Wunderschönes Üßbachtal

Erinnerungen an eine Mühle, die Müllersleute Waldorf

Richard Roeb, Schalkenmehren

 

Therese Waldorfs Blick gleitet über das weitgestreckte Tal des Üßbaches hinweg. Ein Rudel Rehe äst in Ruhe und ungestört jenseits des Bachlaufes. Sie ist allein und nimmt sogleich ihre Handarbeit vor. Sie fertigt aus feinen Garnen wunderbare Zierdeckchen, runde oder rechteckige, mit bemerkenswertem Sinn für Ornamentik und geometrischer Präzision an.

Plötzlich kläfft Blacky, der Hund. Es kommt Besuch, ein Wanderer. Therese Waldorf unterbricht ihre Handarbeit und heißt den Gast - sie kennt fast alle Wanderer - in der Demerather Mühle herzlich willkommen. Während beide sofort einen Gesprächsfaden über die gute alte Zeit finden, entdecken sie bei Schinkenbroten und Wein viele gemeinsame Erinnerungen. 

Die Demerather Mühle liegt einsam im Tal des Üßbaches und ist nur von dem Hund Blacky und seiner Herrin, der letzten Müllerin Therese Waldorf bewohnt. Ihr Mann, der Müller Peter Waldorf, ist vor einigen Jahren kurz nach dem Fest der Goldenen Hochzeit verstorben.

Demerath wird schon in den Archiven des Erzbischofs Egbert von Trier im Jahre 980 erwähnt als Filiale des Gutes Clotten. Im Jahre 1075 wird das Dorf Demerath als Diemunderode bezeichnet. Es war im Mittelalter ein Hochgericht, auch Halsgericht oder auch peinliches Gericht genannt. Es richtete über Verbrechen, die zu «Hals und Hand« geahndet wurden. Die Demerather Mühle wird seit etwa 1500 in Urkunden erwähnt. Nach einem Schöffenweistum war der Müller daselbst verpflichtet, dem Nachbarn soviel zu mahlen, daß er seinen Kindern ein » Pletzgen in der Eschen« (ein Plätzgen in der Asche) backen kann, damit diese nicht verhungern. 

Außerdem leistete der Demerather Müller den Demerather Schöffen einen besonderen Dienst: Der Müller soll den Scheffen alle Jahr ein Essen geben, mit Speck und Erbsen, daß der Speck dreye Finger breit über die Schüssel hange.

Die Mühle besaß ein Asylrecht und gewährte verfolgten Straftätern sechs Wochen und drei Tage Freistatt. Keine Behörde und kein Gericht durfte diese Asylanten während dieser Zeit festnehmen.

Im vorigen Jahrhundert war die Armut in der Eifel so groß, daß viele Menschen in der Auswanderung nach Nordamerika ihre einzige Überlebenschance sahen. So verschwand zum Beispiel das Dorf Allscheid bei Darscheid völlig von der Landkarte. Vielleicht schlössen sich auch Asylanten den Auswanderungsgruppen an.Rehe, Eulen, Fledermäuse umschwärmen noch heute die alten Gebäude der Mühle. Wenn Mühlräder erzählen könnten, würde sich das Schicksal des Eifelvolkes vor unsern Augen entrollen.

Viel wird bei Therese Waldorf über diese guten oder schlechten »alten Zeiten« diskutiert. Auch heute noch gibt es Notsituationen, deren Behebung mutigen Einsatz erfordert. So mußte Oma Waldorf bei den Orkanunwettern zu Anfang des Jahres 1990 dreimal von ihren Kindern der Weg zur Mühle freigesägt werden. Zahlreiche umgestürzte Bäume hatten die Zufahrt versperrt, Strom- und Telefonleitungen waren abgerissen, so daß nicht nur die Zufahrt blockiert war, sondern auch die Kommunikation unterbrochen und Strom und Wasser auf der Mühle ausfielen, denn das Wasser muß von einer elektrischen Pumpe besorgt werden.

Aber das Gottvertrauen und der Optimismus von Therese Waldorf läßt sie auch solche Ereignisse mit gutem Mut überstehen.

Wir wünschen ihr noch viele glückliche Tage und den Wanderern auf den herrlichen Eifelpfaden Erholung und Genuß der schönen Landschaft.