Virneburger Fischweiher zu Retterath

Erich Mertes, Kolverath

 

Die Fischweiher der Grafschaft Virneburg sind bis heute noch nicht alle erforscht. In der oberen Grafschaft, im Kirchspiel Retterath, finden wir zunächst drei, nämlich im oberen Arbachtal bei der Franzenmühle, bei Lirstal und bei Retterath. Bei der Lokalisierung des Retterather Fischweihers gab es zunächst einige Irritationen, weil in einer alten Urkunde der Weiher als Grüner Weiher bezeichnet war, das Eigenschaftswort grün aber nachträglich gestrichen wurde. Inzwischen hat sich der Irrtum durch den Grünbach (Grünbach-Weiher) aufgeklärt (Vgl. Landeskundl. Vierteljahrsbl. H. 3/1984).

Lage des Weihers: In Retterath, Flur 14, Grünbach („Grömich"), Distrikt „Im Weiher". Das ist östlich des uralten Weges Retterath - Uersfeld, wenig unterhalb des Zusammenflusses von Steinbach (Retterather Seite) und Wehrbach (Uersfelder Seite). Die Gemeindegrenze verläuft rechts des Wehrbaches und nach dem Zusammenfluß weiter am Feldweg rechts des Grünbachs entlang; 250 m vor Einmündung des Grünbachs in die Elz geht die Gemeindegrenze auf die linke Seite des Grünbachs über. Doch es ist merkwürdig, dies ist nicht die Grenze zwischen Retterath und Uersfeld, sondern zwischen Retterath und Lirstal. Die Gemarkung Lirstal hat hier eine Flurzunge (Flur 3), die bis auf 500 m an die Virneburger Richtstätte Galgen heranreicht, während Uersfeld ja kurkölnisch war und seine Richtstätte Galgen zwischen Kötterichen-Horperath hatte. Man kann hier allgemein feststellen, daß die Dörfer beziehungsweise Heimbürgerschaften eines Hochgerichts mit ihren Fluren sehr nahe bis an das zuständige Hochgericht Galgen heranreichten. Das wird bei den Gemarkungsgrenzen für das Hochgericht Virneburg/Retterath im Grünen Weiher und im Schultheißenamt Uersfeld/Uess für das Hochgericht Galgen zwischen Kötterichen/ Horperath besonders augenfällig, wenn man die heutigen Gemeindegrenzen dieser Dörfer einmal daraufhin untersucht. Dies nur nebenbei.

Der Retterather Fischweiher im „Grömich" bestand nach Auswertung aller Akten schon im Mittelalter. Er wurde aber nicht von den Grafen oder ihren Bediensteten gewartet und ausgefischt, sondern man vergab die Nutzung in Pacht, wie das auch bei der Verpachtung des Getreidezehnten geschah. Der Streit des Einzugs wurde also delegiert.

1551 ist der Fischweiher, genannt „Krombach", im Kurtrierischen Einnahmeverzeichnis des Kirchspiels Retterath mit Abgabe von einem Malter Hafer verzeichnet. 1569 heißt es unter den Fruchteinnahmen Virneburg:.....item, den 28. Oktober (sind fällig): zwei Wag von Arbach mit Fang 11 Malter Korn, weniger 1/2 Summer. Den 28. November zwei Wag von Retterath, 11 Malter Korn. Und dem Fang von Mannebach 5 1/2 Malter weniger 1/2 Summer."

Wag ist nach Grimm (27, 331) ein bewegtes Wasser, ein Teich, ein Stauwasser, ein (Fisch)weiher, aber auch ein fließendes Gewässer, mit Woge verwandt. Im Jahre 1617, ein Jahr bevor der 30jährige Krieg begann, ließ der Virneburger Amtmann den alten Weiher bei Retterath überholen. Bernhard Trittscheid von Ulmen arbeitete 63 Tage daran und erhielt pro Arbeitstag einen Gulden, also insgesamt 63 Moselgulden. Johann Zimmer von Bereborn hatte den Auftrag für das Holzwerk erhalten, das er gehauen und zurechtgeschnitten hatte, dann die Kännel, das Schiff, Gießbrett, die Zapfen und alles sonstwie Notwendige dazu hergestellt und verarbeitet; alles auf seine eigene Beköstigung. Er arbeitete insgesamt 11 1/2 Tage daran und erhielt ebenfalls einen Moselgulden je Arbeitstag. Sein Sohn war 12 Tage mit daran beschäftigt, er erhielt 22 Albus/Tag (1 Gulden = 24 Albus), das machte insgesamt für Johann Zimmer und Sohn 22 Gulden und 12 Albus (= 22 1/2 Gulden)1. An dem Holzwerk hatten Johann Simon von Mannebach und Peter Fehlen (Feien) daselbst geholfen, jeder insgesamt 11 1/2 Tage, wie Johann Zimmer auf eigene Beköstigung. Diese Hilfskräfte erhielten wie der Sohn von Joh. Zimmer 22 Albus/Tag.

Nach dieser von Grund auf erneuerten Anlage des Weihers wird er in den nächsten Jahrenauch der „Neue Weiher" genannt. Das erfahren wir aus den Fruchtrechnungen 1622/23. Da erhält Dietherich der Bott (Bote) zu Mannebach jährlich ein Malter Korn dafür, daß er den neuen Weiher bei Retterath wartet, also hegt und pflegt. Am ersten Dienstag im Juli 1631 wurde der letzte ordentliche Dingtag nach altem überlieferten Herkommen aus dem Mittelalter für die Grafschaft Virneburg in Retterath abgehalten2. Bei den formalen Fragen heißt es da „ferners und zum achten: hat der Vogt die Scheffen ausgemahnt, wem sie in diesem Kirchspiel zuweisen Rauch und Brand, Glockenklang, die Vögel in der Luft, die Fisch im Waag...". Hier gilt Waag also für Gewässer allgemein.

Während der nachfolgenden Jahre im30jähri-gen Krieg (1618 - 1648), wurde die „evangelische" Grafschaft Virneburg und mit ihr das Kirchspiel Retterath von den katholischen Truppen der Kaiserlichen und der Spanier so verheert, daß es 1640 in Kolverath nur noch eine Familie gab, in Bereborn zwei, in Mannebach sieben, in Oberelz auch nur noch eine, in Arbach vier, Lirstal mit Dürrenbach elf und schließlich im Pfarrort Retterath noch zehn. Die Fischweiher hatte man ausgestochen, wie wir das an den Ruinen der Staudämme in Lirstal und oberhalb Arbach bei der Franzenmühle heute noch sehen können. Die Soldateska ging sogarschließ-lich dazu über, den Bauern das Getreide auf den Feldern abzumähen und zu dreschen. Der Leitsatz Wallensteins, daß der Krieg den Krieg ernähren müsse, hätte zum Untergang der Völker geführt.

Erst Anfang der 1660er Jahre war man soweit erholt, daß die gräfliche Behörde an die Erneuerung und Neuverpachtung der Fischweiher herangehen konnte. Von dieser Maßnahme liegt uns eine Urkunde vor, die wir nachstehend im Wortlaut wiedergeben und mit einigen Erläuterungen versehen.

Weyher und Teich betreffend

Hochgeborene unsere gräfliche Herrschaft zu Löwenstein, Wertheim, Rochefort3, Virneburg, haben Thernus Michels Eidomb4 Theise zu Retteradt den Weyer daselbsten dergestalt kraft dieses verchunt, daß derselbe das Graß oder Heu, so darin wachsen, möchte benutzen, und von der vorhandenen Wüstung räumen und fegen, und hingegen5 zu Martini6 dieses Jahres 6Sümmer, und dannfürters alle Jahrein Malter7 Hafer an statt eines Pfachts uf dero Schloß Virneburg liefern, an dem Weyer Damm aber nichts verwüsten, diese Leerung auch bei Reparationen solchen Weyers in keine Considera-tion kommen solle8. Urkundt dessen ist gegenwärtig Pfachtbrief mit ihrer hochgräflichen Gnaden gemein9 und respective10 vormundschaftlich11 Gesiegel bedruckt worden. So geschehen, Wertheim den 1. 7bris12 anno 1662. -L-Die Urkunde ist in Wertheim ausgestellt und mit der Initiale -L- signiert. Dieses -L- steht für Ludwig Ernst, Graf von Löwenstein-Wertheim-Virneburg (Mitregent 1658-81). Sein Grabstein befindet sich in der evangelischen Stiftskirche in Wertheim/Main.

Im Jahre 1670 verpachtet die gräfliche Behörde am 14. Juli.....die in hiesiger Grafschaft verfallene Fischweiher..." an Johann Dietrich Hilgers für zehn Jahre. Der Pächter Hilgers muß die Teiche auf seine Kosten wieder aufbauen. Dafür kann er zehn Jahre lang den Nutzen daraus ziehen, ohne Pacht zu zahlen. Bei der Wiederinstandsetzung sollen ihm die in der Nähe wohnenden Untertanen je einen Tag lang helfen, denn die Weiher waren „... durch die teils durchmarschierten, teils in Quartier gelegenen Soldaten ... mit Durchstechungen und Ruinierung der Dämme..." so stark verwüstet, daß ein Wiederaufbau die Hilfe aller Beteiligten und Unterstützung der Behörde erforderte. Moderne Vokabeln nach dem 2. Weltkrieg waren hierfür Lastenausgleich und Wiederaufbaudarlehen. 1676 wird der Pachtvertrag Hilgers mit pachtfreier Nutzung der Fischereirechte um weitere vier Jahre bis 1684 verlängert, weil er,,... gemelter Weiher aber bei so beschaffenem Zustand noch zur Zeit in geringstem nicht genossen hat, dazu noch in Sorgen steht, ob bei jetzigen noch laufenden Kriegszeiten, er einigen Nutzen daraus (wird) schöpfen können..." Danach endete der Pachtvertrag Hilgers 1684 endgültig. Diese Urkunde datiert vom 25. August 1676. In ihr ist einmal von Fischweihern im Plural, an anderer Stelle von einem Fischweiher im Singular die Rede. Sie wurde in Virneburg ausgestellt und von Friedrich Eberhard, Graf zu Löwenstein-Wertheim, unterschrieben.

Friedrich Eberhard war Mitregent 1658-83 und nach Ludwig Ernst der Zweitälteste Sohn des Grafen Friedrich Ludwig (1618-58). Dessen Vater, Graf Christoph Ludwig (Regent 1611-18), war der eigentliche Stifter der evangelischen Linie Löwenstein-Wertheim-Virneburg. Er hatte mit 24 Jahren, am 1. Oktober 1592, die Grafentochter Elisabeth von Manderscheid-Schleiden-Virneburg geheiratet, die nach seinem Ableben 1618 die Regierung mit ihrem Sohn Friedrich Ludwig gemeinsam ausübte. Bis zu ihrem Tod 1622 scheint sie jedoch die herrschende Kraft gewesen zu sein, denn Bittschriften Virneburger Untertanen richten sich in diesen Jahren ausschließlich an sie.

Am 11.2.1683 meldet der Amtmann Marx Hitzier an seine gräfliche Behörde in Wertheim, daß er „... der vorhandenen Weiher aber vorm Jahr im April vier und im Oktober einer, also zusammen fünf bereits besetzt habe, in Hoffnung, daß über zwei Jahre ein erkleckliches daraus ziehen solle..."

Im Februar 1683 hatte die gräfliche Behörde Virneburg also fünf Fischweiher wieder unter ihrer direkten Verwaltung in Besitz, von denen sie sich jedoch erst ab 1685 „erkleckliche" Fangquoten versprach.

Der Retterather Fischweiher im „Grömich" war dann intakt bis zum Einmarsch der Franzosen 1794. Danach änderten sich die Eigentumsverhältnisse, doch wir wissen bis heute nicht, wie und wann er endgültig abgelassen wurde.

Am 17. September 1741 geschah ein großes Unglück. Der 27 Jahre alte Johann Zimmer ertrank im Fischweiher von „Gremig". Diese Eintragung im Kirchenbuch Retterath machte Pastor Peter Schreiber (1733 -1752), dem wir die ersten Kirchenbuch-Eintragungen in der Pfarrei Retterath ab 1734 verdanken. Weil der ertrunkene Johann Zimmer aber 1714 geboren war, wissen wir nicht, von wo er stammte und wer seine Eltern waren.

Heute können wir den geschichtsträchtigen alten Fischweiher mit dem zerstörten Staudamm im Grünbachtal noch gut erkennen. Ein kleiner Teil des Geländes wird seit den 1970er Jahren wieder als Fischweiher von Günter Sehend aus Uersfeld genutzt.

Ein historisches Gelände!

Für die Hilfe bei der Lokalisierung des Weihers bedanke ich mich bei Ortsbürgermeister i. R. Heinrich Simon, Retterath, und Nikolaus Hermann, Mannebach.

Anmerkungen:

1. s. Verf., Währungen in der Eifel, Eifel-JB 1992, 109ff.

2. Landeskundliche Vierteljahrsblätter Trier, H. 2/1981, 16ff.

3. Die Grafen von Löwenstein-Wertheim waren konfessionell in zwei Linien gespalten: in die ältere evangelische Linie Virneburg und die jüngere Linie Rochefort. Beide Linien wurden unter einer gemeinsamen Verwaltung regiert. Die Urkunde gibt daher die Titel beider Linien an.

4. Eidomb = Eidam - Schwiegersohn

5. dagegen (als Pacht)

6. Martini = 11. November

7. ein Malter = 8 gehäufte Summer Hafer (Mayener Fruchtmaß)

8. Die Sache kommt in keine Consideration, d. h. kommt nicht in Betracht, nicht in Frage.

9. gemeinsam, allgemein

10. und respective = und/oder, bzw.

11. in rechtlicher Vertretung

12. in alten Urkunden und Kirchenbüchern werden Monatsangaben häufig in arabischen oder römischen Zahlen geschrieben. Diese sind dann lateinisch zu lesen, z. B.: 7bris - Septembris (nicht etwa unser 7. Monat Juli); Sbris = Oktober, 9bris - November; Xbris -Dezember.

PS: Der Retterather Fischweiher „im Grömich" gehörte vor 1567 zum Kurtrierischen Hof in Retterath.