Pater Josef Böffgen SAG zum zehnten Todestag

Prof. Matthias Weber, Köln / Niederbettingen

 

»Die Augen sehen nur die Landschaft, das Herz sieht die Heimat.«1) Als der «schreibende Pater von Gerolstein«2) diese Worte seinem sehr schönen zweiten Bildband »Brunnenstadt Gerolstein /Alte und neue Bilder« - gleichsam als Leitidee und Motto für sein Tun voranstellte, hatte er in seinem fast vierzig Jahre währenden Priesterleben die weite Welt außerhalb Gerolsteins zur Genüge kennengelernt. Auch diese Welt-Erfahrung, ja besser der dadurch gewonnene »Horizont« gepaart mit starker Heimatliebe, verband ihn mit dem sechs Jahre jüngeren großen Gerolsteiner Dr. Alois Mertes.3) Beide standen in Sachen Heimatforschung in regem Austausch miteinander. Das war nicht Heimattümelei, sondern Ausdruck tiefer Dankbarkeit gegenüber dem gleichen Nährboden, aus dem sie kamen, der gleichen Muttersprache (Gerolsteiner Platt), der ihre besondere Liebe und Fürsorge galt, und gegenüber demselben Gemeinwesen, das ihren menschlichen Gaben, sprich Talenten, die erste Form gab und schließlich die berufliche Richtung wies. Beide betrachteten ihre Gaben -aus gleichem religiösen Verständnis - als Aufgaben zum Wohle der Menschen, besonders hier vor Ort. Bei Josef Böffgens langjähriger Auslandstätigkeit, etwa im priesterlichen Dienst in Lateinamerika4) oder in der Ewigen Stadt Rom,5) vermittelten sich seinem aufgeweckten und empfänglichen Geist Eindrücke von den Problemen und Zusammenhängen in der Welt, die er so in seiner geliebten Eifeler Heimat nie hätte gewinnen können. Aber die Sehnsucht nach seinem »Jirrelsteen« - Josef Böffgen wurde zum fleißigen »Denkmalpfleger« der heimischen Mundart6) - befand sich immer mit im Gepäck.

Krankheitsbedingt kehrte der Pallottinerpater in seinen Heimatort Gerolstein zurück, um hier -fast möchte man sagen allenfalls - in der Seelsorge auszuhelfen; zuletzt war er 17 Jahre lang als Religionslehrer im Schuldienst des Saarlandes tätig.7) Nun, 1974, war der am 4. August 1914 geborene J. B. - so sein beliebtes Kürzel -gerade 60, aber eben geplagt von schweren Leiden, die den Ruhestand erforderlich machten. Seine Heimkehr nach Gerolstein wurde zu einem arbeitsintensiven Unruhestand unter dem unzutreffenden Kennwort »Hobby«. Doch machte diese Arbeit so großen Spaß, daß darüber die Krankheit wenigstens zeitweilig in Vergessenheit geriet. Schuld daran waren sein außergewöhnlich starkes Interesse und unbändiges Engagement für die örtliche Heimatforschung. Und dies kam bald der immer geschichtsbe-wußter erscheinenden weltbekannten Brunnenstadt im Herzen der Eifel sehr zugute. J. B. lebte wieder knapp drei Jahre in Gerolstein, da verstarb hier im Sommer 1977 mit 80 Jahren der studierte Geologe und Schriftsteller Dr. Batti Dohm, Sohn des legendären ersten Gerolsteiner Volksschulrektors und Pioniers der Eifeler Geologie Stefan Dohm. Dr. Dohm hatte nach dem auch für Gerolstein verheerenden Zweiten Weltkrieg nicht nur dem Verkehrsamt zur Geburt verholten,8) sondern auch quasi den Grundstein zur Gerolsteiner Heimatforschung gelegt.9) Äußerer Anlaß dazu war die Wiederverleihung der Stadtrechte an Gerolstein im Jahre 1953. Dieses für das Selbstverständnis, um nicht zu sagen Selbstbewußtsein der Gerolsteiner Bürger so wichtige Ereignis »nahm die Stadtverwaltung zum Anlaß, alles Wissenswerte über die Landschaft, die Geschichte und die gegenwärtigen Verhältnisse in einer, wenn auch gedrängten, so doch umfassenden Übersicht vorzulegen.«10) Zwei Jahre vor Dohms Tod erschien die dritte Auflage dieser 111 Seiten umfassenden und gut bebilderten Schrift. Eine Tatsache, die von Gerolsteins Stadtvätern völlig richtig als Zeichen für ein wachsendes Informationsbedürfnis der Bewohner, Besucher und Feriengäste über die heimatkundlichen Zusammenhänge Gerolsteins und seiner Umgebung eingeschätzt wurde. Daher erteilten sie mit eindrucksvollem Weitblick dem verdienstvollen Autor der Schrift bald den bedeutend weiter reichenden Auftrag, eine große umfassende Stadtchronik zu verfassen. Das war ein geistiges Projekt, das für die Kraft eines einzelnen jahrelange Arbeit erforderte. Mitten darin ereilte Batti Dohm der Tod.

So waren die Gerolsteiner froh, in Pater Böffgen eine geeignete Persönlichkeit zu finden, die bald in Dr. Dohms Fußstapfen trat und bereitwillig das verwaiste Gerolsteiner Chronistenamt übernahm, trotz schweren gesundheitlichen Handicaps. Wer sich nun im Gerolsteiner Verkehrsamt, das damals noch im Anbau des alten Rathauses untergebracht war, nach Historischem über Gerolstein erkundigte, bekam dort die Antwort: »Das macht Pater Böffgen, dann müssen Sie den fragen«. So entstanden Verbundenheit und Freundschaft über den Tod hinaus.11)J. B., dem die Gerolsteiner sehr zugetan waren, zeigte bald in seinen Veröffentlichungen die ihm eigene Handschrift. So entstanden zwei sehr ausführlich und prägnant kommentierte Bildbändchen12), rund ein Dutzend jeweils über 60 Seiten starke Hefte der Heimatbrief-Reihe »Um Munterley und Löwenburg«13' sowie das volkstümliche »Gerolsteiner Schmunzelbüchlein«,14) das vor etwa zwei Jahren von der Gerolsteiner Buchhändlerin Ortrun Raabe in einer zweiten Auflage herausgebracht wurde. Hinzu kamen etliche Aufsätze für das Heimatjahrbuch des Kreises Daun15) sowie Heimatkundliches im Gerolsteiner Mitteilungsblatt. Gleichsam nebenbei lief der Dauerauftrag, der von Batti Dohm übernommen worden war, bis zum großen Jubiläumsjahr 1986, in dem Gerolstein der 650 Jahre der Erstverleihung seiner Stadtrechte (1336 durch Kaiser Ludwig den Bayer) gedenken konnte, die große Stadtchronik vorzulegen. Doch auch Josef Böffgen war es nicht vergönnt, das von Batti Dohm so hoffnungsvoll begonnene Werk zu vollenden. Am 29. März 1981 konnte er im Kreise der Pfarrgemeinde und mit seinen Verwandten, Freunden und Bekannten zwar sein 40jähriges Priesterjubiläum in Gerolstein feiern; jedoch kein halbes Jahr später ereilte auch ihn am 14. August 1981 der Tod16)

Pünktlich zum großen Fest kam dennoch ein beachtliches und sehr ansprechendes großes Gerolstein-Buch heraus, wenngleich nicht die angestrebte Ortschronik aus der Feder eines einzelnen Chronisten.17) Danach wurde es merklich stiller um Gerolsteins Heimatforschung. Des verdienstvollen Paters Josef Böffgen zehn Jahre nach seinem Tode zu gedenken, heißt dankbar zu erinnern an seine hervorragenden Leistungen innerhalb der ihm nach seiner Rückkehr nach Gerolstein verbliebenen kurzen Lebensspanne von nur knapp sieben Jahren. Zugleich gibt sein Beispiel und Vorbild Hoffnung, daß der heimatforscherische Funke, der sicher in manchem Gerolsteiner Zeitgenossen oder Nachfahren glüht, eines Tages wieder zum Feuer werde.

Pater Josef Böffgen wurde am 19. August 1981 - nach einer großen Trauerfeier in seiner Heimatstadt Gerolstein am Vortage - auf dem Pallottiner-Friedhof in Limburg an der Lahn beerdigt. Freunde setzten ihm im Zusammenwirken mit der Stadtverwaltung Geroistein im Jahre 1986 einen Gedenkstein auf dem Gerolsteiner Waldfriedhof.

Anmerkungen

1) Zitat aus dem zweiten Bildband von Josef Böffgen über Gerolstein: »Brunnenstadt Geroistein / Alte und neue Bilder«, Zaltbommel / Niederlande 1978. Der erste Bildband »Gerolstein in alten Ansichten« erschien 1977 am gleichen Ort.

2) Vgl. Weber, Matthias: Der schreibende Pater von Gerolstein, in: Kreis Daun (Hrsg.), Heimatjahrbuch 1981, S. 92-95

3) Vgl. Weber, Matthias: Weltoffen und in der Heimat verwurzelt/Zum Tode von Dr. Alois Mertes, in: Eifelverein (Hrsg.). Eifeljahrbuch 1986, S. 87-95, Ders.: Zur Erinnerung an Dr. Batti Dohm, P, Josef Böffgen und Dr. Alois Mertes, in: Stadt Gerolstein {Hrsg.), Gerolstein, Trier 1986, S. 326-336

4) Konkret in Chile, vgl. Fußnote 2)

5) Vgl. Fußnote 2)

6) Vgl. Böffgen, Josef: Reichtum des Dialektausdrucks, in: Kreis Daun (Hrsg.), Heimatjahrbuch 1983, S. 150 f.

7) Und zwar in Saarbrücken und in Völklingen. Vgl. Totenzettel

8) Weber, Matthias: Gründer der Heimatforschung in Gerolstein /Zum 10. Todestag des Geologen und Schriftstellers Dr. Batti Dohm, in: Mosella/ Heimatkundliche Blätter des Trierischen Volksfreunds für Eifel, Hunsrück, Mosel und Saar, Nr. 3, September 1987

9) Ders. a. a. O.

10) Dohm, Batti: Geroistein in der Vulkaneifel, Vorwort zur dritten Auflage, Hrsg. Stadtverwaltung Gerolstein, Trier 1975, S. 5.

11) Als Freund bleibe ich Josef Böffgen immer sehr dankbar für gute Gespräche, wertvolle Anregungen, Hinweise und Mitteilungen. Der Vf.

12) Vgl. Fußnote 1)

13) Der vollständige Dauertitel lautete: Um Munterley und Löwenburg / Für die Freunde der Stadt Gerolstein. In Abgrenzung von den Niederbettinger Heimatbriefen, die hierzu Anstöße geben konnten, setzte Josef Böffgen für die einzelnen Hefte jweils einen wechselnden Schwerpunkt. Heftl erschien im August 1979, Heft 10 posthum - im November 1981. Im April 1986 erschien gleichsam als »Nachkömmling« aus der Feder von Christoph Stehr das Heft Gerolstein und seine jüdischen Mitbürger bis 1945.

14) Erschien in erster Auflage Trier 1978, in zweiter Auflage ein Jahrzehnt danach.

15) Vgl. Bibliographie zu den Jahrbüchern des Kreises Daun, 1973 -1990, S. 15

16) Auf einem Erkundungsgang durch unwegsames Gelände zu Gerolsteiner Wegekreuzen traf Josef Böffgen die zum Tode führende schwere innere Verletzung, der er dann wenig später im Gerolsteiner Krankenhaus erlag. Sein letzter Wegbegleiter war der am 29. April 1991 90 Jahre alt gewordene Gerolsteiner Peter Böffgen, hier bekannt als»Kreuze-Böffgen«. Vgl. Dohm, Liselotte: Peter Böffgen zum 90. Geburtstag, in: Daun-Gerolsteiner Wochenspiegel vom 7. 5. 1991, S. 6

17) An dem in fünf Kapitel gegliederten und 336 Seiten umfassenden Gerolstein-Buch waren insgesamt 35 Autoren beteiligt zuzüglich des Stadtbürgermeisters mit einer Vorwortseite.