Gönnersdorf und seine Kapelle

Heinrich P. Tschimmel, Gönnersdorf

 

In die Stille des Abends hinein läuten die beiden Glocken der Kapelle von Gönnersdorf. Der, dem dieses Läuten gilt, hört es nicht mehr, aber alle anderen im Dorf wissen, was der Ruf der Glocken bedeutet, und viele treffen sich in der Kapelle zum Rosenkranz als letzten Gruß. So war es wahrscheinlich vor etwa 340 Jahren und so ist es auch heute noch.

1632 wurde erstmalig eine Kapelle in Gönnersdorf erwähnt, also vor etwa 360 Jahren und wahrscheinlich erhielt sie 18 Jahre später die erste Glocke, jene Glocke, die die Jahreszahl 1650 trägt und heute noch einen Ehrenplatz unter der Empore unserer jetzigen Kapelle einnimmt.

Vieles was damals geschah, fiel in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

Es war die Zeit, in der hier noch das alte Adelsgeschlecht derer von Gönnersdorf lebte. Dieses Adelsgeschlecht war bereits seit über 300 Jahren in Gönnersdorf ansässig und besaß weitverzweigte Güter. Heute können wir jedoch mit einiger Sicherheit annehmen, daß der letzte dieses Geschlechts, Ritter Wilhelm Bernhard von Gönnersdorf, Anno 1633 verstorben ist, also ein Jahr, nachdem die Kapelle von Gönnersdorf erstmalig erwähnt wurde.

Es ist allgemein bekannt, daß der Adel jener Zeit treuer Anhänger der kath. Kirche war und so dürfen wir annehmen, daß der letzte Adelige unsere Kapelle noch sehr gut kannte. Der Dreißigjährige Krieg hat natürlich auch in der Eifel schlimme Spuren hinterlassen.

1631 landeten schwedische Truppen mit König Gustav Adolf in Pommern und zogen bis Mainz. Daß bei diesem Kriegszug auch Teile der Eifel verwüstet, geplündert und ausgeraubt wurden und in vielen Gegenden Seuchen ausbrachen, könnte eine Erklärung dafür sein, daß auch das Adelsgeschlecht derer von Gönnersdorf diesen Krieg nicht überstanden hat.

Der schwedische König Gustav Adolf fiel ein Jahr später (1632) in der Schlacht bei Lützen in der Gegend von Leipzig.

Bevor wir uns wieder unserer Kapelle zuwenden, gehen wir noch einen weiteren Schritt zurück bis ins Hochmittelalter. Aus dieser Zeit, nämlich Anno 1136, gibt es eine Urkunde, die im Original im Landeshauptarchiv Koblenz (früher Staatsarchiv) aufbewahrt wird. Sie besagt nicht mehr und nicht weniger, als daß Bischof Albero aus Basel dem Kloster in Prüm einen Hof schenkt, der in Gönnersdorf, nähe Prüm, gelegen ist. Allein das Vorhandensein dieser Urkunde besagt schon, daß Gönnersdorf jetzt mindestens 855 Jahre besteht. Wenn aber Anno 1136 ein Bischof einem Kloster in Prüm einen Hof geschenkt hat, der in seiner Urkunde erwähnt wird, so muß dieser mindestens schon 100 bis 150 Jahre alt gewesen sein.

Wir dürfen also mit großer Gewißheit annehmen, daß Gönnersdorf sein 1 000jähriges Bestehen bereits erreicht hat, oder nahe an dieser Grenze ist.

Noch liegt allerdings die Zeit der wirklichen Gründung von Gönnersdorf im Dunkeln und es bedarf wahrscheinlich vieler Arbeit im Landeshauptarchiv Koblenz, um etwas mehr Licht in dieses Dunkel zu bringen. Überlassen wir das aber der Zukunft und wenden wir uns wieder unserer Kapelle zu. Wie eingangs vermerkt, wurde ein Gotteshaus in Gönnersdorf Anno 1632 erstmals erwähnt, was aber nicht bedeutet, daß dieser Zeitpunkt mit dem Bau der ersten Gönnersdorfer Kapelle identisch ist.

Wenn, wie ebenfalls in einer Koblenzer Urkunde zu lesen ist, im 15. Jahrhundert bereits ein Frühmesser von Lissendorf nach Gönnersdorf kam, dann muß jene Kapelle schon sehr lange bestanden haben, oder es war nicht die erste Kapelle. Aber auch hier bedarf es noch einiger Nachforschungen. Das Glöcklein, welches heute noch in unserer Kapelle einen Ehrenplatz einnimmt und die Jahreszahl 1650 trägt, gibt allerdings noch einige Rätsel auf.

Zwischen 1632 (erste Erwähnung der Kapelle) und 1650 (Herstellungsjahr der Glocke) waren es nur 18 Jahre. Wenn man überlegt, daß die Firma Mark in Brockscheid bei Daun schon 370 Jahre lang die Glockengießerei im Familienbetrieb ausübt, also bereits seit 1620, so gibt es auch hier keine Anhaltspunkte, da die Firma Mark erst seit 1840 als »Eifeler Glockengießerei« ansässig ist. Früher, also auch im 17. Jahrhundert, waren alle Glockengießer-Unternehmen nur als reine Wanderbetriebe tätig. Da diese Unternehmen aber durch ganz Europa reisten und gerade dort, wo sie einen Auftrag bekamen, Station machten, wird sich wohl nie feststellen lassen, wo unser Glöcklein herstammt.

Sehen wir uns nun den weiteren Werdegang der Kapelle an. Das Kirchlein war inzwischen viel zu klein geworden und so begannen die Gönnersdorfer 1828 mit einer erheblichen Erweiterung und Renovierung der alten Kapelle, obwohl die notwendigen Mittel dazu noch fehlten. Auch der Einspruch des königlichen Landrats konnte die Gönnersdorfer nicht von ihrem Vorhaben abhalten.

Am 4. August 1831 wurde die renovierte und erweiterte Kapelle eingeweiht. Seit dieser Zeit wird auch die hl. Luzia, die als Märtyrerin auf Sizilien den Tod gefunden hat, hier als Schutzpatronin verehrt. Bis 1953 bestand die Inneneinrichtung der Kapelle aus einem Säulenaltar mit zwei Heiligenfiguren und 16 Eichenholzbänken, die in Handarbeit hergestellt waren. Die Gewänder der Priester und Meßdiener sowie die Altardecken wurden - mangels einer Sakristei - in zwei Schubladen aufbewahrt, die auf der Rückseite des Altars angebracht waren. Ebenso befand sich an der Chorwand hinter dem Altar ein aufklappbarer Beichtstuhl. Die Fensterrahmen der Kapelle bestanden aus Holz mit einfachen Glasfüllungen.

Auch Gönnersdorf wurde vom 2. Weltkrieg nicht verschont. Am 13. Oktober 1941 wurden Bomben auf den Ort geworfen, die auch alle Fenster unserer Kapelle zerstörten.

Der Großzügigkeit der damaligen Reichsregierung ist es zu verdanken, daß bald nach dem Bombenangriff bunte Bleiglasfenster mit figürlichen Darstellungen eingebaut wurden. Die Fenster der linken Seite zeigen die hl. Luzia, die hl. Brigitta und die hl. Elisabeth; die Fenster der rechten Seite den hl. Erzengel Michael, den hl. Kamillus und den hl. Wendelinus. Als Dank dafür, daß in der Bombennacht keine Menschen verletzt wurden, erhielt das Luzienfenster eine bildliche Darstellung des Bombenangriffs. 1952 bildete die Gönnersdorfer Bevölkerung eine Kapellen-Interessengemeinschaft, da das Gotteshaus einer größeren Renovierung bedurfte. Die Gemeinschaft fand solche Resonanz, daß sich etwa 80 % der Bevölkerung verpflichtete, in regelmäßigen Abständen bestimmte Beträge zu stiften, die zwischen 5,— DM und 25,— DM und mehr lagen.

Auf diese Weise kamen bis Ende 1953 6 000,— DM zusammen. Weitere größere Beträge brachten kulturelle Veranstaltungen und eine Tombola. Die Gemeinde stellte das Bauholz kostenlos, den Abbruch und die Räumungsarbeiten übernahm die freiwillige Feuerwehr, die örtlichen Fahrzeughalter besorgten den Abtransport von Bauschutt und Erdaushub. Und wie immer in Gönnersdorf, wenn etwas zum Gemeinwohl erstellt oder gebaut werden sollte, waren auch hier sofort viele freiwillige Helfer zur Stelle, die von Mai bis November 1953 folgende Umbauten und Renovierungsarbeiten ausführten:

Das Schiff wurde um vier Meter verlängert und erhielt am Eingang einen Windfang, gebaut wurde ein neuer Glockenturm und eine Sakristei, das schadhafte Schieferdach wurde erneuert, außen und innen neuer Verputz angebracht, eine Empore eingebaut, schließlich erhielt die Kapelle 16 neue Bänke und eine Kommunionbank.

Der damalige Bürgermeister Hermann Wiesen hat in einer Niederschrift die Kosten wie folgt aufgeschlüsselt:

10000DM Darlehen von der Diözese

6 000 DM Beiträge oder Spenden

4 000 DM Darlehen von der Kreissparkasse Daun

3 500 DM Holzlieferung der Gemeinde.

Am 13. Dezember 1953, dem Luzientag und Patronatsfest von Gönnersdorf, wurde im erneuerten Gotteshaus endlich wieder eine hl. Messe zelebriert.

Eine Kapelle ohne Glockenläuten konnten sich die Gönnersdorfer nicht vorstellen und als 1942 das alte Glöcklein als Metallreserve abgegeben werden mußte, bestellte man bald eine neue Glocke. 1949 haben die Gönnersdorfer ihr altes Glöcklein wieder abgeholt und zusammen mit der neuen Glocke, die allerdings aus Stahl bestand, und daher nur in der allernächsten Umgebung zu hören war, wurden beide Glocken in einem feierlichen Gottesdienst im Turm untergebracht. Alle im Ort waren froh, den vertrauten Klang wieder zu hören. Bald stellte man jedoch fest, daß die über 300 Jahre alte und 50 kg schwere Glocke wegen Altersschwäche nicht mehr geläutet werden konnte. Die Jungmänner im Ort folgten gerne dem Vorschlag des Pfarrers Olzem und sammelten den Kaufpreis für eine neue Glocke, eine weitere finanzierte die Kirchengemeinde vom Rückfluß der Gelder, welche die Filiale Gönnersdorf für die Glocken der Pfarrkirche gegeben hatte. Am 8. August 1954 war die feierliche Weihe der beiden neuen, in Brockscheid gegossenen Bronzeglocken. Die Patenschaft für die Luzienglocke übernahmen die Lehrerin Maria Schmitz und der Vorsitzende der Kapellen-Interessengemeinschaft, Bernhard Henn, während Kaspar Simon und Helmut Schmitz bei der Aloysiusglocke Pate standen. Die Glockenweihe fand in feierlicher Zeremonie statt, einen Tag nach der Primiz von Christian Wagner, einem geborenen Gönnersdorfer und so hatte die gesamte Dorfbevölkerung Grund, den Ort festlich zu schmücken. An diesem Tage, dem 16. August 1954, zelebrierten drei Söhne von Gönnersdorf in der soeben vollständig renovierten Kapelle ein feierliches Levitenamt. Neben Christian Wagner als Neupriester standen am Altar sein Onkel Pater Wilhelm Wiesen und Pater Adolf Hoffmann.

In der Folgezeit war man stets bemüht, die Ausstattung der Kapelle zu verbessern. So wurde im Dezember 1955 für 1 200 DM eine elektrische Heizung installiert. Ein Künstler aus dem Kreis Mayen schnitzte 1957 die Statue der hl. Luzia und ein Jahr später einen Kreuzweg als Holzrelief. Pfarrer Gummich, der am 29. September 1957 sein Amt in der hiesigen Pfarrei übernommen hatte, weihte im Rahmen einer Kreuzwegandacht die neuen Stationen ein, wobei auch die Spender in dankenswerter Weise erwähnt wurden.

1968 konnte durch Spendengelder eine Hohner-Elektronen-Orgel finanziert werden, um den Gottesdienst feierlicher zu gestalten. Als sich Gönnersdorf 1972 am Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« beteiligte, waren es wiederum viele freiwillige Helfer, die den Außenanstrich der Kapelle kostenlos erneuerten. Im Dezember 1972 baten Pfarrer Gummich und Ortsbürgermeister Schmidt die Bevölkerung um finanzielle Unterstützung, damit ein Paramentenschrank, Polsterauflagen für die Bänke und ein Zelebrationsaltar angeschafft werden konnten. Der neue Holzaltar ermöglicht es dem Priester, das hl. Meßopfer zum Volke hin gewandt zu zelebrieren; der Altar wurde in Eigenleistung erstellt. Im Winter 1975 wurde in der Kapelle der neue Holzfußboden verlegt. Ein Adventsbasar, von der Gönnersdorfer Frauengemeinschaft 1977 veranstaltet, brachte einen solchen Erlös, daß davon ein neuer Teppich zur Ausschmükkung des Altarraumes und ein Megaphon angeschafft werden konnten. Von den Einnahmen des Dorffestes 1985 wurde die Vergoldung des Meßkelches und der Kauf einer Liedertafel finanziert. Doch die Gebefreudigkeit der Gönnersdorfer war damit noch nicht erschöpft. Im Jahre 1987 wurde die Grundrenovierung der Kapelle beschlossen. Architekt Heinen aus Gerolstein erstellte einen Kostenvoranschlag von 139 000,00 DM, den das Bistum Trier auf 91 500,00 DM reduzierte; gleichzeitig gewährte es einen Zuschuß von 60000,00 DM. Ende September 1989 wurden die Fenster ausgebaut, die Kapelle ausgeräumt. Der Boden wurde 60 cm tief ausgeschachtet, mit Lava aufgefüllt, darauf kam eine 20 cm dicke Betonschicht auf Schweißbahnen. Die beiden in der Kapelle stehenden Stützen konnten durch einen eingezogenen Eisenträger entfallen. Als Neuerung wurden Wasser- und Kanalanschluß angebracht, wodurch in der Sakristei Waschbecken und Toilette eingebaut werden konnten. Weitere Verbesserungen waren: Die Verkabelung des Stromanschlusses, die Verlegung und mit Kies abgedeckten Außendrainagen sowie die Befestigung des Eingangs zur Sakristei mit Verbundsteinen.

Wenn es auch in Gönnersdorf üblich ist, daß vieles in Eigenleistung gemacht wird, so sollen doch die enormen Anstrengungen sowie die Spendenfreudigkeit der Bevölkerung, die bei der Grundrenovierung der Kapelle zutage traten, besonders hervorgehoben werden. So wurden bis zum 1. Dezember 1990 44615,02 DM gespendet und an freiwilliger Arbeit 2 300 Stunden geleistet. Nicht vergessen werden sollen der Frauenverein, der 340,40 DM für den Treppenbelag zum Chorraum und für eine Vase ausgab, sowie der Möhnenverein, der 1 200,00 DM für die Bestuhlung des Chorraumes spendete.Damit waren noch lange nicht alle Arbeiten an der Kapelle abgeschlossen. Zur weiteren Renovierung gehörten: Installation einer Nachtspeicherheizung, Dachdecker- und Klempnerarbeiten, der Innenanstrich. An den Fenstern wurden die Rahmen erneuert, bunte Glasteile neu in Blei gefaßt und zerbrochene ersetzt. Beide Türen zur Sakristei und die äußere Tür am Windfang wurden erneuert, die innere Eingangstür ausgebessert. Eine elektrische Anlage zum Läuten der beiden Glocken konnte dank einer großzügigen Spende von 11 000,00 DM angeschafft werden. Am 21. Mai 1990 läutete Frau Schomers letztmalig in alter Art durch Ziehen der Glockenseile. Soweit man zurückdenken kann, hat Familie Schomers zu den festgesetzten Zeiten und bei allen ortsüblichen Gelegenheiten diesen Dienst versehen. Dankbar gedacht werden soll auch all derer, die an der Gestaltung der Gottesdienste mitwirkten, insbesondere der langjährigen Küsterin Anna

Michels und der verstorbenen Frau Margarete Philippi, die den Küsterdienst in den Kriegs- und Nachkriegsjahren versah, sowie dem verstorbenen Küster und Organisten Matthias Kirsch. Beim Dorffest am 5. August 1990 wurde erstmalig die hl. Messe in der neu renovierten Kapelle gefeiert. Die Grundrenovierung soll im Jahr 1992 durch einen neuen Außenanstrich und Außenanlagen zu Ende gebracht werden. Der entsprechende Antrag dafür, mit Kostenvoranschlag, muß termingemäß bis zum 30. Juni 1991 in Trier eingereicht sein, damit die erforderlichen Mittel auch für diese Arbeiten genehmigt werden können.

Besonderer Dank gebührt unserem Ortsbürgermeister Friedrich Schmidt. Von der Planung bis zur endgültigen Fertigstellung der Kapelle war er unermüdlich tätig und führte die gesamte Bauaufsicht. Er und seine Helfer machten die Renovierung in diesem Umfang erst möglich und das Kirchlein zum Schmuckstück im Ort.