Schwester Ludomira -

Erinnerung an eine Nonne

Wilma Herzog, Gerolstein

 

Wir schreiben das Jahr 1918. Noch tobt der erste Weltkrieg. Da tritt am 7. Mai ein junges Mädchen ein in die Gemeinschaft der Franziskanerinnen von Waldbreitbach. Sie kommt aus der westfälischen Industriestadt Werdohl und heißt Maria Müller. Nach zwei Jahren legt sie ihr erstes Ordensgelübde ab und nennt sich fortan Schwester M. Ludomira.

Sie ist für die Tätigkeit im Krankenhaus ausgebildet und kommt 1937 nach Gerolstein ins St. Elisabeth Krankenhaus. Ihr Dienst an der Pforte bringt sie mit vielen Leuten in Berührung und das genießt sie, denn sie hat ein natürliches Interesse an den Menschen, an Dingen, die um sie herum passieren. Außerdem besitzt sie Humor, den sie selbst im Alter nicht verliert. Eine Gabe, die ihr schwierige Lagen meistern hilft, wertvoll besonders im Krieg und in der schweren Zeit danach, als sie mit anderen Schwestern über die Dörfer gehen mußte, um wenigstens die nötigsten Lebensmittel für Personal und Patienten zu erbetteln. Da blieb manche Mitschwester lieber zaghaft beim Handwägelchen zurück, wenn Schwester Ludomira fest an die Tür eines Bauernhauses pochte und die Bauersfrau mit Vornamen ansprach. Denn sie kannte fast alle, samt der weitverzweigten Verwandtschaft, und wo sie die Zusammenhänge nicht genau wußte, fragte sie einfach nach.

Eine ganz besondere Freude war es für sie, wenn im Krankenhaus ein Kind zur Welt kam. Das wußte sie immer genau in die Reihenfolge einzuordnen, und sie freute sich mit den Eltern, wenn nach drei Söhnen endlich die ersehnte Tochter angekommen war.

Auf die Kinder angesprochen, war ein Bauer eher geneigt, spontan zu helfen. Es gelang ihr so mancher reiche Fischzug, der in jenen Zeiten ein gefüllter Sack Kartoffeln war, den sie zusammen mit dem Bauern aus dem Keller zum Handwagen trug. Viele Eifeler konnten sich in früheren Jahren keine Krankenversicherung leisten. Bargeld war viel zu knapp, auch dann, wenn das Pech einen solchen Menschen ins Krankenhaus zwang. War nach der Ernte die Zahlung in Naturalien abzuholen oder zu fordern, war Schwester Ludomira die richtige Frau.

Wie sie die Kosten auf ihre Art niedrig hielt, konnte ich eines Tages sehen, als es noch Bahnsteigkarten gab, 10 Pfennig das Stück. Aber, das war auch Geld für die Schwester. Sie kam an die Sperre, lachte und schüttelte den großen ledernen Geldbeutel, den sie aus ihrem Gewand genommen hatte, vordem Bediensteten, sagte spitzbübisch: „Herr Klein, ich habe nicht einen Groschen, Sie lassen mich sicher kurz auf den Bahnsteig?" Wie konnte der denn anders. Er hatte den Klang von mindestens 20 Münzen im Beutel gehört, im Duett mit Rascheln von Scheinen, aber er kannte die Schwester und ließ sie selbstverständlich durch, um eine Mitschwester vom Zug abzuholen. Schwester Ludomira war für mich die erste Nonne, die ich näher kannte, eine Frau, die einfach in diese Welt gehört, ohne Wenn und Aber. Eine Frau, die überall hätte bestehen können, sei es im Beruf oder im Geschäftsleben. Wer ihr hübsches Gesicht auf dem Bild sieht, versteht, daß es ihr leicht gefallen wäre, einen Partnerzu finden. Sie wareine besondere Frau. Sie hat ihr Leben Gott geweiht und uns Menschen, denen sie Gott zuliebe dienen wollte. Sie tat es in einem langen Leben, Tag für Tag, bis sie 92jährig starb.

Möge der Herr ihr alles lohnen.