Der Eifelwald - ein Jahr nach Vivian und Wibke

Martin Manheller, Hillesheim

 

Ein Jahr nach der furchtbaren Sturmkatastrophe, die in unseren Wäldern verheerende Schäden anrichtete, ist die Aufarbeitung des Windwurfholzes weitgehend abgeschlossen. Die aufgearbeiteten Hölzer sind zum Teil verkauft oder aber, soweit ein Verkauf nicht möglich war, auf Beregnungsplätzen eingelagert. Die Wiederaufforstung der Windwurfflächen hat im Frühjahr 1991, mancherorts bereits im Herbst 1990, im großen Umfang begonnen.

Bilanz der Sturmkatastrophe:

Im Landkreis Daun sind insgesamt etwa 1,2 Millionen cbm Holz angefallen. Es wurde Wald auf einer Fläche von ca.      3 000 ha vernichtet. In den Plateaulagen entstanden dabei Kahlfächen von einer Größe bis zu 50 ha.

Wirtschaftlicher Schaden:

Der wirtschaftliche Schaden, der durch diese Katastrophe den Waldbesitzern entstand, ist gewaltig. So muß die Erlöseinbuße durch den Preisverfall, den das Überangebot an Sturmholz verursacht hat, mit etwa 25 Millionen Mark veranschlagt werden. Daneben sind zu einem großen Teil Waldbestände der Katastrophe zum Opfer gefallen, die die Hiebsreife noch lange nicht erreicht hatten; dies entspricht einem Holzwertverlust von etwa 20 Millionen Mark. Weiterhin haben sich die Kosten für die Holzernte durch die Windwurferschwernisse gegenüber dem Normaleinschlag erheblich verteuert. Für die Gesamtmasse des aufgearbeiteten Holzes ergibt das etwa 10 Millionen Mark.

Die Konservierung der Hölzer, die nicht absetzbar waren, verursachte ebenfalls hohe Kosten; sie betrugen im ersten Jahr für eine Menge von ca. 485 000 fm etwa 10 Millionen Mark.

Der gesamte wirtschaftliche Schaden beläuft sich somit auf etwa 65 Millionen Mark.

Eine wesentliche und wirkungsvolle Hilfe bedeutete die finanzielle Unterstützung der Waldbesitzer durch das Land Rheinland-Pfalz. Insgesamt wurden als Zuschuß für die Aufarbeitung und Konservierung der Windwurfhölzer im ersten Jahr ca. 6 Millionen Mark an die Waldbesitzer des Kreises Daun gezahlt.

Für die Unterhaltung der Naßlagerplätze, besonders aber für die standortgerechte Wiederaufforstung der Windwurfflächen, hat das Land ebenfalls umfangreiche Zuschüsse zugesagt.

Ökologische Schäden:

Neben dem wirtschaftlichen Schaden hat die Sturmkatastrophe kaum abschätzbare ökologische Schäden in unseren Wäldern angerichtet. Ein gesunder, leistungsfähiger Hochwald, wie er überall bei uns vor dem Windwurf anzutreffen war, produziert bis zu sechsmal mehr Sauerstoff als jede andere Pflanzengesellschaft und entzieht dabei der Atmosphäre große Mengen CO2. Er trägt auf diese Weise erheblich zur Luftreinhaltung bei.

Dieser Wald ist mit seinem tiefreichenden und weitverzweigten Wurzelsystem als Wasserspeicher und -filter kaum zu ersetzen. Er bietet vielen bedrohten Pflanzen- und Tierarten ein letztes Rückzugsgebiet.

Neben diesen Leistungen liefert er außerdem den stetig nachwachsenden, umweltfreundlichen und vielseitig verwendbaren Rohstoff Holz, auf den wir nicht verzichten können und wollen. Die vom Sturm zerstörten Waldflächen können alle die genannten Funktionen nicht mehr erbringen. Es muß vielmehr befürchtet werden, daß es auf den Kahlflächen zu einer Auswaschung der Minerale wie auch der Luftschadstoffe und damit zu einer Belastung des Grundwassers kommt, da diese Stoffe nun nicht mehr von den Baumwurzeln gebunden und aufgenommen werden können.

Darüber hinaus ist in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit einer erheblichen Holzknappheit zu rechnen, da ein großer Teil der Holzvorräte dem Sturm zum Opfer gefallen ist und somit in Zukunft fehlen wird. Dies wird zu einer enormen Verteuerung der Holzprodukte führen. Es begünstigt zudem die Importe aus Regionen, in denen man ohnehin großen Raubbau an der Natur betreibt und damit ökologische Schäden für die gesamte Erde verursacht.

Wiederaufforstung der Windwurfflächen:

Die Begrenzung der ökologischen und wirtschaftlichen Schäden erfordert eine zügige Wiederaufforstung der großen Windwurfflächen. Die Kulturpflanzen sollen möglichst bald den Waldboden beschatten und dadurch eine rasche Umsetzung und Mineralisation des Humus sowie eine Auswaschung der Minerale und der Luftschadstoffe ins Grundwasser verhindern. Allerdings benötigen die jungen Bäume in der Regel einen Zeitraum von etwa 3 - 5 Jahren, ehe sie diese Aufgabe in ausreichendem Maße wahrnehmen können. Viele Pflanzen, die sich durch natürliche Ansamung einstellen, leisten hierzu ebenfalls einen wertvollen Beitrag.

Die Baumartenwahl:

Der Waldboden, seine Nährstoff- und Wasserversorgung, die Höhenlage, die Neigungsrichtung und eventuelle Bodenverdichtungen mit Staunässe sind entscheidende Faktoren, die bei der Wahl der Baumart für die Wiederaufforstung zu beachten sind. Dabei gilt der Grundsatz, daß den Bäumen, die von Natur aus auf den jeweiligen Standorten heimisch waren, der Vorrang zu geben ist. Dies ist bei uns in erster Linie die Buche. Auf trockeneren, wärmeren Standorten überwiegen Traubeneiche und Hainbuche, in den frischen, nährstoffreichen und niederen Lagen sind es Eschen, Bergahorne, Kirschen, Linden, Ulmen, Stieleichen und Erlen. Vor allem die Schwarzerle vermag selbst stark vernäßte und vergleyte Böden mit ihren Wurzeln zu durchdringen und erreicht hier für viele andere Baumarten eine Standortverbesserung.

Die Nadelbaumarten wie Fichte, Lärche, Douglasie und die zahlreichen Tannenarten kommen von Natur aus bei uns nicht vor. Dennoch gedeihen diese auf den geeigneten Standorten sehr gut und liefern ein wertvolles und gut bezahltes Holz. Deshalb werden sie auch in Zukunft auf den entsprechenden Waldböden angebaut. Ziel ist es, durch die Pflanzung verschiedener standortangepaßter Baumarten langfristig stabile und artenreiche Mischbestände aufzubauen, die sowohl den Rohstoff Holz liefern, als auch alle Schutz- und Erholungsfunktionen wahrnehmen. Vor allem aber müssen sie eine größere Stabilität gegen Naturkatastrophen besitzen.

Wird die zunehmende Belastung der Umwelt durch den Menschen jedoch nicht möglichst bald gestoppt, dürfte dieses Ziel wohl kaum erreichbar sein.

Ungleicher Mischbestand aus Tanne, Fichte, Buche, Eiche, Esche; ertrotzte den Orkanen in 1990

Die Pflanzung:

Hat man sich für eine Baumart entschieden, so gilt es, die entsprechende Herkunft (Beerntungsgebiet) zu wählen; denn ein Baum, der in warmer Niederung aufwuchs, ist wenig geeignet für spätfrostgefährdete Höhenlagen. Besonders die Spätfrostgefährdung wie auch die starke Unkrautkonkurrenz erfordern große, stufige Pflanzen mit einer guten Bewurzelung. Sie sind am ehesten imstande, rasch aus der Bodenfrostzone und der Unkrautkonkurrenz herauszuwachsen. Wichtig ist aber auch eine sehr sorgfältige Pflanzung. Die Pflanzenwurzeln müssen tief in den Mineralboden gesetzt werden, damit sie auch in einem trockenen Sommer noch ausreichend Feuchtigkeit finden. Diese Art der Pflanzung wird mit der Hacke oder mit einem Motorbohrer durchgeführt.

Große Windwurffläche in der Verbandsgemeinde Hillesheim

Zur Förderung des Pflanzenwachstums, aber auch zum Schutz des Waldbodens vor dem Schadstoffeintrag aus der Atmosphäre, kann es auf den ärmeren Standorten mit einem ph-Wert unter 4,5 ratsam sein, eine Pflanzlochdüngung durchzuführen. Hierbei verwendet man in erster Linie kohlensauren Magnesiumkalk und Rohphosphat. Zur besseren Förderung des Pflanzenwachstums empfiehlt es sich, geringe Mengen Patentkali dazuzugeben.

Die Pflanzung der Laubhölzer ist in der beschriebenen Weise mit hohen Kosten verbunden. Diese betragen mindestens 2,50 bis 3,00 Mark pro Pflanze. Bei einer Pflanzenzahl von 5 000 Stück/ha ist dies eine Investition von      15 000 Mark, zu der dann noch die Kosten für einen Wildschutzzaun in Höhe von etwa 5 000 Mark/ha hinzukommen. Beim Nadelholz, besonders bei der Fichte, liegen die Kosten allerdings deutlich niedriger. Sie betragen je Pflanze etwa 1,00 bis 1,50 Mark. Bei einer Pflanzenzahl von 2 500 bis 3 000 je Hektar sind dies 4 500 bis 5 000 Mark/ha. Ein Wildschutzzaun ist hier nicht erforderlich.

Die Sicherung der Kulturen:

Ist eine Laub- oder Nadelholzkultur erst einmal gepflanzt, so ist sie noch vielen Gefahren ausgesetzt und braucht oft 5 bis 10 Jahre, ehe sie als gesichert angesehen werden kann. Beim Laubholz sind hier vor allem die in unserer Region gefürchteten Spätfröste im Frühjahr bis Frühsommer, die Schäden durch Feld- und Waldmäuse und die Konkurrenz durch Gras, Himbeere und Brombeere zu nennen. Die Konkurrenzflora entzieht den Pflanzen Wasser und Nährstoffe, so daß es in Trockenjahren zum Absterben dieser jungen Bäume kommen kann, zumindest vermag sie, diese zu überwachsen und zu verdämmen.

Eine weitere, unter Umständen noch größere Gefährdung geht vom Wild aus. Der Verbiß der Knospen oder jungen Triebe führt häufig zum Ausfall der Pflanze. Er bewirkt in jedem Falle aber ein Stocken im Wachstum und verursacht so erhebliche qualitative Schäden, daß die Bäume später oft nur als Brennholz zu gebrauchen sind.

Ebenso schwerwiegend sind Fege- oder Schlagschäden, die das männliche Reh- und Rotwild mit dem Geweih verursacht, wie auch das gefürchtete Schälen des Rotwildes, bei dem die Rinde des Baumes abgefressen wird. Überlebt der Baum diese Schäden, dann ist er zumindest mehrere Meter vom Stammfuß faul und bricht leicht bei Sturm und Naßschnee um. Zur Verhinderung der genannten Wildschäden müssen besonders die Laubholz- und Tannenkulturen gegen das Eindringen des Wildes gegattert werden. Eine solche Zäunung bietet 10 bis 15 Jahre Schutz und muß im Rotwildgebiet unter Umständen wiederholt werden.

Die großen Freiflächen nach der Windwurfkatastrophe führen zu einer erheblichen Verbesserung des Nahrungsangebotes für das Schalenwild und damit zu einer enormen Vermehrung dieser Wildarten. Sollen die sehr kostenaufwendigen Kulturen gelingen und einmal zu stabilen, artenreichen aber auch wertvollen Wäldern aufwachsen, so muß die Konkurrenz durch das Wild in engen Grenzen gehalten werden. Da der Wald mit seinen vielen lebenswichtigen Funktionen für die Menschen unverzichtbar ist, muß ihm der Vorrang vor dem Wild gegeben werden. Das bedeutet aber nicht, daß dieses aus unseren Wäldern verdrängt werden soll. Für den Schutz des Waldes und die Gesunderhaltung der verschiedenen Wildarten ist es aber besser, wenn diese durch Bejagung auf einer naturverträglichen Dichte gehalten werden. Überhöhte Wildbestände führen, wie wir von der Tollwut und anderen Wildkrankheiten wissen, meist irgendwann zu Seuchen, mit deren Hilfe die Natur selbst die Bestandesdichte drastisch reguliert. Der Jäger sollte durch frühzeitige und starke Eingriffe in die Wildbestände solchen Gefahren vorbeugen.

Ausblick auf die kommenden Jahre:

Die Wiederaufforstung der Windwurfflächen wird mindestens fünf Jahre andauern. Weitere Nachwürfe werden diesen Zeitraum noch verlängern. Es müssen auch erhebliche Rückschläge durch Trockenjahre, Spätfröste, Wild- und Mäuseschäden in Erwägung gezogen werden. Sicher ist daher, daß es zwei bis drei Jahrzehnte dauern wird, bis sich wieder ein leistungsfähiger Wald entwickelt hat. Wir können nur hoffen, daß die noch verbliebenen Waldbestände nicht auch durch weitere Orkane zerstört werden.