Zur Erinnerung an Rolf Dettmann

Prof. Matthias Weber, Köln/Niederbettingen

 

Am Nachmittag des 7. März 1992 wurde in Kronenburg der weit über den Eifelraum bekannte und geschätzte Kunstmaler Rolf Dettmann von seinem Krebsleiden erlöst und in die ewige Heimat abberufen.

Erst wenige Tage vor seinem Hinscheiden hatte ihn die Krankheit so ermattet, daß er Zeichenblock und -stift nicht mehr in der Hand halten konnte. Es waren die Gegenstände, die ihn nach eigenem Bekunden bis zuletzt sehr intensiv, um nicht zu sagen am meisten, interessierten. Die auf dem über 14 Monate währenden Krankenlager entstandenen Stiftzeichnungen erlangten einen besonderen dokumentarischen Wert über Rolf Dettmanns Denken in Bildern, über das er kaum noch mit jemandem sprach, in dem er aber offenbar den ihn in seiner letzten Lebensphase beschäftigenden und bewegenden Gedanken lebendigen Ausdruck zu geben versuchte.

Schon die im März 1991 im Rathaus zu Hillesheim präsentierte Ausstellung surrealistischer Ölbilder (typische „Dettmänner") sowie realistischer Kaltnadelradierungen (eine weitere Dettmannsche Spezialität) hatte er nicht mehr selbst ausrichten können; seine Frau Katharina vertrat ihn. Wohl war es ihm noch vergönnt, einige Tage später - in publikumsärmerer Zeit - sich die Ausstellung vor Ort anzusehen und gutzuheißen. Es war seine letzte, die er erlebte. Mochte er bei der Krankheit, die sich erstmals im Frühjahr 1983 bemerkbar machte, nach etlichen Krankenhausaufenthalten und Operationen in Bonn, Berlin, Köln, Prüm und Essen und dem heißen Bemühen tüchtiger Fachärzte zeitweilig an eine Besserung seines Gesundheitszustandes geglaubt haben; spätestens seit einem Jahr wußte er, „aus dieser Sache komme ich nicht mehr heraus".

Mit Rolf Dettmann haben Eitel und Rheinland einen ihrer herausragendsten Maler und Zeichner in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts verloren. Welche bedeutenden Erinnerungen verbinden sich mit diesem intellektuellen Kronenburger „Bildermacher", wie er sich seit Beginn der 70er Jahre in Abgrenzung von dem allzu vage gewordenen Begriff „Künstler" selbst zu bezeichnen pflegte?

Natürlich war er ein solcher, wenn man nach westeuropäischer Vorstellung unter Kunst das Höchste versteht, was vom Menschen außerhalb der Naturphänomene durch eine geistigorganische Leistung hervorgebracht werden kann. Nimmt man gleich als Kriterium für Größe das Neue hinzu, das ein Mensch erfindet und kreativ schafft, so findet sich im Wirken und Werk von Rolf Dettmann eine ganze Reihe von Belegen für große Leistungen.

Solche Züge deuten sich schon im Biographischen an. Dettmann zählte zu jenen nur fünf Düsseldorfer Kunstakademiestudenten, die ihrem in die Eifel verliebten Professor Werner Peiner im Frühjahr 1936 nach Kronenburg folgten, um hier eine Landakademie aufzubauen. Hierbei einer der ersten wurde er schließlich derjenige, der von allen Absolventen und Repräsentanten der Kronenburger Malerschule über das knappe Jahrzehnt ihres Bestehens (1936 -1945) hinaus Kronenburg und damit der Eifel die Treue hielt. Er fand in Katharina Brandenburg die Frau fürs Leben. Sie schenkte ihm nicht nur zwei Töchter, sondern trug auch mit ihm Last und Leid des Künstlerlebens bis zu seinem Tode. Hier in Kronenburg baute er sein idyllisches Haus am Hang mit dem herrlichen Blick auf den geliebten Burgort und die ehemalige Malerschule, heute Bildungsstätte des Landes Nordrhein-Westfalen. Obwohl er sich nie als „Eifelmaler" betrachtete, sondern als „einen Maler, der in der Eifel wohnt", läßt sich daraus keineswegs folgern, er hätte ebenso gut in einer Großstadt oder im Schwarzwald wohnen und leben können. Nein, Kronenburg hat er in seinen Bildern regelrecht gehuldigt wie kein Künstler je vor ihm. In allen Techniken seiner Kunst, ob in Öl, Stiftzeichnung, Radierung oder Linolschnitt wurde der Niederrheiner - er war am 25. Februar 1915 in Mönchengladbach geboren -nicht müde, für Kronenburg in seinen Bildern zu werben; auch zu kämpfen.

Natürlich machte er sich damit Feinde: Das bedeutete ihm wenig. Kein Maler der Eifel zeichnete die bedrohte Landschaft so früh und so eindringlich wie er. Keiner kümmerte sich mit seinen bildnerischen Gestaltungsmöglichkeiten wie er um die Bewahrung des variantenreichen Eifeler Brauchtums, das für das kulturelle Selbstverständnis der Eifelbewohner eine besonders hohe Bedeutung hat.

Kein in der Eifel lebender Maler und Graphiker setzte sich so mit dem deutschen Zeichnergenie Albrecht Dürer auseinander, wie Rolf Dettmann in seinem Zyklus „Dürer-Metamorphosen". Keiner entwickelte hier die Kunst der Monotypie so souverän in Farbkomposition, Inhalt und Einfallsreichtum. Seine zumeist in der letzten Lebenshälfte entstandenen surrealistischen Bilder mögen dem Betrachter immer ein Mitdenken abgefordert haben; in ihrem beliebten Dettmannschen „schönen Stil" waren sie zugleich stets eine Augenweide. Rolf Dettmann war fürwahr ein großer Meister des Abbildes; auch des Sinnbildes. Er ließ sich in seiner Bandbreite eigentlich nie eingrenzen oder gar reduzieren auf einen Landschafts-, Tiermaler oder Porträtisten; er beherrschte alle Sparten der Malerei und Graphik, wie man es nicht allzu oft antrifft. Es versteht sich fast von selbst, daß ein solch begabter Künstler mehr auf Entfaltung seiner Eigenart und seiner Eingebungen angelegt war, als auf gefällige Auftragsmalerei; wurde der künstlerische Weg damit auch nicht ebener. Stolpersteine hat Dettmann in seiner oft experimentierenden Malerei nie gescheut, wenn es ihm um die Darstellung von Botschaften ging. Und das war zumeist der Fall, wenn sich damit finanzielle Risiken verbanden. Doch über jede Anerkennung seiner Bemühungen hat er sich gefreut, ob es die eines Bildbetrachters in seinen zahlreichen Ausstellungen war oder die Verleihung einer Auszeichnung. 1961 erhielt er als erster deutscher Künstler den Kunstpreis der Europäischen Vereinigung bildender Künstler von Eifel und Ardennen, 1985 das Bundesverdienstkreuz am Bande und 1987 den Rheinlandtaler des Landschaftsverbandes Rheinland. Mit Rolf Dettmanns Tod ist die bildende Kunst in der Eifel spürbar ärmer geworden.

 

Wenn der Nachlaß in einigen Jahren geordnet sein wird, hat die rheinische Kunstgeschichte Mühe, sein umfassendes Werk aufzuarbeiten und für die Nachwelt zu sichern.

Der Freude am Betrachten möge das keinen Abbruch tun.