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Friedrich der Große -ein großer Lügner?

Degen und Hut des Leopold von Daun

Alois Mayer, Daun-Pützborn

 

Mir steht es nicht zu, der offiziellen Geschichtsschreibung, die den preußischen König Friedrich II. (1712-86) bereits zu Lebzeiten „den Großen" nannte, das Gegenwort zu reden. Sicherlich war der „Alte Fritz" in vielen Bereichen groß: in seinen unbestrittenen politischen Erfolgen, in seiner Dicht- und Schreibkunst, aber auch in seiner Dickköpfigkeit, in der Ablehnung Katholiken gegenüber; in seinen Kriegsgelüsten und - in seinen Lügen. Der „Alte Fritz" log, wenn es seinem Alltag, den politischen Zielen und seinem militärischen Wirken dienlich war, mit einer - in der Tat - großen Erfindungsgabe, Phantasie und Skrupellosigkeit. Er erfand eine Vielzahl von Hetz- und Schmähschriften und schrieb Briefe, die angeblich hochgestellte Persönlichkeiten an andere versandten. So verfaßte er zum Beispiel ein Schreiben, in dem die Marquise von Pompadour der österreichischen Kaiserin Maria Theresia mitteilte, sie habe Angst, nach Wien zu kommen. Sie sei ja die Konkubine des französischen Königs Ludwig und fürchte sich, der„Keuschheits-Kommission Maria Theresias" in die Hände zu fallen.

Ein Opfer von vielen wurde auch ein „ehemaliger Dauner", Graf Leopold von Daun. Er stand in Diensten der österreichischen Kaiserin Maria Theresia und erlangte höchste gesellschaftliche und militärische Ehren. Als Feldmarschall führte er die österreichische Armee mehrmals siegreich gegen den preußischen Feind Friedrich II., der im sogenannten Siebenjährigen Krieg (1756-1763) in Sachsen eingefallen war. Sein Ziel, Schlesien zu erobern, erreichte er nicht so schnell wie geplant. Feldmarschall Daun machte ihm mehrmals einen Strich durch die Rechnung. So auch 1757 bei Kolin. Leopold von Daun griff von den Höhen bei Kolin und Chotzewitz an und schlug die bisher sieggewohnten Preußen in die Flucht. 14.000 Preußen (40 Prozent der Armee) mußten ihr Leben lassen. Friedrich II. war durch diese Niederlage gezwungen, die Belagerung Prags aufzugeben und sich nach Sachsen zurückzuziehen. Ein Jahr später, am 14.10.1758, wurde der Alte Fritz erneut durch Leopold von Daun vernichtend geschlagen. Die Preußen lagerten auf den Anhöhen von Hochkirch und waren sich ihrer Kriegschancen mehr als sicher. Der Alte Fritz machte sich lustig über die Österreicher. Den vorsichtig taktierenden Feldmarschall Daun verhöhnte er als „Zauderer". Kein Mensch dachte daran, daß dieser mit seinen Truppen in den frühesten Morgenstunden ins preußische Lager eindringen würde. Aber genau das geschah. Bald war der Kampf entschieden. Die Preußen flüchteten, ließen über 9.000 Verwundete und Tote zurück, verloren die gesamte Artillerie und den Nachschub.

Friedrichs Frust

Der Schock war für den preußischen König fürchterlich. Sein Ansehen als siegreicher Feldherr stand auf dem Spiel. Hingegen stiegen Ruhm und Ehre des Leopold von Daun kometenhaft. Das ganze nichtpreußische Europa jubelte ihm zu, sang Lobeshymnen und wollte Autogramme.

Dies ließ die neidvolle Phantasie des Preußenkönigs revoltieren. Er versuchte, die Verdienste der Österreicher und des Feldmarschalls Daun ins Lächerliche zu ziehen, um so von seinem persönlichen Versagen abzulenken. Die oft erprobte Lügenkunst Friedrichs II. gebar die Behauptung, Papst Clemens XIII. habe Feldmarschall Daun einen geweihten Hut und Degen geschenkt, mit dem er gegen den preußischen Antichrist zu Felde ziehen solle. Nur so habe er gewinnen können. Der Katholikenhasser1 Friedrich II. war ein schlechter Verlierer. Statt sich und seiner nachweisbar sturen militärischen Überheblichkeit die Schuld an verlorenen Kämpfen zu geben, ließ er sich voller Neid zu ehrabschneidenden Lügen und Verleumdungen hinab. Diese hämische Mär von Dauns gesegnetem Hut und Degen fand rasch Eingang in die Literatur und ist teils heute noch nicht gänzlich verschwunden.

Von der Phantasie zur Lüge

Friedrich der Große baute diese Lüge als „psychologische Kriegsführung" bis hin zum Rufmord auf. In seinem Werk über den Siebenjährigem Krieg schreibt er im 9. Kapitel, das er im Winter 1758/59 verfaßte, unter anderem:

 „.... Im selben Jahre endete das Pontifikat des Papstes BenediktXIV.2.. Die französische, spanische und österreichische Partei gab ihm zum Nachfolgerden Venezianer Rezzonlco, der den Namen Clemens XIII. annahm.... Clemens war vielleicht ein guter Priester, besaß aber keine jener Eigenschaften, die zur Beherrschung des Kirchenstaates und der römischen Weltkirche erforderlich sind. Schon seine ersten Schritte nach Besteigung des Papstthrones waren falsch. Er sandte dem Feldmarschall Daun einen geweihten Hut und einen geweihten Degen, weil er die Preußen bei Hochkirch geschlagen hatte. Solche Geschenke pflegt der römische Hof sonst nur Feldherren zu geben, die über die Ungläubigen gesiegt oder wilde Völker gebändigt haben. Dieser aufsehenerregende Schritt mußte dem Papst also notwendig mit dem König von Preußen entzweien, den er doch schonend hätte behandeln sollen, da viele preußische Untertanen katholisch waren.....

Das unvernünftige Benehmen des Papstes schien den ganzen Klerus zu beeinflussen. Der dem Feldmarschall Daun übersandte geweihte Hut rief bei den geistlichen Fürsten Deutschlands die wunderlichsten Aufwallungen des Glaubenseifers hervor. Unter anderem erließ der Kurfürst von Köln3 in seinen Staaten ein Edikt, worin er seinen protestantischen Untertanen bei schwerer Strafe verbot, sich über die Siege der Preußen oder ihrer Verbündeten zu freuen.4 Der an sich belanglose Vorfall verdient doch Erwähnung; denn er kennzeichnet die abgeschmackten Sitten, die in einem Jahrhundert noch herrschten, in dem die Vernunft sonst so große Fortschritte gemacht hat...."

Die Wirklichkeit sah allerdings anders aus. In der Tat richtete Papst Clemens nach der gewonnenen Schlacht bei Hochkirch ein Schreiben an den König von Frankreich. In diesem drückte er feierlich seine Freude über dessen Bündnis mit Österreich aus und gratulierte zum Sieg. Einen zweiten Brief sandte der Papst an den Mann Maria Theresias, den österreichischen Kaiser, Franz l. Darin ermahnte er ihn als Schirmvogt der Kirche, die Rechte der Religion und des heiligen Reiches zu wahren. Aber nirgendwo steht etwas über die Verleihung irgendwelcher Utensilien an Feldmarschall Daun geschrieben.

Doch bereits im Januar 1759 erschien zunächst in der „Gazette de Cologne" (Kölnische Zeitung) eine Andeutung über die Verleihung eines geweihten Hutes und Degens durch den Papst an Leopold. Diese an und für sich belanglose Meldung muß gezielt hochgespieltworden sein, denn im März wurde sie in anderen, vor allem in holländische Zeitungen, gedruckt und als „bestätigt" gemeldet.

Als der Preußenkönig merkte, daß seine „Story" anfing, Wurzeln zu fassen, schrieb er am 2.5.1759 seinem Freund, dem Marschall d'Argens5, der Papst habe „dem Daun ich weiß nicht was für einen Hut gegeben und benimmt sich sehr unziehmlich gegen mich". Daraufhin regte der antiklerikal eingestellte Marquis an, der König solle diese Geschichte weiter verfolgen und ausbauen. Das tat Friedrich II. Am 13.5.1759 ließ er dem Marquis d'Argens zwei Briefe zustellen. In dem ersten - quasi als Begleitschreiben - steht, es handele sich um „ein Breve des Papstes an den Marschall Daun. Ich hoffe, es ist mir gelungen, diejenigen, die noch irgendeine Neigung für Martin Luther haben, schaudern zu machen.

" Der zweite Brief ist nun jenes satirische päpstliche Verleihungsschreiben:

Unserem heißgeliebten Sohn in Christo, dem Feldmarschall Daun, Oberkommandierenden der Armeen Ihrer Apostolischen Majestät, entbieten Wir, Clemens XIII, Unseren Gruß und apostolischen Segen!

Nachdem Wir mit großer Befriedigung die glänzenden Erfolge Eurer Waffen wider die Ketzer, insbesondere den herrlichen Sieg erfahren haben, den Ihr am 14. Oktober vergangenen Jahres über die Preußen davon trüget, haben Wir es als Vater der wahren Gläubigen für Unsere Pflicht gehalten, den wunderbaren Wirkungen Eurer Tapferkeit das Gewicht Unseres Segens hinzuzufügen und damit die Haltung Unserer Vorgänger nachzuahmen, die dem Prinzen Eugen6 glorreichen Angedenkens einen geweihten Hut und Degen verliehen, weil er die Ungläubigen in mehreren Feldschlachten besiegt hatte.

Euch, der Ihr durch Eure großen Eigenschaften die jenes Helden der Kirche übertrefft und verdunkelt, Euch, die Ihr gegen Ketzer zu kämpfen habt, die noch verstockter an ihren scheußlichen Irrlehren hangen als selbst die Türken, Euch versehen Wir mit allen göttlichen Segnungen. Möge dieser Degen, den Wir Euch senden, in Eurer Hand zur ewigen Ausrottung jener Ketzereien dienen, deren Pesthauch dem Höllenpfuhl entstiegen ist! Der Würgeengel wird an Eurer Seite kämpfen; er wird die verruchte Brut der Sektierer Luther und Calvin ausrotten, und der Gott der Rache wird sich Eures Armes bedienen, um das gottlose Geschlecht der Amalekiter7 und Moabiter8 auszurotten. Möge dieser Degen Rebellenblut trinken; möge die Axt an die Wurzel des Baumes gelegt werden, der verfluchte Früchte trug. Möge nach dem Vorbild des heiligen Karl des Großen9 Norddeutschland mit Schwert, Feuer und Blut bekehrt werden!

Freuen sich die Heiligen schon über ein verirrtes Schaf, das zur Herde zurückkehrt, welche Freude werdet Ihr ihnen, sowie allen Gläubigen erst bereiten, wenn Ihr dies verderbte Gezücht in den Schoß ihrer heiligen Mutter, der Kirche, zurückführt! Die heilige Mutter Gottes von Ma-riazell10 stehe Euch bei! Der heilige Nepomuk verdoppele seine Gebete für Euch! Das ganze Paradies, das Wir durch Unsere Legende bevölkern, nehme sich Eurer Erfolge an! In dieser frohen Erwartung geben Wir Euch Unseren doppelten apostolischen Segen.

Gegeben zu Rom mit dem Fischerring, am 30. Januar 1759, im ersten Jahre Unseres Pontifikates."

Lügenbeweise

Als Marquis d'Argens dieses Schreiben in Händen hielt, lobte er den preußischen König und antwortete, dieser Brief sei dem König vortrefflich gelungen. Er habe vor, den „Breve" in Lateinisch und Französisch drucken zu lassen. „Das wird ihm noch einen größeren Anstrich von Wahrscheinlichkeit geben."

Nun war der Stein am Rollen. Die Propagandalüge wuchs und verbreitete sich rasch. Im August des gleichen Jahres bezeichnete der Wiener Hof die Geschichte mit dem geweihten Hut und Degen als reine Dichtung. Der Papst sandte einen Erlaß an den Wiener Nuntius, in dem er diese Verleihungsgeschichte amtlich dementierte. Aber all dies nützte nichts. Der Mensch glaubt gern, was er glauben möchte, und je abstruser manche Dinge sind, umso eher und lieber.

Friedrich II. ließ nicht ab in seinem Bemühen, den Konfessionshaß noch weiter zu schüren und weitere propagandistische Lügen in die Welt zu setzen, denn die „Geschichte" machte ihm erkennbar Spaß. So ließ er einen Brief Leopold von Dauns an den Papst folgen, in dem er sich für die geweihten Geschenke bedankte. Dieser Brief enthält Formulierungen und Aussagen, die den Schluß zulassen, man habe es nicht mit einem gebildeten und vornehmen Feldmarschall, sondern mit einem Trottel zu tun.

„Brüssel, den 8. Juli 1759

Ich bin tief beeindruckt von der vielfachen Güte, die mir Eure Heiligkeit zuteil werden lassen. Wie glücklich wäre ich, könnte ich durch Ausrottung der Ketzer Euren Absichten entsprechen und Euch meine Erkenntlichkeit bezeigen! Als ich das erste Mal an der Spitze der Armeen erschien, war es mir Bedürfnis, das Blutbad durch Andacht zu heiligen. Ich begab mich daher nach Mariazell und brachte mit Zittern der heiligen Jungfrau, dem Beistand all derer, die sie anrufen, das Opfer meiner tiefen Verehrung dar. Dann reiste ich mit dem feurigen Eifer und Mut ab, den wahre Frömmigkeit gibt. Mein Entschluß stand fest: das Oberhaupt der Protestanten zu Boden zu strecken und die verkehrte Religion, die sich weder um die Heiligen noch um die Mutter Gottes kümmert, zu vernichten. Ich bezog deshalb eine unzulängliche Anhöhe, mit dem Vorhaben, hier festen Fuß zu fassen und entweder zu siegen oder zu sterben. Aber, darf ich es Eurer Heiligkeit im voraus sagen? Der Euch bekannte Ausgang des Unternehmens belehrte mich, daß der Schutz unserer heiligen Mutter nicht hinreichend ist. Ich bedurfte noch des päpstlichen Segens und wußte, daß ich ein zu großer Sünder sei, als daß ich es hätte wagen dürfen, Euch darum anzugehen.

Die verschiedenen Vorfälle, die sich inzwischen ereignet haben, gaben mir die Gewißheit, daß ein General, besonders aber einer wie ich, der allein auf sich selbst angewiesen ist, keine Hilfe, keinen Rat und keine Unterstützung findet, daß ein solcher ohne geweihten Hut und Degen nichts vermag, sein Arm kraftlos und sein Schwerthieb immer unsicher bleibt. So erwachte in mir der heiße Trieb, dem Prinzen Eugen, der gegen weit weniger Feinde zu kämpfen hatte, gleich zu werden oder ihn gar zu übertreffen, es regte sich in mir, der ich mich so vielen vereinten Mächten allein gegenübersehe, der Wunsch, ähnliche heilige Geschenke zu besitzen, wie sie der heilige Stuhl dem Prinzen einst verehrt und ohne welche dieser nichts hätte ausrichten könne, vermöge deren er vielmehr all das getan hat, wodurch er für immer denkwürdig geworden ist. Gaben mir nun auch einige Kenntnisse in der Kriegskunst, einige brauchbare Ideen und gut entworfene und noch besser ausgeführte Pläne, wie einige kühne Streiche noch nicht das Recht, jenen furchtbaren Degen zu beanspruchen, so sind doch Eure Heiligkeit meinen Wünschen und denen aller Anhänger des wahren Glaubens zuvorgekommen. Mit diesem geweihten Kopfschmuck werde ich alle Anhänger des Protestantismus mit dem Interdikt belegen und wie ein den Gipfel herabstürzender und alles mit sich fortreißender Wildbach die unselige Ketzerei, die in der Christenheit herrscht und ihr nichts als Unheil bringt, für immer vernichten. Jedoch wird meine Freude durch schwere Sorgen beeinträchtigt. Man hat meiner Armee versichert, jenes furchtbare Oberhaupt, das sich vergeblich gegen meine Talente und Tapferkeit auflehnt, habe die Säbel seiner Husaren durch den Bischof von Canterbury weihen lassen, und nun wagen es diese rohen Gesellen, die von der Vortrefflichkeit ihres anglikanischen Segens ebenso überzeugt sind wie ich von demjenigen des Heiligen Stuhls, vom Fanatismus hingerissen, in kleiner Zahl während meiner Abwesenheit einem ganzen Korps meiner in Schreck gejagten Truppen zu trotzen und zu überwältigen.

Da ich mit meinem Hut und Degen nicht überall sein kann, so flehe ich Eure Heiligkeit an, erklären zu wollen, daß jener Bischof von Canterbury ein ebenso großer Ketzer ist wie die Husaren, die er weihte, und daß sein Weihwasser dazu nicht taugt. Oder aber erlaubt mir, wenn Eure Heiligkeit dies für gut befinden, eins Eurer Geschenke dem obersten Anführer meiner braven Panduren anzuvertrauen. Ich wünschte sehr, daß ich an allen Orten, wo meine Armeen kämpfen, gleichzeitig anwesend sein könnte. Wäre diese körperliche Allgegenwart einem Sterblichen möglich, könnte er zugleich auf den Bergen wie in den Ebenen sein, dann sollte man wohl bald sehen, daß ein Säbel nichts über einen Degen vermag und ein Erzbischof einem Papst nicht gleichkommt.

Ich bin...."

Desweiteren erdichtete Friedrich einen Brief eines „chinesischen Gesandten", der angeblich bei der Weihe des Hutes dabeigewesen war und dies nun „dokumentarisch" wiedergab, und im Mai 1759 erlog er einen Brief des Marschalls Soubise11 an Daun:

Glückwunsch des Marschalls und Prinzen Soubise an Leopold von Daun:

Herr Feldmarschall! Mit großer Genugtuung erfuhr ich von dem Geschenk, das Seine Heiligkeit Ihnen in Anerkennung der Geschicklichkeit und der Talente gemacht hat, die Sie so vielfach bewiesen. Schlimm finde ich es nur, daß der Heilige Vater so spät darauf kam, Ihnen dieses Geschenk zu machen! Ich hätte bei Roßbach12 einen geweihten Hut und Degen bitter nötig gehabt, und ich glaube, auch Ihnen wären sie bei Leuthen13 nicht schädlich gewesen. Aber besser spät als garnicht! Mit einem Dutzend Bergen, ein paar Tausend Kanonen14 und dem päpstlichen Degen werden Sie, das glauben Sie mir, ewig unbesieglich sein. Aber was kann man ohne geweihten Degen ausrichten? Unsere Franzosen hatten nicht einmal daran gedacht, ihre Säbel mit Weihwasser besprengen zu lassen. Die Folgen davon haben wirgesehen. Jetzt bürge ich Ihnen dafür, daß kein Ketzer Ihnen widerstehen kann. Sie brauchen nur Ihren Degen vor Ihren Augen blitzen zu lassen, und Ihr Heer wird bei dem Anblick davonlaufen, wie derAnblick von Minervas15 Schild die Menschen versteinert haben soll. Der Hof hat es nicht für angezeigt gehalten, mich dieses Jahr mit der Führung der Armeen zu betrauen. Um so mehr Muße habe ich, Ihren Operationen aufmerksam zu folgen und aus Ihrem Benehmen zu lernen: muß es doch bei der Unterstützung durch den geweihten Degen jedem Feldherrn eine Lehre geben. Sehnlicher denn je wünsche ich, daß unsere Höfe das glückliche Bündnis, das sie gegenwärtig eint, sorgfältig pflegen; denn was sollte aus uns werden, wenn wir eines Tages gegen Sie Krieg führen und zugleich Ihrem Geschick und Ihrem geweihten Degen widerstehen müßten?

Ich bin mit aufrichtiger Bewunderung und denkbar größter Hochachtung .... Ihr Soubise."

Dieser gehässig-ironische Brief wurde allerdings nicht in der Presse veröffentlicht. Allzuleicht hätte jeder Leser die Beleidigungen, die lächerlich machende Verachtung der katholischen Religion und die Fälschung erkannt. Damit wäre der intrigierende Verfasser Friedrich entlarvt worden, was ihm die Freude verdorben hätte. Und Spaß an seinen gefälschten Briefen hatte er sicherlich. Zum Schluß glaubte er selbst an „die Wahrheit seiner Lügen". Er nannte Daun seither meist nur „den geweihten Hut". Einige Beispiele:

„Der geweihte Hut wird sich gern von Finckaus Böhmen zurückkomplimentieren lassen!"; „Da der geweihte Mann ...." (14.5.1759); „Der geweihte Hut hat seinen Plan ...."(1.7.1759); „ Der große Hut hat sich vor einigen Tagen in Marsch gesetzt...."(4.7.1759);

„Was wollte ich alles ausrichten, mein Lieber, wenn ich wie Daun einen geweihten Degen und einen geweihten Hut hätte! Aber das kommt davon, wenn man ein Ungläubiger ist! Man wird vom Heiligen Vater verworfen und ist infolgedessen allen Schicksalsschlägen ausgesetzt. Wissen Sie (Friedrich meinte Heinrich de Catt, der von 1758 bis 1780 sein Vorleser und Gesellschafter war) vielleicht einige Mittel, wie man schleunigst ein guter Gläubiger werden und durch eine leuchtende Gläubigkeit das Wohlwollen des Siebenhügelmannes erwerben kann?"

Catt: „Ein gutes Mittel für den Anfang ist das, Ihre Feinde tüchtig zu schlagen. Wenn Sie alle zur Vernunft gebracht haben, so wird Ihnen der Heilige Vater vielleicht einen geweihten Degen schicken, da Sie von Ihrem sehr ketzerischen Verstand einen so guten Gebrauch zu machen verstanden haben."

Friedrich: „Das ist nicht übel", sagte er. Ich kann sogar versichern, daß er außerordentlich ketzerisch ist!" (9./10.7.1759); „Ich lasse Sie hier bei meinem Bruder Heinrich, der das Heer gegen den Hut befehligen wird, ..."(28.7.1759);

„ Wenn ich Glück hätte, wenn ich den Hut schlagen könnte, wie köstlich wäre das, mein Lieber, und wie sollte mich das erquicken!.." (22.11.1759) und so weiter.

Lügen macht Spaß

Der Alte Fritz, dem niemand seine Fähigkeit zum Dichten abstreitet, verfaßte von dieser Geschichte in französisch sogar folgendes Gedicht (übersetzt von L. Fulda):

„Der heilige Vater schenkt mir Ehre,

die mich zum Lachen bringt: Er tut,

als ob ich der Herr der Türken wäre.

Dem Marschall Daun gibt er den Hut,

den Säbel von gewalt'ger Schwere,

mit dem er einst Eugen belud.

Damit auf ewig er verkläre,

des Siegers Ruhm und Heldenmut,

als kämpfend mit der Türken Schwärm

er in der Glaubensfeinde Blut,

gewaschen seinen Rächerarm.

Ach könnt' im törichten Alarm,

in unsrer wilden Kriege Harm,

die Mütze, die des Papstes Segen

verlieh dem trefflichen Strategen,

sich durch die Dummheit seiner Taten,

sein falsches Zaudern, falsches Handeln.

Danebengreifen, Planverschandeln,

nach Urteil sämtlicher Soldaten,

von Rom, Paris, den Kirchen aller Staaten,

in eine Midaskrone16 wandeln!

Ich aber ohne Mutz' und Degen,

verfolgt mit ungestümen Schlägen,

von ganz Europas bitt'rem Groll;

ich, den drei hochgestellten Metzen17

noch immer leidenschaftlich hetzen

vor eitler Weiberlaune toll;

ich, aller Priestergunst entledigt,

stets ohne Sakrament und Predigt,

nach Luther oder nach Calvin -,

ich lasse mich nicht niederzieh' n!"

1760 besiegte Friedrich II. in der Schlacht bei Torgau die Österreicher unter der Führung des Leopold von Daun. Selbst jetzt gab der „Alte Fritz" noch keine Ruhe. Die unbewußte Achtung und Anerkennung sowie die tief sitzende Angst vor seinem Gegner Daun ließen ihn einen Brief erfinden, in dem nochmals von dem geweihten Hut und Degen die Rede ist. Diesmal war der „Verfasser" ein österreichischer Feldprediger, der sich bitterlich darüber beklagte, daß wohl der geweihte Hut und der Degen in der Nacht vor dem Kampf bei Torgau ihre Kraft eingebüßt hätten. Anders sei die verlorene Schlacht nicht zu erklären. Weiter vermutet der Prediger, daß wohl schon viel früher die überirdischen Segenskräfte verloren gegangen seien, denn bereits in Sachsen hätten die Preußen so nach Schwefel gestunken, daß die Österreicher es nicht aushielten und zurückweichen mußten. Der große Künstler Adolf von Menzel (1815-1905) zeichnete lange nach dem Tode Friedrichs II. den geweihten Hut und eine Kampfszene - schön und anschaulich. Dennoch bleibt dieses Bekleidungsstück und die „geheiligte Waffe" Dauns nichts als eine Propagandaerfindung des preußischen Königs.

Anmerkungen:

1 Diese harte Behauptung läßt sich zahlreich belegen. So ließ Friedrich II. im gleichen Zeitraum, in dem er jene Propagandalüge und andere ehrabschneidende Unwahrheiten erfand, den Pater Faulhaber ohne Sakramentenempfang aufhängen, weil dieser nicht das Beichtgeheimnis eines desertierten Soldaten brach. Der Alte Fritz, der von Toleranz redete und sie forderte, handelte selbst anders. Am 5.5.1786, in seinem Sterbejahr, erließ er noch eine Verfügung, nach der katholische Beamte mit einem Gehalt über 300 Taler nicht angestellt werden und Katholiken keinen verantwortlichen Beamtenposten einnehmen durften.

2 Papst Benedikt XIV. starb am 3. Mai 1758.

3 Clemens August, Herzog in Bayern.

4 Dieses von Friedrich II. angesprochene Edikt konnte bisher nirgendwo in dieser oder in einer ähnlich klingenden Fassung gefunden werden. Es darf daher davon ausgegangen werde, daß auch diese königliche Behauptung nichts weiter ist als eine reine Lüge.

5 Marquis d'Argens (1704-1771) anfangs Offizier, später philosophischer Schriftsteller; 1741 nach Berlin berufen; 1744 Direktor an der Berliner Akademie; Freund des Königs, zur Tafelrunde von Sanssouci gehörig; später hatte er als kränklicher Sonderling häufig Friedrichs Spott zu erdulden. Er kehrte 1768 nach Frankreich zurück.

6 Prinz Eugen von Savoyen (1663-1736), Österreichs bedeutendster Feldherr, der „edle Ritter", besiegte die Türken in mehreren Schlachten und bewahrte so Mittel- und Westeuropa vor größter Gefahr.

7 Anspielung auf das Alte Testament (1 Samuel 15,2): „Also spricht der Herr der Heerscharen: Bestrafen will ich Amalek für das, was er an Israel getan hat..." König Saul schlug das Volk der Amalekiter vernichtend.

8 Anspielung auf das Alte Testament (2 Samuel 8, 1-2): „Danach schlug (König David) die Philister und unterwarf sie. Er schlug die Moabiter und maß die, die sich auf den Boden legen mußten, mit der Schnur ab. Je zwei Schnüre maß er über jene, die ertötete, und eine Schnur länger für jene, die er am Leben erhalten wollte. So wurden die Moabiter Davids Knechte und tributpflichtig."

9 Kaiser Karl der Große (* 742; + 81444), dessen christlicher Gesinnung große Brutalität, Grausamkeit und Völkermorden gegenüberstand, wurde vom Kölner Erzbischof Rainald von Dassel, 1165 heiliggesprochen. Der Gegenpapst Paschal III. billigte diese Heiligsprechung, die aber von Rom unter Papst Alexander III. bis heute nie anerkannt wurde, obwohl die katholische Kirche den Städten Aachen und Osnabrück später die Verehrung des Kaisers zubilligte.

10 Wallfahrtsort in Österreich

11 Charles de Rohan, Prinz von Soubise (1715-87), war französischer Marschall. Ludwig XV. gab ihm das französische Oberkommando im Siebenjährigen Krieg.

12 Bei Roßbach fand am 5.11.1757 zwischen den Franzosen unter Marschall Soubise und dem Reichsheer unter Herzog Friedrich von Sachsen-Hildburghausen, zusammen 41.000 Soldaten, und den Preußen unter Friedrich (22.000 Mann) eine große Schlacht statt, die die Preußen überraschend und innerhalb von zwei Stunden für sich entscheiden konnten. Soubise verlor 700 Mann an Toten, 2.000 Verwundete und 5.000 wurden gefangen.

13 Am 5.12.1757 lieferten sich 65.000 Österreicher unter Herzog Karl von Lothringen und Feldmarschall Daun bei dem Ort Leuthen mit 35.000 Preußen unter König Friedrich II. eine große Schlacht. Leopold von Daun ließ sich täuschen und wurde geschlagen. Er verlor 7.000 Mann an Toten und Verwundeten; 12.000 Soldaten wurden gefangen genommen. Die Preußen verloren 6.000 Soldaten.

14 Friedrich spielt auf die Technik Leopold von Dauns an, dessen Schlachtkunst auch darin bestand, hervorragende Stellungen auf Bergen zu wählen und zu befestigen sowie die Überlegenheit der österreichischen Artillerie. Mehrmals verloren die Preußen deshalb Kämpfe.

15 Minerva (griechisch: Athene) = bedeutende altitalische Göttin, Schützerin des Handwerks, der Kunst und der Ärzte. Schutzgöttin von Rom. Ihre Attribute sind Helm, Lanze und Schild.

16 Midas = Sagenhafter phrygischer König; was er berührte wurde zu Gold.

17 Metze = Dirne; gemeint waren die russische Zarin Elisabeth, die österreichische Kaiserin Maria Theresia und die französische Mätresse Marquise von Pompadour.

Literatur:

von Thadden, Feldmarschall Daun, Wien 1967

Fischer-Fabian, Preußens Gloria, Knaur 1979

Friedrich der Große, Briefe und Schriften, Leipzig 1927

Friedrich der Große, Gespräche mit Catt, Leipzig

Dank gebührt dem Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Dr. Andernach) und dem Historischen Archiv Köln (Dr. Haas) für deren unterstützende Quellenforschung.