„Kosterschriet"

Maria Krämer, Oberbettingen

 

Die Frau - damals hießen ledige Frauen bis ins hohe Alter Fräulein - von der hier die Rede ist, war Margaretha Weber aus Oberbettingen, geboren 1890, verstorben 1971.

Fünfzig Jahre versah sie den Küsterdienst in der Filialkirche zu Oberbettingen. Deswegen steht natürlich kein ihr gewidmetes Denkmal im Dorf und es ist auch keine Straße nach ihr benannt. Das wäre gewiß auch nicht im Sinne der zu Lebzeiten immer so bescheidenen „Schriet".

Doch finde ich es an der Zeit, die Erinnerung an „Schriet" etwas aufzufrischen und sie im Jahrbuch vorzustellen, zumal sie in der Pfarrei Niederbettingen und darüber hinaus eine bekannte Persönlichkeit war. Den Küsterdienst übernahm Schriet von ihrem aus Alendorf stammenden, 1913 verstorbenen Vater Johann Weber. Organistendienst versah sie nicht, dafür waren bei uns immer Männer zuständig. Der mit dem Küsterdienst verbundene Aufgabenbereich war mühsam und vielseitig. Ihr Tag begann schon früh mit dem Läuten der Morgenglocke. Im Sommer um 6 Uhr, im Winter eine Stunde später. Mittagläuten punkt 12 Uhr und die Abendglocke erklang um 19 Uhr. Dann schloß Schriet die schwere Kirchentüre mit dem uralten, riesigen Schlüssel ab.

Sie hatte den Reinigungsdienst im Gotteshaus, heizte im Winter den großen schwarzen Eisenofen in der Sakristei und pflegte die Kirchenwäsehe, einschließlich der liturgischen Gewänder. Wenn ich mich recht erinnere, besorgte sie auch die Wäsche der Pfarrkirche. Die Decken und Alben, die Meßdienerkittel und was sonst noch dazu gehörte, alles aus Leinen oder Baumwolle mit Spitzen und Biesen verziert. Oft habe ich als Kind zugesehen, wie die blütenweiß gewaschene und gestärkte Wäsche mit größter Sorgfalt gebügelt wurde. Damals gab es noch nicht die pflegeleichten, aber schnell vergrauenden oder vergilbenden Textilien.

Es würde viel zu weit führen, alles aufzuzählen, was Schriet bei mehr als geringer Bezahlung geleistet hat. Aber viele Oberbettinger Bürger haben sie noch gekannt und ihr ein gutes Andenken bewahrt. Weil sie vom Küsterdienst allein in jenen Jahren nicht leben konnte, hat sie noch viele andere Arbeiten übernommen. Sie war so etwas wie eine soziale Anlaufstelle im Dorf. War die Mutter krank, kam was „Kleines", starb jemand, fast immer wurde Schriet gerufen. Sie war das, was man heute gerne als „Allroundtalent" bezeichnet, konnte gut nähen und machte in vielen Häusern die Haus- und Flickschneiderei. Noch etwas konnte Schriet. Mit Hilfe eines großen, eigens dafür konstruierten Holzrahmens stellte sie schöne warme Steppdecken her.

Schriet lebte zusammen mit ihrer ebenfalls ledigen, etwas älteren Schwester Eva, die 1965 plötzlich verstarb. Eva stand Schriet, soweit es ihre angeschlagene Gesundheit zuließ, bei allen Arbeiten treu zur Seite. Diese beiden Schwestern waren die ersten wirklich emanzipierten Frauen, die ich gekannt habe. Sie waren fromm, ohne „frömmlerisch" zu sein. Man konnte sich über alles mögliche mit ihnen unterhalten ohne befürchten zu müssen, salbadriges Geschwätz vorgesetzt zu bekommen. Sie standen mit beiden Beinen fest auf der Erde. Nie waren sie einsam und allein. Vor allem sonntags kamen ihre Kusinen und Bekannten. Dann wurde erzählt und oft auch viel gelacht. Schriet war eine bemerkenswert kluge Frau, die sich gut selbst zu helfen wußte und die herzensgute Eva hat ihr den Rang, das „Familienoberhaupt" zu sein, nie streitig gemacht. Hart haben sie gearbeitet, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und viel Gutes „Gott zu Ehren" und ihren Mitmenschen zuliebe getan.