Spion im Auftrag des Prinzen Eugen von Savoyen:

Der Zöllner JJ. Spoor aus Leudersdorf

Dr. Peter Neu, Bitburg

 

„Prinz Eugen der edle Ritter" lebt in Liedern und Gedichten noch heute in der Erinnerung fort. Der Prinz machte sich als treuer Feldherr des Kaisers einen Namen, als er zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Türken auf dem Balkan zurückdrängte und 1717 die Stadt Belgrad zurückeroberte. Während der Belagerung Belgrads gehörte zu den Offizieren des Prinzen auch der junge Herzog Leopold Philipp von Arenberg (+1754). Er kommandierte damals ein Regiment Fußsoldaten. Zumindest seit dieser Zeit gab es einen engen Kontakt zwischen dem Herzog aus der Eifel und dem berühmten Feldherrn.

Der Herzog von Arenberg besaß in der Eifel 1720 nicht nur das kleine Herzogtum an der Ahr, ihm gehörten auch die Graf- und Herrschaften Kerpen, Kasselburg, Fleringen. Zu den Untertanen zählte der Zöllner Johann Jakob Spoor aus Leudersdorf; der Ort lag in der Grafschaft Kerpen. Als Zöllner diente Spoor bereits um 1720 seinem Landesherrn, dem Herzog Leopold Phillipp.

1716 berief der Kaiser den Prinzen Eugen von Savoyen zum Statthalter der österreichischen Niederlande; der berühmte und bewunderte Feldherr trug seither auch besondere Verantwortung für die Teile des Reiches an der Westgrenze.

Als der Polnische Erbfolgekrieg 1733 ausbrach, zogen sich plötzlich wieder Kriegswolken über dem Westen des Reiches zusammen. - Vergeblich hatte der französische König versucht, seinen Schwiegervater Stanislaus Leszinski auf den polnischen Thron zu heben. Kaiser und Reich widersetzten sich diesem Plan. Der französische Herrscher, der sein Ziel nicht erreichen konnte, fühlte sich getäuscht und hintergangen. Er rüstete und bedrohte mit einem Heer seit 1734 das Land an Rhein, Maas undMosel. Prinz Eugen von Savoyen rückte von der Oberrheinischen Tiefebene im August 1735 nach Norden vor, um die Franzosen zu vertreiben. Im Heer des Prinzen stand auch jetzt wieder der Herzog von Arenberg, er kommandierte ein ganzes Corps, bestehend aus 18 Bataillonen. In dieser Zeit spielt der oben erwähnte „Zöllner Spoor aus Leudersdorf" eine Rolle in den Plänen des Prinzen von Savoyen. Mit Sicherheit war Spoor dem Herzog von Arenberg persönlich bekannt, und mit großer Wahrscheinlichkeit empfahl der Herzog dem Prinzen Eugen seinen Untertan für „besondere Aufgaben". Der Leudersdorfer muß ein bärenstarker, mutiger Mann gewesen sein. Er schreckte um 1730 nicht davor zurück, sich mit dem Statthalter von Romagnol anzulegen, der im Auftrag des Herzogs in Arenberg residierte. Verschiedene Gerichtsakten bezeugen uns, daß er sich nicht leicht unterkriegen ließ und daß dem „Zöllner" auch eine gewisse Bauernschläue nicht fehlte. 

Im Februar des Jahres 1734 - die Kriegswolken zogen sich inzwischen über der Eifel zusammen - reiste Herr Coels von der Ahrhütte, ein Vertrauter des Herzogs, nach Trier. Er nahm den Zöllner aus Leudersdorf mit, vermutlich konnte sich Spoor beim Antritt der Reise keinen Reim darauf machen, warum er mitfahren sollte. In Trierführte Coels den ahnungslosen Spoor zu einem gewissen Hauptmann Bachofen, der im Daunischen Regiment diente. Bachofen zeigte dem Leudersdorfer eine „schriftliche Ordre", die von General von Neipperg, dem Kommandanten der Festung Luxemburg, unterzeichnet war. Danach solle Spoor unmittelbar nach Luxemburg gebracht werden. Falls er sich weigere - so wurde ihm eröffnet - müsse man ihn im Auftrag des Herzogs von Arenberg und des Prinzen Eugen von Savoyen mit Gewalt nach Luxemburg bringen. Wenn er Schwierigkeiten  mache, dann werde er außerdem „fürderhin im Römischen Reich nit mehr geduldet". 

Das alles mag Johann Jakob Spoor reichlich seltsam vorgekommen sein. Er fügte sich also in sein Schicksal, reiste „nolens volens per postam ab" nach Luxemburg, der Hauptmann begleitete ihn. In Luxemburg begaben sich beide sofort zum Kommandanten, dem General von Neipperg. Dieser ergriff den Leudersdorfer, der offenbar völlig verwirrt und eingeschüchtert war, bei der Hand und beruhigte ihn. Ereröffnete dem Mann aus der Eifel, „er möchte sich nit förchten, er were derjenige, welcher von dem printzen Eugenio sowohl als auch durch den Herzog von Arenberg ihm (=Neipperg) recommandirt worden were, dasjenige getrewlich auszurichten, was er ihm zu tuen vorhalten werde". Nun erst hob sich der Vorhang. Neipperg erklärte Spoor, er solle als Spion nach Diedenhofen reisen. Dort müsse er sich als Handelsmann ausgeben, vor allem aber solle er sich am Moselhafen aufhalten, in den Schenken mit Soldaten und Offizieren Kontakt suchen, solle mit ihnen zechen, spielen und Handel treiben. Sein besonderes Augenmerk müsse er auf folgendes richten: „Mit was für Materialien die Schiff daselbst beladen, ob man Blei, Pulver, Kugeln, Heu, Hafer und dergleichen einschiffe und wo die Schiff sowohl als die Franzosen selbst ihre Marsch hin richteten, auch auf was für Städte sie ihre Absicht hätten." An Geld werde es nicht mangeln, man werde ihn - Spoor - schon ausreichend mit Gulden versehen. Sollte er allerdings als Spion entdeckt werden, so werde man ihn nicht im Stich lassen und dafür sorgen, daß er schnell wieder nach Hause entlassen werde. Dann mußte Spoor einen feierlichen Eid leisten, daß er zu niemandem über diesen Auftrag etwas sagen werde. Schließlich entließ man ihn, nachdem ihm hinreichend Geld ausgehändigt wurde, um in die Eifel zurückzufahren. Spoor kehrte also nach Leudersdorf zurück, und von dort brach er schon kurze Zeit später wieder auf. Bald kam der „Handelsmann" aus Leudersdorf nach Diedenhofen. Getreu seiner Anweisung hielt ersieh im Hafengelände auf und versuchte, Kontakte zu knüpfen. Da es an Geld nicht fehlte, da Spoor zudem als Zöllner etwas von Handel und von Preisen verstanden haben muß, scheint die Anwesenheit des Eiflers in Diedenhofen und Metz keinen Argwohn erregt zu haben. In Kneipen und beim Handel ergaben sich schnell zahlreiche Kontakte zu französischen Soldaten. Selbst mit einem französischen Offizier, dem Grafen de Ligne, konnte er Verbindung aufnehmen.

Aus den gemeinsamen Gelagen und Gesprächen aber entnahm der pfiffige Eifler zahlreiche wichtige Informationen. Schon bald versorgte Spoor seine deutschen Verbindungsleute mit besten Nachrichten. In einer Vielzahl von Fällen konnte er ganz gezielte Hinweise geben. Nur einige sollen hier erwähnt werden: Er entlarvte unter anderem einen französischen Spion namens Häringen, der in Mayen wirkte. Er trug dazu bei, daß ein Pferdetransport für die Franzosen, der von einem Gerolsteiner Juden organisiert worden war, abgefangen wurde; ein anderes Mal gab er einen Hinweis, so daß in Mehren in der Eifel 45 Pferde erbeutet wurden, die für die französische Armee heimlich beschafft worden waren. Ein Schiff, bei Metz mit Salzsäcken beladen, in dem allerdings auch 16.000 Pfund Blei mitgeführt wurden, konnte aufgrund seines Hinweises auf der Mosel von deutschen Husaren angehalten und beschlagnahmt werden. Ein anderes Mal benachrichtigte erdie kaiserlichen Husaren, daß „bei Sinheim an der Mosel zwo Karren mit Hopf beladen über diesen Fluß passieren, welchen sie die Hopfsäcke aufschneiden müssen, alsdann Flinten und Bajonette darin finden, welches sich auch so ereignet".

Wie lange Spoor seiner Tätigkeit als „Spion" nachgehen konnte, läßt sich nicht mehr genau ermitteln. Aber - wie so häufig in solchen Fällen - die Spionagetätigkeit Spoors ließ sich auf die Dauer nicht geheimhalten. Er „flog auf", wodurch ist unbekannt. Vermutlich im Laufe des Jahres 1736 wurde er „gefenglich eingezogen". Nicht gerade sanft ging man mit dem „Verräter" um. Er berichtete später von „unsäglichen Rippen- und Bruststößen". Schließlich führte man ihn als Gefangenen in seinen Heimatort Leudersdorf, denn inzwischen kontrollierten die Franzosen die Eifel weitgehend.

In seinem eigenen Haus wurde er „im Schornstein aufgehangen auch einmal geschehener Herunterwerfung". Vermutlich bei Leudersdorf führte man ihn unter den Galgen und drohte damit, ihn aufzuknüpfen. Mit diesen und ähnlichen Quälereien wurde offenbar versucht, aus dem Spion so viele Informationen wie möglich herauszuholen. Endlich brachte man Spoor wieder nach Trier, wo er „in einem abscheulichen Kerker bei Wasser und Brot 8 Monat" verbringen mußte. - Die Franzosen aber nahmen nicht nutfurchtbar Rache an Spoor, auch seine Familie mußte leiden. Spoor listete später auf, was die Franzosen ihm, seinem Vater, seinem Bruder und seiner Schwester alles gestohlen hätten. Da werden Tuche, Kleider, Hemden, zinnernes Geschirr, Messer, Gabel, Löffel, Teller, drei Kühe, zwei Schweine, ja selbst zwei Hunde aufgeführt. Danach sieht es so aus, als ob die Franzosen offenbar den gesamten Hausrat und das Vieh der Familie Spoor wegnahmen. Von einem Loskauf des Spions hören wir in dieser Zeit nichts. Prinz Eugen von Savoyen war 1736 verstorben, General von Neipperg aus Luxemburg abberufen worden. Als Spoor von den Franzosen in Haft genommen wurde, war Neipperg Gouverneur im fernen Temesvar, und er dürfte sich wohl kaum noch um den Leudersdorfer Spion gekümmert haben. Erst im Februar 1737, als die Franzosen endgültig aus Trier abzogen, ließen sie ihren Gefangenen frei. Er kehrte als gebrochener Mann in die Heimat zurück. Von hier aus suchte er die Beamten auf Burg Arenberg auf. Diese wandten sich an den Herzog, der damals in Brüssel wohnte. Sie baten darum, dem armen Mann zu helfen, dem es übel ergangen sei, obwohl erfür die deutsche Sache viel geleistet habe.

Spoor machte sich noch im Frühjahr 1737 persönlich auf den Weg nach Brüssel, um den Herzog aufzusuchen. Schließlich war er es gewesen, der seinen Namen offenbar beim Prinzen von Savoyen genannt und ihn in die schwierige Lage gebracht hatte.

Über das weitere Schicksal Spoors sind wir nicht informiert. Im Februar 1737 wird er noch als in Leudersdorf wohnhaft aufgeführt. Er bewohnte damals sein Haus im Ort, das er erst 1728 „auf einem Platz der Gemeinde" erbaut hatte.

Eine Einwohnerliste aus Leudersdorf vom Jahre 1743 läßt vermuten, daß damals Spoor bereits tot war. In der Liste erscheint eine Witwe Margret Spoor, vermutlich seine Ehefrau. Die Liste nennt jedoch auch zwei weitere Mitglieder des Hauses Spoor: Leonhard und Anton. Damals muß Leonhard Spoor ein ziemlich begüterter Mann gewesen sein, ihm gehörte der Fringshof in Uxheim und das Coenen-Gut in Leudersdorf, das heute noch dem Namen nach in Leudersdorf bekannt ist - es liegt mitten im Ort.

Das Schicksal des Leudersdorfer Spions ist heute in seinem Heimatort vergessen. An ihn erinnert nur noch der Familienname, der auch heute noch im Dorf zu finden ist. Das „Sporenhaus", das er 1728 errichtete, steht allerdings noch inmitten des Dorfes.

Ein zweites „Sporenhaus", ebenfalls im 18. Jahrhundert von Familienmitgliedern gebaut, steht auch noch in Leudersdorf und hält die Erinnerung an eine Familie wach, die ungewollt für kurze Zeit in die große Politik hineingezogen wurde.

Quellen:

Herzogl. Arenberg. Archiv, Enghien, Akte D 2728. -

Archives generales du Royaume, Brüssel, Akte LA 3957, 7895