Kulturlandschaft Eifel Anno 2010 eine Zukunftsversion

Drs. Peter Burggraaff, Kelberg-Zermüllen

 

Nachdem ich mich in einigen Beiträgen (im Jahrbuch 1988 und 1989) mit der historischen Entwicklung der Kulturlandschaft und Landwirtschaft in der Eifel seit dem Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigt habe, möchte ich nun einen Blick in die Zukunft werfen. Es handelt sich hierbei um die Frage »Wie wird die Eifelkulturlandschaft in etwa zwanzig Jahren aussehen?« Der Grund ist besonders die Entwicklung der hiesigen Landwirtschaft und die zukünftige Landwirtschaftspolitik der EG. 

Die Kulturlandschaft der Eifel hat ihr heutiges Aussehen hauptsächlich der Land- und Forstwirtschaft zu verdanken, in der noch viele Spuren des (bäuerlichen) menschlichen Handelns der Vergangenheit trotz vieler Veränderungen und Umgestaltungen überliefert sind. Diese Kulturlandschaft hat sich in der vorgegebenen natürlichen Beschaffenheit (Mittelgebirgsraum) entwickelt. Berge, Täler, Hochflächen, die Bodenbeschaffenheit und das Klima haben den Spielraum menschlichen Handelns beeinflußt. Trotz der relativ sehr ungünstigen Standortfaktoren (Boden und Klima) hat sich der Mensch im Laufe derzeit eine Existenzgrundlage geschaffen, obwohl die Eifel im Vergleich zu anderen Regionen arm geblieben ist. Besonders seit 1885 wurde mit Strukturhilfen (Eifel- und später Westfond) Zusammenlegungen, Meliorationen und Anlage von Wasserleitungen stimuliert, um die Situation der Landwirtschaft und Bevölkerung zu verbessern.

Trotz dieser und auch späteren Strukturhilfen war es für die Eifel schwierig, mit Gebieten, die günstigere Voraussetzungen aufwiesen, konkurrieren zu können.

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg lebten die meisten Bewohner von der Landwirtschaft oder damit verbundenen Berufen. Der wirtschaftliche Aufschwung nach 1945, der auch die Eifel nicht unberührt ließ, dazu die Geburtenrate veränderte die Situation in der Landwirtschaft. Durch zunehmende Ansiedlung von Industrie und Gewerbe, den Ausbau der Verwaltung und des Schulwesens, die Stimulierung des Fremdenverkehrs (Hotel- und Gaststättengewerbe und Ferienparks), wanderten viele Menschen aus der Landwirtschaft ab. Dieser Prozeß hatte zunächst eine positive Auswirkung. Die durchschnittliche Betriebsgröße nahm zu, weil der Grundbesitz mangels Existenzgrundlage nicht mehr aufgeteilt werden mußte, so daß die Einkommen steigen konnten. Durch die erweiterten Berufsmöglichkeiten wurden viele Haupt- in Nebenerwerbsbetriebe umgestellt. Besonders durch die Landwirtschaftspolitik der EG (subventionierte und jährlich steigende Preise) und bezuschußte Strukturmaßnahmen wie Aussiedlung, Zusammenlegung, Modernisierung der Betriebe, wurde die Einkommenssituation verbessert.

Aber seit Anfang der 80er Jahre gibt es innerhalb der EG Bestrebungen, die Überschußproduktion abzubauen (zum Beispiel Milchquotierung) und die Preissubventionen stark zu reduzieren. Diesbezüglich sind Maßnahmen getroffen worden wie Abfindungen für die Aufgabe der Milchviehhaltung, Flächenstillegungsprogramme und Landabgaberenten. Für die Zukunft gibt es innerhalb der EG Pläne, die Landwirtschaft nur noch in Gebieten mit günstigen Voraussetzungen zu intensivieren. Dies bedeutet, daß für Räume mit ungünstigeren Voraussetzungen -wozu die Eifel mit ihren kleinräumigen Strukturen, ungünstige Klima- und Bodenverhältnissen eindeutig gehört - die Landwirtschaft extensiviert wird.

Wie wirken sich diese Entwicklungen in unserer Region aus? Seit einigen Jahren gibt es viele Nebenerwerbsbetriebe, die die Milchviehhaltung aufgegeben haben. Das Land wird nur noch marginal bewirtschaftet. Durch Flächenstillegungsprogramme werden gegen finanzielle Vergütungen weitere landwirtschaftliche Areale aus der Produktion genommen. Schließlich wird es durch Landabgabenrenten besonders für ältere Landwirte möglich, aus der Landwirtschaft auszusteigen. Dies bedeutet, daß ihre Stellung als dominierende Landnutzer - außer der Forstwirtschaft - ständig abnimmt. 

Ein sehrwichtiger Aspekt ist das Nachfolgerproblem, das durch die gesunkene Geburtenrate und die starke Anziehungskraft anderer Wirtschaftsbereiche verursacht wird. Hierdurch sind bereits viele Betriebe eingestellt oder werden in Zukunft stillgelegt. Dies hat bereits solche Formen angenommen, daß man durchaus vom Bauernsterben in den Eifeldörfern sprechen kann. Vor allem sank die Zahl der funktionierenden Nebenerwerbsbetriebe. Durch diese Entwicklung ist besonders die Lebensfähigkeit der kleinen Dörfer, die seit jeher durch die Landwirtschaft geprägt sind, betroffen. Es gibt bereits Orte ohne funktionierende Landwirtschaft. Ein Beispiel ist Zermüllen mit Rückgang von 13 im Jahre 1984 auf vier Haupt- oder Nebenerwerbsbetriebe heute.

Zur anfangs gestellten Frage ist zu bedenken: »Wie wird die Kulturlandschaft in etwa 20 Jahren aussehen?« Das heutige Aussehen der Kulturlandschaft ist im starken Maße der Land-und Forstwirtschaft zu verdanken, man müßte sich mit der Tatsache beschäftigen, was die unmittelbaren Folgen der oben beschriebenen Entwicklung für unsere Landschaft sind. Durch Verpachtung, extensive Nutzung des Grünlandes fürden Heuverkauf, vereinzelte Umstellung auf Mastviehhaltung, Schafhaltung und das jährliche Mähen (eine minimale Pflegemaßnahme) der abgegebenen Flächen sind die Folgen noch kaum erkennbar. Andererseits ist bereits zu beobachten, daß die Sommerbeweidung erheblich reduziert ist. Diese Situation wird sich ändern. Die stillgelegten Flächen und alle, die unter die Landabgaberente fallen, können nicht mehr als landwirtschaftliche Nutzflächen verpachtet werden; extentive Landwirtschaftsformen werden mangels Nachfolger oder Interesse abnehmen.

Gibt es in der Politik und bei den Behörden -abgesehen von bereits laufenden Subventionen und Programmen für die Landwirtschaft -Diskussionen, Pläne und Konzepte für die Nutzung der immer mehr freikommenden Landwirtschaftsflächen? Sollen sie ihrem Schicksal überlassen werden, damit die Natur wieder freies Spiel bekommt; sollen sie aufgeforstet oder andere Wirtschaftsformen entwickelt werden? Müssen schließlich Landwirte als Kulturlandschaftspfleger eingesetzt werden? Es wird deutlich, daß wir hier an einem Scheideweg stehen, wenn die landwirtschaftlichen Aktivitäten, abgesehen von einigen Großbetrieben, aus unserer Region verschwinden.

Mit diesem Beitrag möchte ich eine Diskussion anregen, in der Vertreter aus Politik, kommunalen Behörden, der Land- und Forstwirtschaft, der Wirtschaft und Denkmalpflege, des Naturschutzes, der Angewandten Historischen Geographie beteiligt werden sollen, um zusammen mit den Bürgern Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Hierbei soll meines Erachtens der Erhalt der Eifeler Kulturlandschaft und ihr behutsamer Umgang eine wichtige Rolle spielen. Die historisch gewachsene Landschaft ist das uns anvertraute Erbe und als solches wesentlicher Bestandteil der direkten Umwelt.

In allen zukünftigen Planungen und Konzepten müßten folgende Aspekte berücksichtigt werden:

- Entwicklung von alternativen (ökologisch verantworten) Landwirtschaftsformen, die sich abgesehen von Starthilfen selbst tragen können, wie zum Beispiel extensive Mastviehhaltung,

- Landwirte gegen Vergütung mit Kulturlandschaftspflegemaßnahmen (Mähen, Beweiden, Pflegen von Hecken und Bäumen) beauftragen,

- Zugeschnittene Zusammenlegungen und Strukturmaßnahmen für Haupterwerbsbetriebe unter Berücksichtigung des Natur- und Kulturlandschaftsschutzes,

- weitere Erschließung für den Fremdenverkehr, wobei nicht unbedingt der Massentourismus im Mittelpunkt stehen muß,

- weiterer Ausbau von Wander- und Radfahrwegen,

- Natur- und Landschaftsschutz,

- integrierte Bau- und Bodendenkmalpflege,

- Kulturlandschaftsschutz und -pflege,

- Erhalt überlieferter Traditionen und Bräuche,

- angepaßte forstwirtschaftliche Konzepte,

- Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen.

Dies waren nur einige Anregungen. Ich hoffe, daß die sinnvolle Frage aufgegriffen wird und letztendlich Konzepte entwickelt werden.