Das Eisenmuseum Jünkerath

Semra Beck

 

Jedes Museum braucht seine Zielbestimmung. Die Museumsarbeit muß bewußt geleistet und verbindlich festgelegt werden. Darum entschied sich der Kreis Daun bereits in den achtziger Jahren für eine zukunftsorientierte Museumslandschaft nach folgenden Grundsätzen:

- Auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips ist der Kreis Daun bestrebt, nur solche Museen zu errichten, die es anderenorts noch nicht gibt.

- Es muß eine Museumsvielfalt nach Inhalt und Struktur angestrebt werden. Somit werden sinnvollerweise die in der Nachbarschaft bereits vorhandenen Einrichtungen mit in das eigene Konzept integriert.

- Man ist weiterhin bestrebt, Museen zu errichten, die nicht lediglich regional begrenzte Bedeutung haben.

- Der übernommene Kernbestand an Objekten ist im wesentlichen historisch bedingt. Nach dem Herkunftsprinzip soll das Museumsgut möglichst dort zu präsentieren sein, wo es einen engen historischen Bezug zum Ort oder zur Landschaft hat.

Nach den oben genannten Kriterien entsteht eine dezentralisierte Museumslandschaft1). Die Verfasserin war in der glücklichen Lage, diese mit vielen Vorzügen verbundene progressive Museumspolitik vorgefunden zu haben.

Heute ist man sich darüber einig, daß es nur wenige große geschlossene Sammlungen gibt, deren Strukturen in sich so stimmig sind, daß man sie kaum zerlegen könnte. Viele der großen Museen können dagegen in kleinere Sammlungseinheiten unterteilt werden. Der Präsentationswert der einzelnen Einheiten wird in der Summe größer sein als in der jetzigen Häufung in Großmuseen. Das Britische Museum in London könnte dafür als ein prominentes Beispiel genannt werden. Museen dieser Art sind heterogen und können dabei ihren enzyklopädischen Anspruch doch in keiner Weise standhalten 2).

Es ist aus diesem Grunde erstrebenswert, engmaschig verteilt auf die ganze Landschaft die Museen zu dezentralisieren und viele Zweigstellen zu errichten. Nicht nur Sinn und Zweckmäßigkeit, sondern auch der Anspruch auf Chancengleichheit der ländlichen Bevölkerung verlangt danach. Kunst und Kultur darf nicht auf größere Städte konzentriert bleiben. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Entwicklung eines Wechselspiels von Zentralisierung und Dezentralisierung aus der Sicht des Museumspädagogen von Bedeutung ist3). Die Vermittlung kann „vor Ort", vor allem in kulturell unterversorgten Regionen, realisiert werden, wo der Museumsgedanke mit noch lebendigen Traditionen konfrontiert werden kann.

Die Kreisverwaltung Daun ist seit langem systematisch bemüht, nicht nurdie in eigenerTrägerschaft befindlichen Museen zu fördern, sondern auch diejenigen in kommunaler und privater Trägerschaft. Mittlerweile existieren innerhalb der Kreisgrenzen, den Geopfad mitgerechnet, neun Museen dezentral mit verschiedenen, sich einander ergänzenden Inhalten. Sie zeigen jeweils die Segmente ihres regionalen oder lokalen Umfeldes. Somit sind sie gleichzeitig Teil der Kulturgeschichte ihres Bezugsraumes und wirken seit ihrer Entstehung bewußtseinsbildend auf ihre Besucher4)

Im Rahmen seiner Museumsarbeit unterhält der Kreis Daun rege kulturelle Beziehungen zu verschiedenen verwandten Institutionen auch außerhalb der Kreisgrenzen. Er ist ein aktives Mitglied des Arbeitskreises Eifeler Museen, dessen Ziel in erster Linie die Dokumentation und Pflege des regionalen Kulturgutes ist. 

Nach den oben genannten Kriterien war Jünkerath prädestiniert, Standort eines Eisenmuseums zu werden. Die Eifel besitzt beim Abbau von Erzen und deren Verarbeitung eine lange Tradition. Für Jünkerath ist diese Tatsache von ganz besonderer Bedeutung. Die Jünkerather „Eisenindustrie" hat alle Höhen und Tiefen der Eifeler Eisenverarbeitung erlebt, vom Rennofen bis zum Niederfrequenz-Tiegelofen, von jener Gründung der Hütte im Jahre 1687 bis in die Gegenwart. Mit über 50 anderen Eisenwerken in der Eifel war es dem Jünkerather Werk gelungen, den Sprung in die neue Zeit zu schaffen5). Das Eisen stellt ein komplexes Thema dar, dessen Einflußbereich den Betrachter immer wieder von neuem verblüfft. Die Konzeption des Museums erforderte ein interdisziplinäres Vorgehen, um den verschiedenen Facetten der „Eisenindustrie" gerecht zu werden. Die vorhandene Sammlung als Ausgangspunkt durfte dabei nicht außer acht gelassen werden. 

Eine Vielzahl gußeiserne Exponate bildet den Kern des Bestandes. Herdgußplatten mit profanen und sakralen Darstellungen, die zu der Gattung Kunstgewerbe zählen, erfahren in verschiedenen Museen aus volkskundlicher Sicht Bewunderung. Das Eisenmuseum Jünkerath hat sich zum Ziel gesetzt, in Ergänzung dessen die bisher weniger beachteten Zusammenhänge aufzuarbeiten. Ausgehend von den geophysiologischen, technischen, sozialen und wirtschaftlichen bis hin zu den kunsthistorischen Aspekten zeigt das Museum die Geschichte einer Kulturlandschaft auf. 

Vom gediegenen Eisen oder einem Brocken Eisenerz bis zum Eisenkunstguß war es ein sehr langer Weg von mehreren tausend Jahren. Technische Entwicklung und wirtschaftliche Prosperität haben die geistigen Bedürfnisse und die Konsumwelt der Menschen reichhaltig beeinflußt. Hintergrundwissen erleichtert die Begegnung des Besuchers mit der Sammlung6). Somit erfüllt das Museum eines seiner wichtigsten kulturellen Aufgaben. Einerseits werden positive Entwicklungslinien in der Geschichte hervorgehoben und in Anspruch genommen, andererseits lassen sich die Schattenseiten7) und Regressionen vergangener Zeiten als Warnsignale vor analogen Gefahren oder als Appell zur Korrektur gegenwärtiger Tendenzen wahrnehmen. Bei der konzeptionellen Gliederung des Eisenmuseums wurde darauf geachtet, daß der Besucher selbst die Entscheidung treffen kann, was er sehen und erfahren will. Die Informationstafeln sind derart gestaltet, daß jeder leicht den Abschnitt heraussuchen kann, der ihn interessiert. Die Information in Museen sollte als Möglichkeit geboten werden und nicht als Zwang; Museumsbesuch ist eine freiwillige Angelegenheit. Bildung im Museum soll Spaß machen und darf nicht langweilig sein. Es gehört zu den Privilegien der Institution Museum, daß Lernen ohne Leistungsdruck zu erzielen ist. 

Dennoch präsentiert das Museum nicht nur Vergangenes. Die gußeisernen Exponate haben, wie alle anderen Kunst- und Kulturgegenstände, auch ihren Eigenwert. Sie spiegeln nicht nur die Geschichte wider, sondern in ihnen wird eine eigene Wirklichkeit produziert. Die Frage, ob und inwieweit die Objekte8) aus sich selbst zu verstehen sind, läßt sich zwar nicht global beantworten; doch wann immer Museumsbesucher in eine innere Beziehung, in einen Dialog mit dem Exponat im Museum treten, weil sie sich von ihm „angesprochen" fühlen, beweisen diese Gegenstände ihre schöpferische Lebendigkeit. Die Vermittlung im Museum beruht in erster Linie auf visueller und konkreter Kommunikation.

Für den Kulturhistoriker ist es bedeutsam, daß viele Vorgänge, besonders die Industrialisierung, keine nationalen, sondern regionale Vorgänge sind9). Die Eifel bildet in diesem Zusammenhang keine Ausnahme. Die Berücksichtigung der historischen Kulturgeographie veranlaßte die im Eisenmuseum vorgenommene Dokumentation, heute bestehende Staatsgrenzen zu überschreiten. Die Herkunft vieler Hüttenleute und die Absatzwege der unterschiedlichen Produkte lassen neben dem intensiven geistigen Austausch erkennen, daß die Eifel Bestandteil des Wirtschaftsgebietes westliches Zentraleuropa war. Verbindungen in die Wallonie, nach Lothringen und Luxemburg sowie in die Niederlande verdeutlichen den weiten Radius der einst in der Eifel ansässigen Eisengewerbe. Eindeutige Vorgaben über die didaktischen Erfordernisse zum Bau und zur Errichtung des Museums waren die ersten Voraussetzungen für ein ordentliches Funktionieren der Vermittlung. Vom Standpunkt der Museumsdidaktik aus gehört in den Aufgabenbereich des Museumsdesigns die Gestaltung der Präsentation, der Medien und ihres Zusammenhangs nach Funktion und Form. Im übertragenen Sinne handelt es sich um die Inszenierung der Präsentationselemente. Es geht also um mehr als das Hängen, Stellen und Legen der Objekte. Es ist die Aufgabe der Museumsgestaltung, die Wahrnehmung zu fördern und die Störung der Wahrnehmung zu verhindern. Auf gar keinen Fall sollte in Jünkerath die Innenarchitektur selbst Gegenstand der Wahrnehmung werden. Die „Verpackung", die man im Museum braucht, um Aufmerksamkeit zu erregen, darf die Aufmerksamkeit für den Inhalt selbst nicht beeinträchtigen. In diesem Sinne ist der Ansicht zu folgen, daß die Dominanz des Designs zugleich ein Zeichen seiner schlechten Qualität ist10).

Neben der historischen ist es die ästhetische Dimension, die mit unterschiedlicher Ausprägung in allen Museen eine Rolle spielt. Es handelt sich hier um die Ästhetik als zu vermittelnden Inhalt. Interessanterweise wird von allen Museen, und nicht nur von Kunstmuseen, erwartet, daß sie größere ästhetische Anziehungskraft besitzen als andere Präsentationsräume, wie Messehallen oder Kaufhäuser. Der Grund mag darin liegen, daß die Kunstmuseen stärker im Bewußtsein der Öffentlichkeit dominieren. Es ist davon auszugehen, daß ästhetische Bedürfnisse zur Grundausstattung eines jeden Menschen gehören11). Museen sollten sich dennoch zurückhalten, „geschmacksbildend" auf ihre Besucher wirken zu wollen, zumal die Empfindung bei jedem sehr unterschiedlich geprägt ist. In Jünkerath erfolgte die Platzierung der Objekte nicht nach ihrem ästhetischen Wert, sondern nach dem didaktischen Kontext, auch auf die Gefahr hin, besonders schlecht erhaltene Exponate ausstellen zu müssen. Ein Trivialobjekt kann viel größeren exemplarischen und informativeren Charakter haben, wenn es darum geht, ein reales Bild von der Vergangenheit zu vermitteln. Erfahrungsgemäß dürfte die Dauer eines Museumsbesuchs zwischen ein und zwei Stunden liegen. Von den vielen Faktoren12', die die Dauer eines Besuches beeinflussen, kann man die didaktische Qualität und den physiologischen Komfort im weiteren Sinne nennen. Sie wurden im Eisenmuseum mit besonderem Interesse berücksichtigt. Im Rahmen der architektonischen Gegebenheiten wurde darauf geachtet, die Räume vielseitig nutzbar zu machen; verschiedene Veranstaltungen gehören unabdingbar zu kulturellen Aktivitäten eines Museums, die es mit Leben erfüllen.

Alle Museen sind letzten Endes bestrebt, eine weite Öffentlichkeit anzusprechen und sie intensiver für sich zu gewinnen. Eine hohe Quote an Wiederholungsbesuchern ist wohl der innigste Wunsch aller Museologen. Es ist zu hoffen, daß aus dem ersten Besuch heraus das Bedürfnis nach Kenntnis anderer Themenbereiche entsteht. Seit der Mitte der 60er Jahre haben sich deswegen immer mehr Fachleute der Position angeschlossen, dem pädagogischen Auftrag eindeutig Priorität zu geben. Das Museum ist strukturell dennoch so beschaffen, daß es nicht nur Bildung, sondern auch Freizeitgestaltung anbieten kann. Die Bedeutung des Museums als sozialkulturelles Kommunikationszentrum darf in diesem Zusammenhang nicht vernachlässigt werden.

Anmerkungen:

1) Die Konzeption der Museumspolitik des Landkreises Daun wurde am 18.04.1989 von Franz-Josef Ferber, Leiter der Abteilung Schulen und Kultur, dem Kreistag vorgelegt.

2) Das Britische Museum wurde gegründet im Jahre 1783. Über die Dezentralisierung der Museen schrieb Jürgen Rohmeder, Methoden und Medien der Museumsarbeit, Köln 1977, S. 21

3) Klaus Weschenfelder und Wolfgang Zacharias, Handbuch Museumspädagogik, Orientierung und Methoden für die Praxis, Düsseldorf 1981, S.354 ff.

4) Woifgang Hug (Hrsg.), Das historische Museum im Geschichtsunterricht, Würzburg 1978, S. 10.

5) Dietrich Wald und Hubert Pitzen, Schriftenreihe Ortschroniken des Trierer Landes, Band 23, Jünkerath 1989, S. 275 ff.

6) Stephan Waetzoldt, Museologie, Bericht über ein internationales Symposium, veranstaltet vom Deutschen Nationalkomitee des Internationalen Museumsrates (ICOM) in Zusammenarbeit mit der Deutschen UNESCO, Kommission vom 08. bis 13. März 1971 in München, Köln 1973, S. 47

7) Die Eifeler Eisenindustrie ist ein markantes Beispiel dafür, wie eine agrar- und forstwirtschaftlich geprägte Kulturlandschaft im Laufe der Jahrhunderte kontinuierlich durch die einheimische Eisenindustrie verwüstet wurde. Besonders überzeugend berichtet darüber in seiner Monographie Werner Schwind, Der Eifelwald im Wandel der Jahrhunderte, Düren 1984, S. 70 ff.

8) Auf die fundamentale Rolle der Objekte hat mit Nachdruck hingewiesen: L. Kriss-Rettenbeck, Zur Typologie von Auf- und Ausstellungen in kulturhistorischen Museen in: J. Bauer und N. Gockerell (Hrsg.), Museumsdidaktik und Dokumentationspraxis, München 1976, S. 11 ff.

9) Hans Pohl, in: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 78, Stuttgart 1986, S. 9

10) Rohmeder, a.a.O, S. 81.

11) Jürgen Rohmeder beruft sich auf die Prähistoriker Andre Leroi-Gourhan und Hermann Müller Karpe. Rohmeder, a.a.O., S. 51 ff., Anm. 126, 127.

12) Eine Liste von Kriterien, die die Besuchsentscheidung ausführlich behandelt, findet sich in: Die Museen und Besucherorientierung und Wirtschaftlichkeit, Hrsg., Kommunale Gemeinschaftsstelle ür Verwaltungsvereinfachung (KGSt), Köln 1989, S. 32 ff.