In memoriam

Herbert Wagner, Hillesheim

Prof. Matthias Weber, Köln / Niederbettingen

 

Am 30. Dezember 1990, kurz vor Jahresschluß, verstarb im Krankenhaus zu Daun der im Hillesheimer Land hoch geschätzte Oberlehrer i. R. Herbert Wagner. Nach längerer Krankheit wurde der ungewöhnlich produktive Pädagoge und Heimatforscher im 68. Lebensjahr - nach heutigen Maßstäben zu früh - in die ewige Heimat abberufen. Herbert Wagner war ein Sohn der Mosel; von dort, wo die über 2 000jährigen Zeugnisse römisch-germanischer und deutscher Geschichte am dichtesten erhalten sind. Am 17. April 1923 als erster der beiden Söhne des Oberlokomotivführers Michael Wagner und dessen Ehefrau Barbara, geb. Lunien, in Konz bei Trier geboren,1) besuchte er von 1929 bis 1937 die katholische Volksschule, wo sein Lehrer Michael Scherer2) die ausgesprochene Heimatliebe des sehr interessierten und aufgeschlossenen Jungen weckte und förderte. Hinzu kam in diesen entscheidenden Entwicklungsjahren das Beispiel des Vaters. Sonntags morgens zog dieser, selbst ein großer Freund der heimischen Flora, nach dem Meßbesuch mit seinem Ältesten los, um botanische Entdeckungen zu machen. Besonders anziehend wirkten auf die beiden Naturfreunde die in den Gefilden von Wasserliesch (westlich der Saarmündung) blühenden Orchideen. Von 1937 bis 1942 - nach Abschluß der Volksschule - besuchte Wagner, ebenso wie seine Mitschülerin und spätere Ehefrau Gretel Spieles, die Staatliche Aufbauschule in Saarburg. Er verließ die Schule mit dem kriegsbedingt üblichen Reifevermerk, um seinen Militärdienst, der bald zum Frontdienst wurde, abzuleisten. Als Infanterist - Wagner war zeitlebens gut zu Fuß - erkrankte er 1943 an der Italienfront schwer. Er mußte zurück ins Lazarett nach Deutschland. Bei Kriegsende war die Krankheit so weit ausgeheilt, daß Wagner den damals aus der Not der Nachkriegszeit geborenen Dienst als Schulhelfer aufnahm. Nebenbei studierte er als Externer an der Lehrerbildungsstätte in Bad Neuenahr und machte 1949 in Andernach sein erstes Lehrerexamen. Am liebsten hätte Herbert Wagner Medizin studiert, aber die damaligen Verhältnisse - eine Universität in Trier gab es noch nicht - waren dafür zu ungünstig.

Seine ersten Lehrerstellen waren an Volksschulen im Hochwald des westlichen Hunsrücks, zunächst in der Gemeinde Lampaden (nördlich Zerf), dann in der Gemeinde Geisfeld (südlich Thalfang). Bereits hier entwickelte Wagner, dessen Examensarbeit über die Flurnamen der Gemeinde Geisfeld bei der Bezirksregierung Trier derart großen Anklang gefunden hatte, daß sie auf Staatskosten gedruckt wurde, die ersten »Heimatblätter« für seine Schüler und die Einwohner der Gemeinde. Im Jahre 1949 heiratete er seine Kollegin Gretel Spieles. Der glücklichen Ehe entsprossen zwei Töchter; Margit lebt heute in Köln und Monika im Taunus (Bad Homburg).

Von Geisfeld zogen die Wagners 1956 in die Eifel, »die starke Ähnlichkeit hat mit dem Hochwald«.3) Herbert Wagner wurde Lehrer im Hillesheimer Land, an der Schule in Berndorf. Für die Berndorfer Flurnamenforschung ein Glücksfall, wie das im Herbst 1980 erschienene Buch Wagners über »Die Flurnamen der Gemarkung Berndorf / Versuch einer Zusammenstellung, Deutung und Erläuterung« zeigt. Hier erreichte den eifrigen Schulmann und Heimatforscher auch die berufliche Anerkennung als »Oberlehrer«, ein Titel, der eine beförderungsähnliche Höhergruppierung ausdrückte. 19634) kam Wagner an die Schule in Hillesheim, sie befand sich am heutigen Busbahnhof.5) Hier wirkte er bis 1969, als er krankheitsbedingt - das alte Kriegsleiden machte sich wieder stark bemerkbar - den geliebten Lehrerberuf aufgeben mußte.6) In Hillesheim bauten sich die Wagners auch ein Haus7) und fanden hier ihre Wahlheimat.

Ein wahrer »Volkslehrer« blieb Herbert Wagner sein Leben lang. Für alle heimatkundlichen Dienstleistungen galt er am Ort und im Hillesheimer Land als erste Adresse, von heimatgeschichtlicher Beratung angefangen über eigene heimatbezogene Publikationen, die ehrenamtliche Tätigkeit als Geschäftsführer des Hillesheimer Eifelvereins, Vorträge in der Hillesheimer Erwachsenenbildung bis hin zur Beisitzertätigkeit als Vertreter des in Köln ansässigen Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz beim Landschaftspflegebeirat in Daun.8) Wagners Führungen bei Wanderungen des Hillesheimer Eifelvereins und des Heimatvereins Niederbettingen wurden immer wieder besondere Höhepunkte im Eifeler Heimaterlebnis. »Er bereitete sich stets gut vor«, erklärte überzeugend seine Frau. Alle Wanderfreunde, die sich seiner kundigen Führung anvertrauten, konnten dies angesichts des prall gefüllten Spickzettels, den Wagner aus der Tasche seiner Wanderjacke zog, immer wieder bestätigt sehen.9) Der Eifelverein in Düren (Hauptverein) reihte des Autors informativen Führer »Hillesheim«10) ein in seine bekannte und beliebte Schriftenreihe »Die schöne Eifel«. Der Rheinische Verein in Köln erteilte ihm den Auftrag zur Erarbeitung der drei rheinischen Kunststättenhefte »Hillesheim/Eifel« (1975), »Kerpen (Hohe Eifel)« (1980) und »Mirbach in der Eifel« (1980) - im Kreis Daun seinerzeit noch eine neuartige Gattung der Heimatliteratur11) Wagners gründliche Forschungen konnten in diesen Schriften das bisher im gerne benutzten »Wackenro-der«12) veröffentlichte Kunstdenkmälerwissen beachtlich erweitern. Daneben erschienen die forschungsintensiven und als Manuskript offsetgedruckten Bücher »Die Flurnamen der Gemarkung Berndorf« (1980)13) und das »Hillesheimer Namenbuch /Aus den Quellen des 17. Jahrhunderts zusammengestellt« (1981).14)

Gretel und Herbert Wagner 1979

Beide allerdings in knapper Auflage für den lokalen Bedarf und speziell interessierte Heimatfreunde.

Diese Arbeiten sind akribische volkskundliche Studien, die besonders Kenner der Materie hoch zu schätzen wissen. Als kleine literarische Kostbarkeit für Wanderfreunde und Hillesheimer Urlaubsgäste erschien 1983 im Auftrag der Verbandsgemeinde Hillesheim die »Wanderfibel Hillesheimer Land«. Der als prominenter Wanderfreund hervorgetretene damalige Bundespräsident, Prof. Dr. Karl Carstens, ließ es sich nicht nehmen, für die Wanderfibel ein kurzes Geleitwort sowie Foto und Autogramm beizusteuern. Wagners Kreativität und unermüdliches Schaffen auf dem Gebiet der Heimatpflege und Heimatforschung veranlaßten schließlich im Jahre 1984 den Bundespräsidenten, diesen stets aktiven Heimatfreund mit dem Bundesverdienstkreuz auszuzeichnen.15) Das war eine in diesem Tätigkeitsfeld relativ seltene, aber für Wagner hochverdiente Ehrung. Es war angemessene Auszeichnung für einen uneigennützig denkenden und handelnden Zeitgenossen, der seine persönlichen Gaben (Talente) immer auch als Aufgaben im Dienste der Allgemeinheit verstanden und eingesetzt hat. Im Hillesheimer Land und in der Eifel können alle Heimatfreunde, ob jung oder alt, stolz sein auf Herbert Wagners hervorragende Leistungen. Wir zollen ihm Respekt und Dank. Mögen sein Beispiel und Vorbild uns stets anspornen und ermutigen zu tätiger Heimatliebe und Heimatpflege. Herbert Wagner lebt in unserem Denken und Tun fort. »Tot ist nur, wer vergessen ist.«16)

Anmerkungen:

1) Frau Greiel Wagner sei hier ganz herzlich gedankt für ihre wichtigen Auskünfte zum Lebenslauf und Wirken ihres verstorbenen Mannes sowie für ihre wertvollen Hinweise.

2) Michael Scherer, der sich in Konz selbst als Heimatforscher und Autor einer umfangreichen Ortschronik einen Namen gemacht hat, war als junger Lehrer an der Schule in Ormont tätig, bevor er nach Konz kam. Noch im vorgerückten Alter besuchte er gerne seinen ehemaligen Schüler Herbert Wagner in Hillesheim, wenn er (Scherer) gerade im Pfarrhaus Niederbettingen bei seinem Sohn Klaus-Dieter Scherer weilte, der hier von 1963 bis 1977 Pfarrer war und dann nach Mettlach an die Saar ging.

3) Äußerung Frau Wagners im Gespräch mit dem Verfasser am 27. März 1991

4) Vgl. Nachruf von Verbandsgemeindebürgermeister Alfred Ritzen, Hillesheim und Ortsbürgermeister Manfred Hermes, Berndorf, in: Vulkaneifel Nord (Nachrichten aus der Verbandsgemeinde Hillesheim}, Ausgabe vom 11. 1. 1991, S. 2

5) Zur Baugeschichte der alten Volksschule Hillesheim, erbaut 1928/ 29 und abgerissen in den 80er Jahren, vgl. Meyer, Hermann, Hillesheim / Die Geschichte eines Eifelstädtchens, 2. erweiterte und neu bearbeitete Auflage, Trier 1990, S. 318-321. Dort auch ein schönes Bild von dem eindrucksvollen Gebäude mit Walmdach. Nahezu zeitgleich mit den Schulneubauten westlich der Stadtmauer erfolgte die Umwandlung der ehemaligen Volksschule in eine Grund- und Hauptschule. Die entsprechenden Hillesheimer Schulbauten stammen von 1965 (Grundschule) und 1968 (Hauptschule), vgl. Meyer, H., a. a. O., S. 321-325.

6) Vgl. Nachruf von A. Ritzen und M. Hermes, siehe Fußnote 4)

7) Anschrift: Am Steinrausch 27, 5533 Hillesheim / Eifel

8) Vgl. Nachruf des Rheinischen Vereins Köln, in: Rheinische Heimatpflege, 28. Jg. — Neue Folge, 1/91, S. 80

9) Der Verfasser hat wiederholt solche minutiös vorbereiteten Wanderungen mit dem Eifelverein Hillesheim und dem Heimatverein Niederbettingen - Herbert Wagner war auch in diesem Verein Mitglied - dankbar miterlebt.

10) Vollständiger Titel: »Hillesheim Ein Führer durch Hillesheim und Umgebung / Der Raum - Die Geschichte - Sehenswürdigkeiten -Wanderungen« mit mehrfarbiger Wanderkarte 1 : 25 000, von

Herbert Wagner, Hillesheim, mit einem Beitrag von Dipl.-Geol. Dr. Günter Fuchs, Karlsruhe, Hrsg. Eifelverein, 1. Aufl. Trier 1973

11) Vgl. Besprechung Weber, Matthias, Denkmäler im Hillesheimer Land / Kunststättenhefte erleichtern kulturgeschichtliche Entdekkungen, in: Kreis Daun (Hrsg.), Heimatjahrbuch 1982, S. 214-216. Das erste rheinische Kunststättenheft des Kreises Daun mit dem Titel »Niederehe in der Eifel» verfaßte Peter Kees irn Jahre 1971.

12) Vollständiger Titel: Die Kunstdenkmäler des Kreises Daun, im Auftrage des Provinzialverbandes der Rheinprovinz bearbeitet von Ernst Wackenroder, Düsseldorf 1928

13) Vgl. Besprechung Böffgen, Josef, in: Kreis Daun (Hrsg.), Heimat-Jahrbuch 1982, S. 213 i

14) Eine wahre Fundgrube für Familiengeschichtsforscher nicht nur im Hillesheimer Land. Der Autor kommentierte das Werk im Geschenkexemplar für den Verfasser: »War viel Arbeit - macht aber wenig her!«

15) Vgl. Nachruf von A. Ritzen und M. Hermes, siehe Fußnote 4)

16) Vgl. Totenzettel für Herbert Wagner vom 30. 12, 1990