Christa Feltgen, Moers

 

Wer die Steffelner Dorfkirche betritt, dem fallen im Turm und am Altar Kirchenfenster auf, die sich gegen die anderen Fenster des Gotteshauses durch die gelungene Komposition und die Leuchtkraft der Farben stark abheben. Selbst von den Steffelner Bürgern wissen nicht alle, daß diese Fenster von einem ehemaligen Gemeindemitglied entworfen wurden. 

Es war der Pfarrer Johann Matthias Finken, am 18. 5. 1926 in Steffeln geboren. Seine Familie hatte seit Generationen künstlerisch begabte Menschen hervorgebracht. Der Großvater arbeitete bereits Altäre für die Steffelner Kirche und eine Kommunionbank, aus der der heutige Opfertisch gemacht worden ist. In Johann Finken vereinigten sich die Begabungen des Großvaters und des Vaters, die beide Schreiner waren, mit den künstlerischen Talenten aus der Familie der Mutter.

Schon früh lernte der kleine Johann mit dem Zeichenstift und dem Schnitzmesser umzugehen. Er besuchte zunächst die Volksschule in Steffeln und später, aufgrund seiner guten Zeugnisse, ein Gymnasium in Köln. Er wohnte dort bei einer Tante, und ob ersieh so fern von seiner geliebten Heimat wohl gefühlt hat, ist nicht bekannt. Sicher ist das Leben dort nicht leicht für ihn gewesen. Von seinen Mitschülern, bei denen er sehr beliebt war, bekam er schnell einen Spitznamen. Sie nannten ihn »Öchschen«, weil er auch während des Unterrichts heimlich Figuren schnitzte. Bestimmt war er mit dem Kopf ganz bei der Sache, aber seine Hände wollten wohl auch beschäftigt sein. Er lernte leicht und gerne und hatte sich schon in der Volksschulzeit mit Hilfe der im Dritten Reich so beliebten Zigaretten-Bilderalben allerlei Wissen selbst beigebracht. Der Lehrer staunte immer wieder, wenn er als einziger auf seine Fragen eine Antwort wußte.

In der Gymnasialzeit nahm er an einem Zeichenwettbewerb teil, der mit deutschen Kolonien, der Schifffahrt und dem Handel zu tun hatte. Er gewann diesen Wettbewerb mit zwei schönen, großen Bildern, einer Kogge am afrikanischen Strand und einem Wikingerschiff auf hoher See. Diese Bilder sind noch heute im Besitz der Familie Finken.

Im Jahre 1941 wurde Johann Finken als Flakhelfer ins Vorgebirge geschickt. Dort zog ersieh eine schwere Gelbsucht zu und kam zu seiner Familie nach Steffeln zurück, wo er nur langsam genas. Bis zum Ende des Krieges wurde er dreimal zur Musterung geholt und jedes Mal  wieder nach Hause geschickt. Damals konnte man dieser Krankheit wohl nur schwer beikommen. Im Februar 1945 schrieb man ihn kriegstauglich und nur das Durcheinander, das überall bei Kriegsende bei den Behörden herrschte, verhinderte, daß er wirklich noch an die Front mußte.

Nach dem Krieg, als er einigermaßen wieder hergestellt war, besuchte er in Prüm das Gymnasium. Als er dort 1948 das Abitur gemacht hatte, stand er vor einer schweren Entscheidung. Sollte er dem damaligen Steffelner Pfarrer Brühl folgen, der ihm geraten hatte, Pfarrer zu werden, oder sollte er es mit der geliebten Kunst versuchen? Würde die ihn bei seiner schwachen Gesundheit ernähren können? 

Schließlich rang er sich dazu durch, Theologie zu studieren, auch wenn er damit seine künstlerischen Tätigkeiten sehr einschränken mußte. Nachdem er zum Kaplan geweiht worden war, bekam er die erste Stelle in Boppard. Von da aus wurde er nach Spiesen/Saar versetzt. Dort versah er, zunächst noch als Kaplan, später als Pfarrer, seinen Dienst.

Daß er noch immer unter der Gelbsucht zu leiden hatte, hielt ihn nicht davon ab, seine ganze Kraft in den Dienst der Gemeinde zu stellen. Seinem schwachen Herzen hat er damit wohl zuviel zugemutet. 1962 fuhr er nach einem Herzanfall mit seinem Wagen in den Tod; nur 36 Jahre ist er alt geworden. 

Seine Pfarrkinder aus dem Saargebiet hatten ihn sehr verehrt. Sie kamen noch lange auf den Steffelner Friedhof, um sein Grab zu besuchen. Der Heimat ist Johann Finken immer mit ganzem Herzen verbunden gewesen. Unzählige Briefe gingen aus dem Saargebiet nach Hause, zu Eltern und Geschwistern. Er hat sich in den Zeiten, in denen er in Steffeln sein konnte, viel mit dem Ort, der Kirche und der Landschaft dort beschäftigt. So gibt es eine Karte der Steffelner Umgebung, in die er alle Flur- und Feldkreuze eingetragen hat. Sie hing eine ganze Weile im alten Teil des Pfarrhauses, ehe bekannt wurde, daß er sie gezeichnet hatte. 

An den Kirchenfenstern in der Steffelner Kirche sieht man, daß es ihm lag, stets die ganze Fläche, die ihm für seine Arbeit zur Verfügung stand, voll in die Aussage des Bildes mit einzubeziehen. Gefüllt bis zum Rand mit Farbe und Geschehen sind denn auch die beiden Fenster am Altar, die förmlich zu glühen scheinen, wenn die Sonnenstrahlen sie von außen treffen. Im Turm befindet sich ein Rundfenster, dort sind die sieben Gaben des Heiligen Geistes dargestellt. Auch hier wird der Beschauer von der gleichen Leuchtkraft der Farben beeindruckt. Ein paar kleinere Fenster im Turm sind ebenfalls von Johann Finken entworfen. Es soll auch Entwürfe zu Fenstern in anderen Kirchen gegeben haben, aber man weiß nicht, ob sie zur Ausführung gelangt sind.

Da Johann Finken nicht viel Zeit für die Malerei und Schnitzerei aufbringen konnte und durfte, kam er auf die Idee, seinen Schäflein, besonders der Jugend, durch gezeichnete Predigten Anregungen zu geben, um so Seelsorge und Kunst zu ihrem Recht zu verhelfen. Da machte er zum Beispiel klar, wie Menschen durch die Medien zu Marionetten werden, oder er malte einen verlotterten Jüngling mit seinem Esel: »Wir zwei Esel brauchen keinen Herrgott!« Unübertroffen seine Zeichnung von der »gläubigen Gemeinde«, einem Kirchgänger, der in frommer Haltung kniend, seine Gliedmaßen so ausgerichtet hat, daß er beruhigt ein kleines Nickerchen machen konnte, ohne umzufallen. Aber auch viele kleine Alltagsdinge hielt Finken in seinen Zeichnungen fest, selbst der älteste Wasserkrug bekam unter seinem Zeichenstift Leben. Schöne alte Schriften gehörten auch zu seinen Liebhabereien. So existiert von ihm noch ein handgeschriebenes Büchlein, in dem er Sagen von Selma Lagerlöf und anderen Schriftstellern nach Art der alten Mönchsschriften aufgezeichnet hat; kleine Kostbarkeiten!

Johann Finken ist bei seiner Familie, seinen Freunden und bei den Steffelner Nachbarn in guter Erinnerung. Wenn man nach ihm fragt, erhellen sich stets die Mienen. Ein froher, ein »guter« Mensch sei er gewesen. Kein Heiliger, eben ein Mensch, der es im Leben nicht leicht gehabt hat, aber immer versuchte, das Beste daraus zu machen. Er lebte getreu dem Spruch von Paschalis Baylon, dessen Worte wie eine Losung für sein Leben waren: »Wer seine Seele retten will, der muß drei Herzen haben. Für Gott das Herz eines Kindes, für den Nächsten das Herz einer Mutter und für sich selbst das Herz eines Richters!«